Camerarius an Crato, 20.11.1567: Unterschied zwischen den Versionen
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|Kurzbeschreibung=Camerarius legt zunächst die Umstände der Werkentstehung dar. Zunächst habe er nicht beabsichtigt, zu der Edition des griechischen Textes auch eine Übersetzung zu erstellen. Er habe die Sprache des Werkes als zu wenig elegant, zu ungelenk und unharmonisch empfunden. Camerarius legt die Maximen dar, die er bei der Übersetzung verfolgt habe, berichtet aber auch von den Schwierigkeiten, die diese ihm bereitet habe. Camerarius habe keine paraphrastische Wiedergabe erstellen wollen, bei der der Sinn zum Ausdruck gebracht werde, die Übersetzung sich jedoch vom Ausgangstext weit entfernen könne. Vielmehr habe er ein metaphrastische Wiedergabe erstellt, bei der möglichst viele sprachliche Elemente der Vorlage beibehalten blieben. Daraufhin reflektiert Camerarius über den Inhalt des Werkes und legt seinen Wert für die religiöse und die moralische Erziehung dar. | |Kurzbeschreibung=Camerarius legt zunächst die Umstände der Werkentstehung dar. Zunächst habe er nicht beabsichtigt, zu der Edition des griechischen Textes auch eine Übersetzung zu erstellen. Er habe die Sprache des Werkes als zu wenig elegant, zu ungelenk und unharmonisch empfunden. Camerarius legt die Maximen dar, die er bei der Übersetzung verfolgt habe, berichtet aber auch von den Schwierigkeiten, die diese ihm bereitet habe. Camerarius habe keine paraphrastische Wiedergabe erstellen wollen, bei der der Sinn zum Ausdruck gebracht werde, die Übersetzung sich jedoch vom Ausgangstext weit entfernen könne. Vielmehr habe er ein metaphrastische Wiedergabe erstellt, bei der möglichst viele sprachliche Elemente der Vorlage beibehalten blieben. Daraufhin reflektiert Camerarius über den Inhalt des Werkes und legt seinen Wert für die religiöse und die moralische Erziehung dar. Camerarius prangert eine allgemeine Publikationsflut an, die er auf das Geltungsbedürfnis der Autoren zurückführt. Er selbst bekenne sich zwar auch zu seiner Schreibwut, wolle aber andere davor warnen, dass man sich durch übereiltes Schreiben auch Schaden zufügen könne. Dies gelte mehr für ernsthafte Gattungen. Aus unterhaltsamen Werken könne kaum ein Nachteil erwachsen, solange sie nicht ins Obszöne reichen. | ||
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Camerarius beginnt mit Freundschaftsbekundungen gegenüber Crato und leitet hiervon zum Anlass des Briefes über. Die Aufforderung (''postulatio'') Cratos habe Camerarius zur Ausarbeitung des nun vorliegenden Werkes bewogen (A2v). Ein solches Werk habe Camerarius zuvor nicht der Allgemeinheit zur Lektüre vorlegen wollen. Zu jener Zeit habe er nämlich nicht beabsichtigt, zu dem [[Erwähntes Werk::Camerarius, Σοφία ἡ πανάρετος Ἰησοῦ υἱοῦ Σειράχ, 1551|griechischen Werk]], das er herausgegeben habe, eine Übersetzung zu erstellen. Der Grund hierfür seien neben anderen Gründen insbesondere der gewesen, dass Camerarius vor der sprachlichen Form des Werkes zurückschauderte. Hierin sei nichts, was an den Charakter und an die Eleganz der griechischen Sprache erinnere. Camerarius habe auch der Wille dazu gefehlt, seine Aufmerksamkeit einer fremden Sprechweise (''externa & aliena locutio'') zuzuwenden (A2v-A3r). Dies sei insbesondere der Fall gewesen, als er bemerkt habe, dass diese durch wundersame Windungen von der einfachen Gestalt abweiche und durch vielfältige Figuren wie ein buntes Kleid in außergewöhnlicher Abwechslung verziert sei. Anstoß habe bei Camerarius ebenso der unharmonische Stil (''dissentanea elocutio'') erregt, da die die Wörter weniger passend zusammengestellt seien (''verbis minus apte compositis''). Abgesehen von den Vorbehalten gegenüber dem unschönen Stil