Theologie (CamLex)

Aus Joachim Camerarius (1500-1574)
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Zitation Vinzenz Gottlieb, Art. "Theologie (CamLex)", in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/Theologie_(CamLex) (07.12.2023).
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Zitation Vinzenz Gottlieb, Art. "Theologie (CamLex)", in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/Theologie_(CamLex) (07.12.2023).

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Forschungsstand

Die Rolle des Camerarius in der Theologie ist bisher nur in Einzelaspekten erforscht. Wenn er in kirchengeschichtlichen Abhandlungen erscheint, dann meist als Autor der Melanchthon-Biographie. In neuerer Forschung findet man ihn zunehmend auch als Adressat von Melanchthon-Briefen.[1] Die Schwierigkeit liegt zum einen darin, dass wesentlich mehr Briefe von Melanchthon an Camerarius erhalten sind als umgekehrt: Ca. 600 gegen 69. Daher wird Melanchthons Position zu behandelten Themen deutlicher als die des Camerarius. Zum anderen ist der Charakter der Humanistenbriefe nur sehr bedingt geeignet, theologische Positionen zu erkennen, da Camerarius heikle Stellen oft überarbeitete.[2] Dies betrifft vor allem die Druckversionen; die handschriftlichen Briefe sind zwar aussagekräftiger, aber auch dort wird viel mit Anspielungen und Gräzisierungen gearbeitet, was das Verständnis erschwert.

Eine Gesamtdarstellung seiner theologischen Werke ist ein Desiderat. Geschuldet ist dies sicher auch der Tatsache, dass die Gesamtschau seiner Werke erst durch Baron/Shaw 1978 annähernd vollständig erfasst wurde. Eine der gründlichsten Untersuchungen zu ihm, Stählin 1936,[3] beklagt die zu schmale Basis der Untersuchung. Dadurch könnte man darauf schließen, dass C. zuviel geschrieben habe, um ihn bewerten zu können. Aber diese Argumentation ist nicht überzeugend, schließlich wurden auch Luthers und Melanchthons religiöse Positionen immer wieder untersucht. Eher scheint es daran zu liegen, dass C.‘ Wirken in der Kirchengeschichte lange Zeit nur durch die Folie Melanchthons betrachtet wurde. Erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts ist man wieder darauf aufmerksam geworden, dass er insbesondere in der sächsischen Kirchenpolitik ein eigenständiger Akteur war.[4] Durch Akten des Sächsischen Hauptstaatsarchivs Dresden[5] kann allmählich ein differenzierteres Bild gewonnen werden, als es seine eigenen Werke bieten: Sicher ist es seinem irenischen Stil und seinem Bemühen um Einbeziehung der Mitmenschen geschuldet, dass seine eigenen Leistungen weniger stark hervortreten als die von manchen Zeitgenossen.[6] Und es war ihm gar nicht genehm, im Mittelpunkt zu stehen und an theologischen Konferenzen zu partizipieren.[7] So ist der einzige Reichstag, an dem er in offizieller Funktion teilnimmt (und daher in den Akten auftaucht, als Gesandter der Stadt Nürnberg), der Augsburger von 1530.[8]

Im Bereich der Kontroverstheologie hielt er sich bedeckt; lediglich die Werke Querela Lutheri und Onar Hypar treten hier hervor, wenngleich anonym publiziert.[9] Ein anderer Grund ist darin zu sehen, dass er kein eigentlicher Theologe war, sondern sich als Philologen betrachtete. In seinen Werken sind aber Ansätze von fächerverbindender Pädagogik zu erkennen, wobei in humanistischer Manier Philologie, Erziehung und Theologie Hand in Hand gehen.[10] Von seinen theologischen Schriften sind einzelne bereits untersucht worden, insbesondere Katechismus-Schriften und Gebetssammlungen: Walter 2017: Capita pietatis (OC 0544); Schultheiß 2024: Catechesis (OC 0579), Disputatio de precibus (OC 0646) sowie Gebete allgemein; Walter 2024, Weng 2003: Paraphrase von Psalm 133 (OC 0441); Mundt 2004 und Schäfer 2003: das „Reformationseklogenpaar“ Dirae seu Lupus (OC 0376) und Querela sive Agelaus (OC 0377), die Querela Lutheri; Seckt 1888: Capita pietatis, Libellus de invocatione sanctorum (OC 0459), Catechesis, Historia Iesu Christi (OC 0762); Kunkler 1998, S. 232-278: Historia Iesu Christi, Capita pietatis.

Dieser Lexikonartikel ist bestrebt, bisherige Forschungserkenntnisse zu bündeln und durch tiefergehende eigene Forschungen zu ergänzen. Ein Teil davon hat bereits Eingang gefunden in die Einführung von Gindhart 2024, wo sich die S. 18-30 intensiv mit theologischer und reformationsgeschichtlicher Thematik auseinandersetzen.

