Camerarius an das Tübinger Kollegium, 11.06.1540

Aus Joachim Camerarius (1500-1574)
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Camerarius an das Tübinger Kollegium, 11.06.154011 Juni 1540 JL

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Werksigle OCEp 1530
Zitation Camerarius an das Tübinger Kollegium, 11.06.1540, bearbeitet von Jochen Schultheiß (09.01.2020), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OCEp_1530
Besitzende Institution
Signatur, Blatt/Seite
Ausreifungsgrad Druck
Erstdruck in Camerarius, Elementa rhetoricae, 1541
Blatt/Seitenzahl im Erstdruck Bl. A2r-A6v
Zweitdruck in Camerarius, Elementa rhetoricae, 1545
Blatt/Seitenzahl im Zweitdruck Bl. a2r-a6v
Sonstige Editionen Camerarius, Elementa rhetoricae, 1551, Bl. a2r-a7r; Camerarius, Elementa rhetoricae, 1562, Bl. A1r-A4r; Camerarius, Elementa rhetoricae, 1564, Bl. A1r-A4r
Wird erwähnt in
Fremdbrief? nein
Absender Joachim Camerarius I.
Empfänger Artistenfakultät (Tübingen)
Datum 1540/06/11
Datum gesichert? ja
Bemerkungen zum Datum Datierung des Briefes: III. Id. Iunii MDXL
Unscharfes Datum Beginn
Unscharfes Datum Ende
Sprache Latein
Entstehungsort Straßburg
Zielort Tübingen
Gedicht? nein
Incipit Cum tandem absolvissem
Link zur Handschrift
Regest vorhanden? ja
Paratext ? ja
Paratext zu Camerarius, Orationis Latinae exercitium rhetoricum, 1541
Kurzbeschreibung Camerarius beschreibt seine Rhetorica als eine "Kommentierung zu den Stilübungen für Jungen" (commentarii exercitiorum stili puerilis). Camerarius verteidigt die Bedeutung der Studien gegen ihre Geringschätzung. Ein aktives Eintreten für sie hält er für nötig. Camerarius polemisiert gegen Kollegen (wohl Scholastiker) und verteidigt den Nutzen der Rhetorik. Ziel der Bildung sei kein kleinteiliges, apartes Wissen, sondern "wahre Weisheit und Tugend" (vera sapientia & virtus) und "Erkenntnis" (intelligentia), "ehrenhafte Lebensweise" (vitae honestas atque decus), "lobenswertes Handeln" (actiones laudis) und "richtige Entscheidungen" (recta consilia). Die Erziehung soll die Kinder auf das private und das öffentliche Leben vorbereiten. Wiederholt verweist Camerarius auf honestas als zentrales Bildungsziel. Der Kerngegenstand des Unterrichts wird im Gebrauch und der Übung der Geisteskräfte und der Beredsamkeit ausgemacht.
Anlass
Register Widmungsbrief; Rhetorik; Bildungsdiskurs; Elementarunterricht; Philosophie; Sprache; Sprachphilosophie
Handschrift unbekannt
Bearbeitungsstand validiert
Notizen
Wiedervorlage ja
Bearbeiter Benutzer:JS
Gegengelesen von Benutzer:US
Datumsstempel 9.01.2020
Werksigle OCEp 1530
Zitation Camerarius an das Tübinger Kollegium, 11.06.1540, bearbeitet von Jochen Schultheiß (09.01.2020), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OCEp_1530
Ausreifungsgrad Druck
Erstdruck in Camerarius, Elementa rhetoricae, 1541
Blatt/Seitenzahl im Erstdruck Bl. A2r-A6v
Zweitdruck in Camerarius, Elementa rhetoricae, 1545
Blatt/Seitenzahl im Zweitdruck Bl. a2r-a6v
Sonstige Editionen Camerarius, Elementa rhetoricae, 1551, Bl. a2r-a7r; Camerarius, Elementa rhetoricae, 1562, Bl. A1r-A4r; Camerarius, Elementa rhetoricae, 1564, Bl. A1r-A4r
Fremdbrief? nein
Absender Joachim Camerarius I.
Empfänger Artistenfakultät (Tübingen)
Datum 1540/06/11
Datum gesichert? ja
Bemerkungen zum Datum Datierung des Briefes: III. Id. Iunii MDXL
Sprache Latein
Entstehungsort Straßburg
Zielort Tübingen
Gedicht? nein
Incipit Cum tandem absolvissem
Regest vorhanden? ja
Paratext ? ja
Paratext zu Camerarius, Orationis Latinae exercitium rhetoricum, 1541
Kurzbeschreibung Camerarius beschreibt seine Rhetorica als eine "Kommentierung zu den Stilübungen für Jungen" (commentarii exercitiorum stili puerilis). Camerarius verteidigt die Bedeutung der Studien gegen ihre Geringschätzung. Ein aktives Eintreten für sie hält er für nötig. Camerarius polemisiert gegen Kollegen (wohl Scholastiker) und verteidigt den Nutzen der Rhetorik. Ziel der Bildung sei kein kleinteiliges, apartes Wissen, sondern "wahre Weisheit und Tugend" (vera sapientia & virtus) und "Erkenntnis" (intelligentia), "ehrenhafte Lebensweise" (vitae honestas atque decus), "lobenswertes Handeln" (actiones laudis) und "richtige Entscheidungen" (recta consilia). Die Erziehung soll die Kinder auf das private und das öffentliche Leben vorbereiten. Wiederholt verweist Camerarius auf honestas als zentrales Bildungsziel. Der Kerngegenstand des Unterrichts wird im Gebrauch und der Übung der Geisteskräfte und der Beredsamkeit ausgemacht.
Register Widmungsbrief; Rhetorik; Bildungsdiskurs; Elementarunterricht; Philosophie; Sprache; Sprachphilosophie
Datumsstempel 9.01.2020