habe er teils auch deshalb von dem Text abgelassen, weil er manche Sentenzen nicht passend übersetzen konnte. Er habe auch die Mühe gescheut, andere zu fragen, wobei in den meisten Fällen nicht die Klugheit eines Erklärers gefragt gewesen sei, sondern eher der Scharfsinn eines Textkritikers (''coniector''). Der schlechte Zustand des Werkes werde bereits durch den Hinweis des [[Erwähnte Person::Hieronymus (Kirchenvater)|Hieronymus]] und aus verschiedenen Ausgaben, die überliefert sind, deutlich (A3r/v). All dies habe dazu beigetragen, dass Camerarius vor Cratos Bitte zurückschreckt habe. Ebenso habe ihn die Befürchtung über den Ausgang eines solchen Versuchs zurückhaltend gemacht. Nach dem Tod des [[Erwähnte Person::Quirinus Schlaher]], der ein enger Freund Cratos gewesen sei, haben Camerarius' Arbeiten (an der Übersetzung) nachgelassen. Crato habe geschrieben, dass Schlaher mit großem Bedürfnis nach einer getreueren Übersetzung verlange, als sie die gängige Version (''vulgata''; Anm. 1) biete. Camerarius' Arbeiten, die durch die Häufigkeit der Briefe von Crato wieder angetrieben worden seien, seien schließlich vorangeschritten und hätten das Vorhaben zu einem Ende gebracht. <br> | Camerarius beginnt mit Freundschaftsbekundungen gegenüber Crato und leitet hiervon zum Anlass des Briefes über. Die Aufforderung (''postulatio'') Cratos habe Camerarius zur Ausarbeitung des nun vorliegenden Werkes bewogen (A2v). Ein solches Werk habe Camerarius zuvor nicht der Allgemeinheit zur Lektüre vorlegen wollen. Zu jener Zeit habe er nämlich nicht beabsichtigt, zu dem [[Erwähntes Werk::Camerarius, Σοφία ἡ πανάρετος Ἰησοῦ υἱοῦ Σειράχ, 1551|griechischen Werk]], das er herausgegeben habe, eine Übersetzung zu erstellen. Der Grund hierfür seien neben anderen Gründen insbesondere der gewesen, dass Camerarius vor der sprachlichen Form des Werkes zurückschauderte. Hierin sei nichts, was an den Charakter und an die Eleganz der griechischen Sprache erinnere. Camerarius habe auch der Wille dazu gefehlt, seine Aufmerksamkeit einer fremden Sprechweise (''externa & aliena locutio'') zuzuwenden (A2v-A3r). Dies sei insbesondere der Fall gewesen, als er bemerkt habe, dass diese durch wundersame Windungen von der einfachen Gestalt abweiche und durch vielfältige Figuren wie ein buntes Kleid in außergewöhnlicher Abwechslung verziert sei. Anstoß habe bei Camerarius ebenso der unharmonische Stil (''dissentanea elocutio'') erregt, da die die Wörter weniger passend zusammengestellt seien (''verbis minus apte compositis''). Abgesehen von den Vorbehalten gegenüber dem unschönen Stil habe er teils auch deshalb von dem Text abgelassen, weil er manche Sentenzen nicht passend übersetzen konnte. Er habe auch die Mühe gescheut, andere zu fragen, wobei in den meisten Fällen nicht die Klugheit eines Erklärers gefragt gewesen sei, sondern eher der Scharfsinn eines Textkritikers (''coniector''). Der schlechte Zustand des Werkes werde bereits durch den Hinweis des [[Erwähnte Person::Hieronymus (Kirchenvater)|Hieronymus]] und aus verschiedenen Ausgaben, die überliefert sind, deutlich (A3r/v). All dies habe dazu beigetragen, dass Camerarius vor Cratos Bitte zurückschreckt habe. Ebenso habe ihn die Befürchtung über den Ausgang eines solchen Versuchs zurückhaltend gemacht. Nach dem Tod des [[Erwähnte Person::Quirinus Schlaher]], der ein enger Freund Cratos gewesen sei, haben Camerarius' Arbeiten (an der Übersetzung) nachgelassen. Crato habe geschrieben, dass Schlaher mit großem Bedürfnis nach einer getreueren Übersetzung verlange, als sie die gängige Version (''vulgata''; Anm. 1) biete. Camerarius' Arbeiten, die durch die Häufigkeit der Briefe von Crato wieder angetrieben worden seien, seien schließlich vorangeschritten und hätten das Vorhaben zu einem Ende gebracht. <br> | ||