Die theologische Position des Camerarius

In einem Gutachten vom 15.2.1559 nimmt Camerarius im Auftrag von Kurfürst August Stellung zum Weimarer Konfutationsbuch 1559, an dessen Aufbau in neun Kapitel er sich orientiert. Eine Edition seiner Schrift befindet sich auf der Werkseite. Er bekennt sich unter anderem zur Gewissensfreiheit und zur Trinität, nimmt Stellung zur Abendmahlsfrage sowie zur Rechtfertigungslehre und verteidigt adiaphoristische Positionen, die er seit 1545 zusammen mit Georg III. (Anhalt-Plötzkau) und Philipp Melanchthon vertreten habe.[11] Anklänge der vier protestantischen Prinzipien sola scriptura, sola gratio, sola fide, solus Christus finden sich ebenso.

Deutlich verworfen werden u.a. die Lehren Servets und Schwenckfelds, der Antinomismus sowie weitere Lehrmeinungen. Die Lehren von Osiander und Stancari teilt C. zwar nicht, verwirft sie aber auch nicht.[12] Er nimmt aber Stellung gegen das Papsttum. Starke Kritik übt er an Matthias Flacius Illyricus und Nikolaus Gallus.

Kirchengeschichtlich relevante Taten und Bedeutung

Die frühen Jahre bis 1526

1526 bis 1541

Die Leipziger Zeit (1541-1560)

Das Jahr 1541 bildet eine Zäsur nicht nur im Leben des Camerarius, sondern auch Sachsens: Der neue albertinische Herzog Moritz (Sachsen) sollte das Machtgefüge im Territorium, unter den protestantischen Reichsständen und im gesamten Reich erheblich durcheinanderwirbeln. Es gibt eine ganze Reihe von Ereignissen, die dabei eine Rolle spielen: Die Einführung der Reformation durch Hz. Heinrich (Sachsen) im albertinischen Herzogtum 1539, der Schmalkaldische Krieg 1546/47, der „geharnischte Reichstag“ 1547/48, die Belagerung Magdeburgs 1550/51 oder der Fürstenaufstand 1552. Ein Ereignis wie die Berufung des Camerarius an die Universität (Leipzig) nimmt sich dagegen eher unbedeutend aus. Für das Ergehen der Institution hatte sie aber Konsequenzen, die keineswegs gering zu achten sind.[13] Seine Rolle in der Universitätspolitik wird von der bisherigen Forschung als sehr bedeutend angesehen,[14] während die Reformationsgeschichtsforschung ihm nur eine kleine Nebenrolle zubilligt – zumeist an der Seite Melanchthons. Wir werden hier zeigen, was seine Leistungen in der Theologie waren; die Einordnung und Bewertung sei Berufeneren überlassen.

Seine Wirkenszeit in Leipzig wollen wir in vier Phasen einteilen: 1541 bis 1546, 1547 bis 1553, 1553 bis 1560 und 1560 bis 1574. Diese Phasen sind überwiegend politisch motiviert: In den ersten Regierungsjahren[15] wurde Herzog Moritz von seinen Amtskollegen noch nicht ernstgenommen.[16] Seine Rolle in der Politik, aber auch in der Theologie blieb daher zunächst eine untergeordnete. 1547 erfolgte seine Erhebung zum Kurfürsten und die Eingliederung der Kurlande um Wittenberg ins albertinische Herrschaftsgebiet. Dadurch und auch durch den Tod Luthers 1546 wurde das „neue“ Kurfürstentum damit zu einem der wichtigsten Zentren der Reformation, da so bedeutende Theologen wie Melanchthon und Johannes Bugenhagen nun in diesem Land wirkten. Moritzens Tod im Jahr 1553 bildet die nächste Zäsur, da sein Bruder August (Sachsen) vorsichtiger agierte und weniger Eigeninitiative zeigte.[17] Viele unter Moritz begonnene Vorhaben endeten damit abrupt. Nur wenige Monate später verstarb Georg von Anhalt, der sich zu einem der führenden Theologen des Kurfürstentums gemausert und gerade in der Religionspolitik großen Einfluss erworben hatte. Er prägte als "Bischof" von Merseburg die Ausgestaltung der albertinisch-sächsischen Kirchenordnungen in bedeutendem Maße, wirkte an der Ausarbeitung zur Leipziger Landtagsvorlage 1548 mit (dem sog. Leipziger Interim), des weiteren an der Confessio Saxonica 1551, und nahm an mehreren Religionsgesprächen teil.[18] Das Jahr 1560 bringt den Tod Melanchthons. Diesem kommt in der Rückschau eine größere theologische Bedeutung zu als seinem Leipziger Kollegen. Wir können aber oft nicht ermessen, wieviel „Camerarius“ in jedem Werk steckt, auf dem „Melanchthon“ draufsteht. Mit dessen Tod war Camerarius der letzte Überlebende der ersten Reformatorengeneration, wenn man ihn dazu zählen will. Ob Camerarius nun den Drang spürte, das Erbe Melanchthons weiterzuführen, oder aus anderen Gründen: Jedenfalls verfasste er in den nächsten 14 Jahren mehr theologische Werke als zuvor. Den nächsten Einschnitt bildet nicht nur sein Tod 1574, sondern im gleichen Jahr die religionspolitische Wende Augusts, der viele „Philippisten“ wegen des Verdachts auf Kryptocalvinismus aus ihren Ämtern entfernte; Georg Cracow und Caspar Peucer wurden sogar eingekerkert. Auch Camerarius-Schüler wie Gregor Bersman,[19] Ernst Vögelin und Andreas Freyhub konnten sich nicht mehr lange halten.[20]

