Briefwechsel-Helius Eobanus Hessus

Aus Joachim Camerarius (1500-1574)
Wechseln zu: Navigation, Suche


Allgemein zum Briefwechsel

Für Camerarius ist es typisch, dass er schriftlich mit Briefpartnern kommuniziert, die sich andernorts aufhalten. Das passt auch mit seiner Praxis zusammen, wichtige Dinge eher nicht dem Papier anzuvertrauen, sondern mündlich zu erledigen. Wissenschaftliche Themen werden in seinen Briefen sowieso ausgespart. Allgemeine Neuigkeiten muss er vor Ort nicht schreiben, da sie sich schnell verbreiten, und Zeitenklage kann er auch persönlich vorbringen. Man kann das schön sehen an den mit Baumgartner gewechselten Briefen: während der gemeinsamen Jahre in Nürnberg gab es keinen Briefwechsel (jedenfalls keinen, der als druckenswert erachtet wurde), sondern dieser beginnt erst mit C.‘ Übersiedelung nach Tübingen bzw. Leipzig. Die Briefe des Hessus sind anders gestaltet. Oft beinhalten sie eine Einladung zum Essen, häufig in Gedichtform, auch einige Rätselgedichte sind darunter.[1] Wenn er von einem anderen Ort schreibt, nutzt er Briefe als Begleitschreiben für seine literarischen Werke, die er zur Korrektur an C. schickt. Entsprechend blieb eine große Anzahl von Briefen des Hessus erhalten, die aus gemeinsam verbrachten Zeiten stammen, wohl überwiegend aus der Nürnberger Zeit (1526–1533). Auf ihnen ist in der Regel kein Datum verzeichnet.

Verhältnis der Briefpartner

Im Rückblick betrachtet C. seinen Freund Hessus als princeps unter seinen Freunden (siehe OCEp 0347).[2] Der inzwischen 68-Jährige betonte die Dauer einer Freundschaft, die maximal 22 Jahre (1518 bis 1540) gedauert hatte, von denen beide weniger als die Hälfte (1518–21 und 1526–33) am selben Ort verbracht hatten. In den wenigen Briefen, die aus gemeinsamen Erfurter Jahren (1518–1521) erhalten sind, zeigt sich entsprechend ein Hierarchiegefälle: Auf der einen Seite der hochgeehrte Dichter Hessus, auf der anderen der aufstrebende junge Gelehrte.[3] Schon damals aber muss sich die Freundschaft herausgebildet haben.[4] Das wird auch deutlich durch die Aufforderung an C., H. als Gleichrangigen anzusprechen.[5] Wenn H. Befehle gegenüber C. erteilt,[6] ist das kein Ausdruck einer echten Hierarchie, sondern einer humanistischen Spielerei, bei der H. sich als König (der Dichter) aufführte.[7] Problematisch ist, dass viele Briefe überhaupt nicht datiert sind. Über die Postulierung einer aymmetrischen Beziehung in Erfurter Zeiten, die in Nürnberg zu einer Freundschaft auf Augenhöhe wurde, wurden viele der undatierten Briefe in diese oder jene Epoche datiert. Dieses Vorgehen birgt aber einige Risiken. In Nürnberg war C. als Schulleiter des Egidiengymnasiums zwar der Vorgesetzte von Hessus, doch scheint das ihre Freundschaft nicht zu beeinflussen.