Camerarius habe versucht, einiges so zu übersetzen, dass "gewissermaßen das Antlitz der lateinischen Sprache zum Vorschein käme" (''ut Latini sermonis quasi facies appareret''). Aber in den meisten Fällen habe dies nicht geschehen können, damit er nicht durch die Abschwächung der Rauheit und der Disharmonie der fremden und misstönenden Sprache in den noch größeren Nachteil verfällt, den die Verdunklung oder Entstellung einer herausragenden und einzigartigen Sentenz bringt (A4r). Camerarius wolle jedoch nicht paraphrastisch übersetzen (παραφραστικῶς) übersetzen. Dies würde bedeuten, dass er die Aussage des Autors nach eigenem Gutdünken und in der Form, die ihm gefalle, wiedergeben würde (''exponendo sententiam autoris iudicio meo & ea orationis forma, quae mihi arrideret''). Vielmehr wolle er metaphrastisch (μεταφραστικῶς) übersetzen. Das bedeute nicht nur die Verdeutlichung, Übersetzung und Wiedergabe des Sinns, sondern auch der Wörter und, soweit möglich, ihrer Anordnung (''non solum sententiae sed verborum quoque, & quoad fieri potest, compositionis explicatio & interpretatio & expressio''). Notwendig hingegen sei beim Übersetzen von einer Sprache in eine andere zwar die Änderung der Formen, die das Tempus anzeigen, des Numerus des Genus, des Genus verbi und von Vergleichbarem. Hierbei sei Camerarius jedoch maßvoll, ja sogar sparsam geblieben. <br> | Camerarius habe versucht, einiges so zu übersetzen, dass "gewissermaßen das Antlitz der lateinischen Sprache zum Vorschein käme" (''ut Latini sermonis quasi facies appareret''). Aber in den meisten Fällen habe dies nicht geschehen können, damit er nicht durch die Abschwächung der Rauheit und der Disharmonie der fremden und misstönenden Sprache in den noch größeren Nachteil verfällt, den die Verdunklung oder Entstellung einer herausragenden und einzigartigen Sentenz bringt (A4r). Camerarius wolle jedoch nicht paraphrastisch übersetzen (παραφραστικῶς) übersetzen. Dies würde bedeuten, dass er die Aussage des Autors nach eigenem Gutdünken und in der Form, die ihm gefalle, wiedergeben würde (''exponendo sententiam autoris iudicio meo & ea orationis forma, quae mihi arrideret''). Vielmehr wolle er metaphrastisch (μεταφραστικῶς) übersetzen. Das bedeute nicht nur die Verdeutlichung, Übersetzung und Wiedergabe des Sinns, sondern auch der Wörter und, soweit möglich, ihrer Anordnung (''non solum sententiae sed verborum quoque, & quoad fieri potest, compositionis explicatio & interpretatio & expressio''). Notwendig hingegen sei beim Übersetzen von einer Sprache in eine andere zwar die Änderung der Formen, die das Tempus anzeigen, des Numerus des Genus, des Genus verbi und von Vergleichbarem. Hierbei sei Camerarius jedoch maßvoll, ja sogar sparsam geblieben. <br> | ||
Jetzt habe Crato vorliegen, wonach er verlangt habe. Das Urteil darüber sei nun ihm belassen (A4v). In dem Werk fänden sich Ermahnungen, Aufforderungen, Lehren, auch Erörterungen gesammelt, die heilsam und aus verschiedenen Stellen der Heiligen Schrift gesammelt und getrennt dargelegt seien. Diejenigen, die diese läsen, ihnen ihre Aufmerksamkeit schenkten und ihnen folgten, würden dazu angespornt, ihre Frömmigkeit und Religiosität zu pflegen, und dazu angeleitet, in allen Bereichen des Lebens ihre Pflicht zu erfüllen. Über diese Inhalte würden zwar von Tag zu Tag mehr Worte geschwungen, in Handlungen kämen sie jedoch kaum zum Ausdruck. Bei all den Gefechten der Intellektuellen, übe man sich nicht mehr privat noch öffentlich in lobenswerten Taten für Gott und die Öffentlichkeit (A4v-A5r). Sehr viele schienen zu fürchten, ihre Weisheit bleibe unerkannt und würde mit ihnen zugrunde gehen. Jeder würde von einem anderen Grund dazu bewogen, etwas