Regest

Camerarius beschreibt das Werk, das er nach Überwindung vieler Hindernisse zu einem Abschluss habe bringen können, als eine "Kommentierung zu den Stilübungen für Jungen" (commentarii exercitiorum stili puerilis, A2r). Camerarius halte es für angebracht, dieses Werk "Rhetorik" (Rhetorica) zu nennen und seinen Kollegen nun zu melden, dass es gedruckt sei. Der Beruf des Gelehrten in den Künsten sei doch die schönste Beschäftigung, die es gebe (A2r/v). Hierüber und über die hohe Würde der Studien habe er neulich vor einer Zusammenkunft von Schülern (in coetu discipulorum) ausführlich referiert. Camerarius verteidigt die Bedeutung der Künste gegenüber ihrer Geringschätzung durch diejenigen, die Reichtum und Macht für bedeutsamer hielten. Ein aktives Eintreten für die Bildung gegen die Ignoranz hält Camerarius für nötig (A2v-A3v). Hierbei ruft er zum Zusammenhalt unter den Gelehrten auf.
Camerarius wendet sich in diesem Zusammenhang auch polemisch gegen bestimmte docti, die den studia humanitatis (A3v) gegenüber missgünstig eingestellt seien. Sie verschmähten die Studien, die sich auf die antiken Autoren beriefen, und trennten diese von der Philosophie ab. Camerarius wehrt sich jedoch gegen einen solchen Ausschluss (A3r-A4v, s. Anm. 2). Camerarius verteidigt hierbei die Rhetorik: Weisheit umfasse nicht nur das geistige Erfassen, sondern auch die sprachliche Vermittlung. Nichts könne mit Verstand erfasst werden, was nicht auch durch Sprache an andere weitergegeben werden könne. Entlegene Gedanken, die in einer abstoßenden sprachlichen Form vorgebracht seien, verdienten es nicht in höherem Maße, Philosophie genannt zu werden, als eine bedeutungsvolle Sentenz, die in angemessener Sprache formuliert sei. So könnten sich auch in dichterischen Texten philosophische Gedanken formuliert finden, wozu Camerarius Beispiele zitiert und speziell auf Homer verweist (A4r/v). Was seine Gegner jedoch bewunderten, könne weder verstanden noch erklärt werden und habe weder für das private noch für das öffentliche Leben irgendeinen Nutzen (A4v).
Den Sprachstil seiner Widersacher weist Camerarius unter Rückgriff auf zahlreiche Vergleiche ab (A4v-A5r) und stellt dem das eigene Bildungskonzept entgegen (A5r/v). Er wolle die Begabungen der Kinder nicht auf Unnützes lenken. Stattdessen solle ihr Blick auf die "wahre Weisheit und Tugend" (vera sapientia & virtus) und die "Erkenntnis" (intelligentia) ausgerichtet werden. Die Schüler sollen auf eine "ehrenhafte Lebensweise" (vitae honestas atque decus), "lobenswertes Handeln" (actiones laudis) und "richtige Entscheidungsfindungen" (recta consilia) vorbereitet werden (A5v). Hieraus sollen auch solche Personen hervorgehen, die entweder selbst herrschen oder den Herrschenden zu Seite stehen können. Selbst wenn der Erfolg der Erziehung nicht den Bemühungen entsprechen sollte, sei schon der Versuch höchst ehrenwert gewesen.
Camerarius fordert seine Adressaten zur gemeinschaftlichen Bemühung um die Schulbildung auf, damit die Schulen erfolgreich geführt würden und sie Zöglinge hervorbrächten, die leitende Funktionen im Staatswesen einnehmen könnten (alumni ad rempublicam gerendam idonei) (A5v-A6r). Dieses Vorhaben könne ihnen niemand mit Berechtigung zum Vorwurf machen. Wiederholt weist Camerarius auf honestas als zentrales Bildungsziel hin (A6r). Abschließend (A6v) fasst Camerarius zusammen: Hiermit lägen nun seine grundsätzlichen Gedanken zur Erziehung der Jugendlichen vor. Diese Erziehung ziele auf den Gebrauch und die Übung (in usu & exercitatione) sowohl der Geisteskräfte (intelligentia) als auch der Beredsamkeit (eloquentia) ab. Diese beiden seien untrennbar miteinander verbunden. Camerarius schließt mit der Bitte an seine Kollegen, sie möchten seiner Vorgabe folgen und sie angepasst an die jeweiligen Umstände und die Auffassungsgabe der Schüler umsetzen.

(Jochen Schultheiß)

Anmerkungen

  • Anm. 1: Der Entstehungsort ist aus dem am Vortag entstandenen Brief Camerarius an Stiebar, 10.06.1540 (OCEp 1019) erschlossen (freundlicher Hinweis von Torsten Woitkowitz), der Zielort ist aus dem Kontext und dem Adressatenkreis.
  • Anm. 2: Hiermit spielt Camerarius wohl auf den Konflikt zwischen Humanisten und Scholastikern an.