Gemeinsame Erfurter Zeit 1518–1521

Hessus war der Star der Erfurter Humanistenszene, als Camerarius 1518 in die Stadt kam. Der „König“, wie er sich nennen ließ, war bestens vernetzt, hatte und Reuchlin persönlich kennengelernt und war ein berühmter Dichter, der auch (letztlich erfolglos) nach der Dichterkrone strebte.[8] Seine lateinischen Dichtungen, die sich nicht auf bloße Nachahmung antiker Vorbilder beschränkten, verschafften ihm Geltung auch über Fachkreise hinaus. Der Kreis um Hessus umfasste auch den Altmeister Conradus Mutianus Rufus, Crotus Rubianus, Euricius Cordus und Adam Krafft, der Hessus um 18 Jahre überlebte und dem C. die Hessus-Biographie widmete. Auch Leonhard Crispinus, Widmungsempfänger der Briefedition 1561, gehört wohl zu diesem Kreis: Darunter waren hessische Landeskinder, die in Erfurt studierten und von denen einige anschließend wieder nach Hessen gingen, um dort theologisch oder humanistisch tätig zu werden.

Wanderjahre des Camerarius

Während C. 1521 an die Universität (Wittenberg) wechselte, sich hin und wieder in Bamberg aufhielt und Reisen nach Bretten und Basel (1524) sowie Preußen (Herbst 1525) einschob, blieb Hessus in Erfurt und fristete dort sein bescheidenes Humanistendasein. Sein einst blühender Zirkel verblühte ebenso wie seine Universität, weil viele seiner einstigen Getreuen Erfurt verließen.[9] Mit Johann Lange (Theologe) entzweite er sich,[10] als einziger Freund blieb ihm Georg Sturtz, der sich jedoch oft in Annaberg aufhielt. Aus dieser Zeit stammen die Briefe OCEp 0352, OCEp 0353, OCEp 0354 und ein Nachruf auf Nesen. Durch wirtschaftliche Not gedrängt, wandte der Dichter sich sogar dem Studium der Medizin zu, jedoch nicht für lange, denn mit der Gründung der Nürnberger Hohen Schule bot sich ihm eine verlockende neue Perspektive.

Nürnberger Jahre 1526–1533

Das "Egidiengymnasium"

Im Jahr 1526 wurde in Nürnberg, auf Betreiben Hieronymus Baumgartner d.Ä. und unter tatkräftiger Unterstützung Philipp Melanchthons, das Egidiengymnasium als städtische Schule gegründet.[11] Einige Stationen auf dem Weg dahin können mit Hilfe von Melanchthons Briefwechsel erschlossen werden: Bereits am 31.10.1524 sinniert er in einem Brief[12] darüber, Hessus mit einer Aufgabe zu betrauen, die er selbst nicht übernehmen könne. Aus dem parallelen Brief[13] sowie dem Vorgängerbrief[14] wird deutlich, dass Melanchthons Berufung ans Gymnasium gemeint ist. Die wiederholte Ablehnung seines Rufs in MBW Nr. 357 macht deutlich, dass Baumgartner sich mit der ersten nicht zufriedengegeben hatte. Es ist nicht klar, ob hier schon die Schulleitung thematisiert wird; Camerarius wird in diesem Kontext erst in MBW Nr. 422 (26.9.1525) ins Spiel gebracht. Im Herbst reisten C. und M. nach dem 21.10.[15] für die weiteren Verhandlungen nach Nürnberg, wo sie vor dem 15.11.[16] eintrafen. Danach kehrte C. zunächst nach Bamberg zurück, während M. auf dem Weg nach Wittenberg in Erfurt Station machte. Im Gepäck hatte er einen Brief des Camerarius (OCEp 0007) und ein offizielles Schreiben des Nürnberger Stadtrats. Melanchthons Verhandlungen mit Hessus[17] waren erfolgreich, wie man in MBW Nr. 438.2 und dem Parallelbrief des Hessus[18] an B. sieht: Hessus trat für ein Gehalt von 150 Gulden[19] in den Schuldienst ein und widmete der am 23.5.1526 mit einer Rede Melanchthons eingeweihten Anstalt eine Elegie.[20] Die Berufung Sigmund Gelens als Lehrer gelang nicht;[21] stattdessen wurden Michael Roting und Johannes Schöner als Lehrkräfte gewonnen. Wenig wissen wir über den Hebräischlehrer Johann Böschenstein.[22] Aus der Nürnberger Zeit sind sehr viele Briefe von Hessus an Camerarius erhalten. Die Schule wird darin fast nie erwähnt, sondern wir erleben einen heiteren Austausch von dichterischen Spielereien und wissenschaftlichen Erörterungen. Von geschäftlichen Verrichtungen sprechen OCEp 0066 und OCEp 0067. In der ersten Zeit hatte Hessus noch ein ungetrübtes Verhältnis zu seiner Schule; so ehrte er sie auch durch Elegien. Bald schon aber taten sich erste Wolken am Himmel auf.[23]