von seinen Schriften herauszugeben (A5r). Deshalb bringe das gegenwärtige Zeitalter äußerst zahlreiche neue Bücher hervor. Hierunter | Jetzt habe Crato vorliegen, wonach er verlangt habe. Das Urteil darüber sei nun ihm belassen (A4v). In dem Werk fänden sich Ermahnungen, Aufforderungen, Lehren, auch Erörterungen gesammelt, die heilsam und aus verschiedenen Stellen der Heiligen Schrift gesammelt und getrennt dargelegt seien. Diejenigen, die diese läsen, ihnen ihre Aufmerksamkeit schenkten und ihnen folgten, würden dazu angespornt, ihre Frömmigkeit und Religiosität zu pflegen, und dazu angeleitet, in allen Bereichen des Lebens ihre Pflicht zu erfüllen. Über diese Inhalte würden zwar von Tag zu Tag mehr Worte geschwungen, in Handlungen kämen sie jedoch kaum zum Ausdruck. Bei all den Gefechten der Intellektuellen, übe man sich nicht mehr privat noch öffentlich in lobenswerten Taten für Gott und die Öffentlichkeit (A4v-A5r). Sehr viele schienen zu fürchten, ihre Weisheit bleibe unerkannt und würde mit ihnen zugrunde gehen. Jeder würde von einem anderen Grund dazu bewogen, etwas von seinen Schriften herauszugeben (A5r). Deshalb bringe das gegenwärtige Zeitalter äußerst zahlreiche neue Bücher hervor. Hierunter seien auch die Arbeiten des Camerarius zu zählen, die erscheinen seien oder unter dem verschmähten Papier verborgen blieben. Er wolle sich selbst gar nicht aus der Zahl jener ausnehmen, die nicht Ruhe geben und sich zurückhalten könnten. Auch er wolle, dass auf Büchern sein Name gelesen werde. Auch zu den Schreibwütigen lasse er sich gerne zählen. Wer sich auf diesem Gebiet beweisen wolle, solle sich aber in Acht nehmen, dass er sich nicht durch eine schlechte Publikation Schaden zuziehe (A5r/v). Dies gelte für ernsthafte Schriften, aus unterhaltsamen (''in ludicris'') könne kaum Schaden erwachsen, solange sie nicht obszön (''obscoena'') oder übertrieben scherzhaft (''scurrilia'') sind. <br> | ||
Das gegenwärtige Zeitalter falle | Das gegenwärtige Zeitalter falle in eine Phase äußerster Zersplitterung (A6r). Da müsse jeder zuschauen, dass er nichts tue, was gegen sein Gewissen verstoßen könnte. Dass Gott uns in der Unschuld bewahren möge, darum bete Camerarius zum dreieinigen Gott (A6r/v). Dessen Lob solle Camerarius' gesamte Arbeit dienen. Er empfiehlt dem Adressaten ein Buch, das den Titel "Weisheit des Salomon" trage und dessen Autor Philon (Anm. 2) sein solle. Auch Gieses gelte als würdig, in der Kirche gelesen zu werden. Auch der Jugend sei dieses Werk anempfohlen. Camerarius habe sich einst an eine oberfächlichere Lektüre (''expeditiorem'')gemacht. Er wisse allerdings, was bisher einer Edition entgegengestanden habe. Wenn Crato es richtig scheine, dass sich Camerarius nun hiermit beschäftige, dann wolle Camerarius seine Mühe auch auf eine Edition dieser Schrift für einen besseren allgemeinen Gebrauch verwenden. Diese Schriften sollen etwas später Cratos Sohn [[Erwähnte Person::Johann Baptist Crato von Krafftheim|Johann Baptist]] vorgelegt werden, damit sie von diesem ganz gelesen werden könnten. Aus diesen könne er schon bald Abschnitte gegeben werden, die er in seinem kindlichen Alter zu seiner religiösen Bildung auswendig lernen könne. | ||
(Jochen Schultheiß) | (Jochen Schultheiß) | ||
Version vom 30. Mai 2019, 15:27 Uhr
| Briefe mit demselben Datum | ||||||||||||||||||||||
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| Werksigle | OCEp |
|---|---|
| Zitation | Camerarius an Crato, 20.11.1567, bearbeitet von Jochen Schultheiß (30.05.2019), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OCEp |
| Besitzende Institution | |
| Signatur, Blatt/Seite | |
| Ausreifungsgrad | Druck |
| Erstdruck in | Camerarius, Sapientia Jesu filii Sirachi, 1568 |