1541 bis 1546

1547 bis 1553

1553 bis 1560

1560 bis 1574

Schulvisitationen

Camerarius und bedeutende Theologen

Theologische Schriften des Camerarius

Kirchengeschichtsschreibung

Bibelexegese

Gebete und Frömmigkeit

Polemisches

Anmerkungen

  1. Diese Tatsache verdankt sich vor allem der unermüdlichen Arbeit der/Melanchthonforschungsstelle Heidelberg. Der Briefwechsel mit Melanchthon (über 600 Briefe) ist mit Abstand der umfangreichste des Camerarius: Vgl. Mundhenk 2020, S. 686.
  2. Zu Redaktionen im Humanistenbrief vgl. Schlegelmilch 2017, S. 279-281.
  3. Stählin begnügt sich damit, „den Gehalt der biographischen Schriften an religiösen Anschauungen und Empfindungen herauszuarbeiten“ (a.a.O. S. 52). Dies erfolgt auf S. 52-61.
  4. Deutlich wird dies zunächst bei Stählin, Wendorf 1957, Wartenberg 1988, Hasse 2000. Einen knappen, aber guten Überblick über Literatur zu Camerarius bietet Woitkowitz 2003, S. 19-27.
  5. Sehr gründlichen Gebrauch dieser Akten hat Günther Wartenberg gemacht, der die Erkenntnisse in zahlreichen Artikeln niedergeschrieben hat. Eine explizite Camerarius-Abhandlung konnte Wartenberg abgesehen von Wartenberg 2003 vor seinem Tod nicht mehr verfassen.
  6. In der Vita Melanchthonis verschweigt er gelegentlich seine eigene Teilhabe an wichtigen Ereignissen, obwohl diese angesprochen werden: z.B. die Mitschrift der Confutatio zur Augsburgischen Konfession: Vgl. Werner 2010, §41, S. 117 (mit Anm. 121).
  7. So beschwert er sich z.B. in OCEp 0313: Bei den Berufungsverhandlungen für die Universität (Leipzig) hatte er sich ausgebeten, keine Verpflichtungen außerhalb der Lehre auferlegt zu bekommen: Vgl. auch Gindhart 2024, S. 16-18.
  8. Vgl. Aulinger/Schweinzer 2011, S. 83 etc. Zu C.‘ Mitschrift der Confutatio zur Confessio Augustana vgl. Peters 2014a, S. 226-236. Bei mehreren Reichstagen war Camerarius aber als Besucher anwesend und nutzte diese Treffen zum „Networking“. Es steht zu vermuten, dass er dabei auch seinen Freund Melanchthon beraten hat; wegen des inoffiziellen Charakters solcher Ereignisse ist aber die Wirkung seiner Tätigkeit schwer nachzuweisen.
  9. Vgl. Schäfer 2003 und Mundt 2001 sowie Kunkler 1998, S. 269-278. Die Datenbank Controversia et Confessio ergibt heute (7.12.2023) zur Suchanfrage „Camerarius“ 8 Treffer, darunter als einziges seiner Werke die Querela Lutheri.
  10. Vgl. Gindhart 2024, S. 17 sowie Schultheiß 2017, S. 204-206
  11. Das bezieht sich auf die Leipziger Bartholomäuskonferenz, an der Camerarius teilgenommen hatte: Vgl. [[Forschungsliteratur::Wartenberg 1988, S. 207-209.
  12. Hierbei verweist er auf die Schrift Philipp Melanchthons aus Nürnberg von 1555: Vgl. MBW Regesten, Nr. 7591.
  13. Vgl. Wartenberg 2003, S. 17-19.
  14. Vgl. Rudersdorf 2009, S. 357-365 und Rudersdorf 2015.
  15. Die Jahre 1541 bis 1546 sieht auch Wartenberg 1988, S. 19 als Einheit.
  16. Vgl. Herrmann 2013, S. ###.
  17. Vgl. Herrmann 2013, S. ###.
  18. Vgl. zu Georg vor allem die Biographie, die Camerarius über Georg verfasst hat, den Briefwechsel mit Camerarius sowie Wartenberg 1988 und Gabriel 1997 passim.
  19. Vgl. Zinck 1908, S. 118,
  20. Vgl. Hasse 2000, S. 140-148 und 229-232.