Editionen, Literatur und weiterführende Links

Überlieferung und statistische Übersicht

Insgesamt wurden 187 Briefe in die Datenbank aufgenommen. Davon wurden

  • 27 von Camerarius verfasst.
  • 157 an Camerarius geschrieben.

Im Rahmen des Projektes wurden nur die zeitgenössisch (bis ca. 1600) gedruckten Briefe erfasst. Die folgenden statistischen Daten bilden daher nur einen Ausschnitt des ohnehin nicht vollständig überlieferten Briefwechsels ab und dienen somit eher der Orientierung. Um sie aufzurufen, drücken Sie bitte unten auf "Semantic Drilldown".


Semantic Drilldown
Filters
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
Title
Display parameters


  1. Siehe die Schlagworte Einladung, Briefe/Briefgedichte und Rätselgedicht.
  2. Vgl. Camerarius, Epistolae doctorum, 1568, Bl. A3v: Inter omnes autem quod magnifeci et amicos, familiares, necessarios habui illis temporibus, princeps fuit Eobanus Hessus, et sua excellentia, et consuetudinis nostrae diuturnitate.
  3. Die Verehrung für den Dichterfürsten durch den heranwachsenden C. verdeutlicht dieser in der Narratio, Kapitel 11.
  4. Vgl. ebda., Kapitel 2: incredibilis animorum beneuolentia existeret.
  5. OCEp 0090.
  6. Z.B. in OCEp 0013.
  7. Die Bezeichnung stammt von Johannes Reuchlin, der H. in Anlehnung an ein Kallimachos-Zitat (Kallimachos, Hymnus auf Zeus, V. 66: οὔ σε θεῶν ἑσσῆνα πάλοι θέσαν, ἔργα δὲ χειρῶν) als ἑσσῆνα, König, bezeichnete. H. griff dies auf und vergab an seinen Freundeskreis Titel wie in einem Hofstaat: Vgl. Camerarius, Narratio de Helio Eobano Hesso, 1553, Bl. Cr und Burkard/Kühlmann 2003, S. 88f.
  8. Den Lorbeer trug er sogar in seinem Wappen: Vgl. Camerarius, Narratio de Helio Eobano Hesso, 1553, Kapitel 31.
  9. Vgl. Krause 1879, Bd. I, S. 384f.
  10. Vgl. Krause 1879, Bd. I, S. 362–370.
  11. Für einen ersten Überblick dieses Zeitabschnitts vgl. Gindhart 2024, S. 12-14.
  12. MBW Nr. 350.
  13. MBW Nr. 348.
  14. MBW Nr. 347.
  15. Vgl. MBW Nr. 428.
  16. Vgl. MBW Nr. 429.
  17. Nach dem 2.12. und vor dem 20.12., vgl. www.aerztebriefe.de/id/00013024 und MBW Nr. 432.
  18. Hessus, Epistolae familiares, 1543, S. 38.
  19. Vgl. MBW Nr. 438.1
  20. Vgl. Krause 1879, Bd. II, S. 8f.
  21. Vgl. MBW Nr. 474 und MBW Nr. 457.
  22. Vgl. Krause 1879, Bd. II, S. 12.
  23. Vgl. MBW Nr. 494.5.

Seiten in der Kategorie „Briefwechsel-Helius Eobanus Hessus“

Folgende 187 Seiten sind in dieser Kategorie, von 187 insgesamt.

1