| Blatt/Seitenzahl im Erstdruck | Bl. A 2r-A 7r |
| Zweitdruck in | |
| Blatt/Seitenzahl im Zweitdruck | |
| Sonstige Editionen | |
| Wird erwähnt in | |
| Fremdbrief? | nein |
| Absender | Joachim Camerarius I. |
| Empfänger | Johannes Crato |
| Datum | 1567/11/20 |
| Datum gesichert? | ja |
| Bemerkungen zum Datum | Datierung des Briefes: XX. die M. Novembris, Anno Christi Iesu, MDLXVII |
| Unscharfes Datum Beginn | |
| Unscharfes Datum Ende | |
| Sprache | Latein |
| Entstehungsort | Leipzig |
| Zielort | o.O. |
| Gedicht? | nein |
| Incipit | Cum te cognoverim paratum esse |
| Link zur Handschrift | |
| Regest vorhanden? | ja |
| Paratext ? | ja |
| Paratext zu | Camerarius, Sapientia Jesu filii Sirachi, 1568 |
| Kurzbeschreibung | Camerarius legt zunächst die Umstände der Werkentstehung dar. Zunächst habe er nicht beabsichtigt, zu der Edition des griechischen Textes auch eine Übersetzung zu erstellen. Er habe die Sprache des Werkes als zu wenig elegant, zu ungelenk und unharmonisch empfunden. Camerarius legt die Maximen dar, die er bei der Übersetzung verfolgt habe, berichtet aber auch von den Schwierigkeiten, die diese ihm bereitet habe. Camerarius habe keine paraphrastische Wiedergabe erstellen wollen, bei der der Sinn zum Ausdruck gebracht werde, die Übersetzung sich jedoch vom Ausgangstext weit entfernen könne. Vielmehr habe er ein metaphrastische Wiedergabe erstellt, bei der möglichst viele sprachliche Elemente der Vorlage beibehalten blieben. Daraufhin reflektiert Camerarius über den Inhalt des Werkes und legt seinen Wert für die religiöse und die moralische Erziehung dar. Camerarius prangert eine allgemeine Publikationsflut an, die er auf das Geltungsbedürfnis der Autoren zurückführt. Er selbst bekenne sich zwar auch zu seiner Schreibwut, wolle aber andere davor warnen, dass man sich durch übereiltes Schreiben auch Schaden zufügen könne. Dies gelte mehr für ernsthafte Gattungen. Aus unterhaltsamen Werken könne kaum ein Nachteil erwachsen, solange sie nicht ins Obszöne reichen. |
| Anlass | |
| Register | Briefe/Widmungsbriefe; Stilkritik; Werkgenese; Übersetzungstheorie |
| Handschrift | unbekannt |
| Bearbeitungsstand | korrigiert |
| Notizen | |
| Wiedervorlage | ja |
| Bearbeiter | Benutzer:JS |
| Gegengelesen von | |
| Datumsstempel | 30.05.2019 |
| Werksigle | OCEp |
|---|---|
| Zitation | Camerarius an Crato, 20.11.1567, bearbeitet von Jochen Schultheiß (30.05.2019), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OCEp |
| Ausreifungsgrad | Druck |
| Erstdruck in | Camerarius, Sapientia Jesu filii Sirachi, 1568 |
| Blatt/Seitenzahl im Erstdruck | Bl. A 2r-A 7r |
| Fremdbrief? | nein |
| Absender | Joachim Camerarius I. |
| Empfänger | Johannes Crato |
| Datum | 1567/11/20 |
| Datum gesichert? | ja |
| Bemerkungen zum Datum | Datierung des Briefes: XX. die M. Novembris, Anno Christi Iesu, MDLXVII |
| Sprache | Latein |
| Entstehungsort | Leipzig |
| Zielort | o.O. |
| Gedicht? | nein |
| Incipit | Cum te cognoverim paratum esse |
| Regest vorhanden? | ja |
| Paratext ? | ja |
| Paratext zu | Camerarius, Sapientia Jesu filii Sirachi, 1568 |
| Kurzbeschreibung | Camerarius legt zunächst die Umstände der Werkentstehung dar. Zunächst habe er nicht beabsichtigt, zu der Edition des griechischen Textes auch eine Übersetzung zu erstellen. Er habe die Sprache des Werkes als zu wenig elegant, zu ungelenk und unharmonisch empfunden. Camerarius legt die Maximen dar, die er bei der Übersetzung verfolgt habe, berichtet aber auch von den Schwierigkeiten, die diese ihm bereitet habe. Camerarius habe keine paraphrastische Wiedergabe erstellen wollen, bei der der Sinn zum Ausdruck gebracht werde, die Übersetzung sich jedoch vom Ausgangstext weit entfernen könne. Vielmehr habe er ein metaphrastische Wiedergabe erstellt, bei der möglichst viele sprachliche Elemente der Vorlage beibehalten blieben. Daraufhin reflektiert Camerarius über den Inhalt des Werkes und legt seinen Wert für die religiöse und die moralische Erziehung dar. Camerarius prangert eine allgemeine Publikationsflut an, die er auf das Geltungsbedürfnis der Autoren zurückführt. Er selbst bekenne sich zwar auch zu seiner Schreibwut, wolle aber andere davor warnen, dass man sich durch übereiltes Schreiben auch Schaden zufügen könne. Dies gelte mehr für ernsthafte Gattungen. Aus unterhaltsamen Werken könne kaum ein Nachteil erwachsen, solange sie nicht ins Obszöne reichen. |
| Register | Briefe/Widmungsbriefe; Stilkritik; Werkgenese; Übersetzungstheorie |
| Datumsstempel | 30.05.2019 |
Regest
Camerarius beginnt mit Freundschaftsbekundungen gegenüber Crato und leitet hiervon zum Anlass des Briefes über. Die Aufforderung (postulatio) Cratos habe Camerarius zur Ausarbeitung des nun vorliegenden Werkes bewogen (A2v). Ein solches Werk habe Camerarius zuvor nicht der Allgemeinheit zur Lektüre vorlegen wollen. Zu jener Zeit habe er nämlich nicht beabsichtigt, zu dem griechischen Werk, das er herausgegeben habe, eine Übersetzung zu erstellen. Der Grund hierfür seien neben anderen Gründen insbesondere der gewesen, dass Camerarius vor der sprachlichen Form des Werkes zurückschauderte. Hierin sei nichts, was an den Charakter und an die Eleganz der griechischen Sprache erinnere. Camerarius habe auch der Wille dazu gefehlt, seine Aufmerksamkeit einer fremden Sprechweise (externa & aliena locutio) zuzuwenden (A2v-A3r). Dies sei insbesondere der Fall gewesen, als er bemerkt habe, dass diese durch wundersame Windungen von der einfachen Gestalt abweiche und durch vielfältige Figuren wie ein buntes Kleid in außergewöhnlicher Abwechslung verziert sei. Anstoß habe bei Camerarius ebenso der unharmonische Stil (dissentanea elocutio) erregt, da die die Wörter weniger passend zusammengestellt seien (verbis minus apte compositis). Abgesehen von den Vorbehalten gegenüber dem unschönen Stil habe er teils auch deshalb von dem Text abgelassen, weil er manche Sentenzen nicht passend übersetzen konnte. Er habe auch die Mühe gescheut, andere zu fragen, wobei in den meisten Fällen nicht die Klugheit eines Erklärers gefragt gewesen sei, sondern eher der Scharfsinn eines Textkritikers (coniector). Der schlechte Zustand des Werkes werde bereits durch den Hinweis des Hieronymus und aus verschiedenen Ausgaben, die überliefert sind, deutlich (A3r/v). All dies habe dazu beigetragen, dass Camerarius vor Cratos Bitte zurückschreckt habe. Ebenso habe ihn die Befürchtung über den Ausgang eines solchen Versuchs zurückhaltend gemacht. Nach dem Tod des Quirinus Schlaher, der ein enger Freund Cratos gewesen sei, haben Camerarius' Arbeiten (an der Übersetzung) nachgelassen. Crato habe geschrieben, dass Schlaher mit großem Bedürfnis nach einer getreueren Übersetzung verlange, als sie die gängige Version (vulgata; Anm. 1) biete. Camerarius' Arbeiten, die durch die Häufigkeit der Briefe von Crato wieder angetrieben worden seien, seien schließlich vorangeschritten und hätten das Vorhaben zu einem Ende gebracht.
Camerarius habe versucht, einiges so zu übersetzen, dass "gewissermaßen das Antlitz der lateinischen Sprache zum Vorschein käme" (ut Latini sermonis quasi facies appareret). Aber in den meisten Fällen habe dies nicht geschehen können, damit er nicht durch die Abschwächung der Rauheit und der Disharmonie der fremden und misstönenden Sprache in den noch größeren Nachteil verfällt, den die Verdunklung oder Entstellung einer herausragenden und einzigartigen Sentenz bringt (A4r). Camerarius wolle jedoch nicht paraphrastisch übersetzen (παραφραστικῶς) übersetzen. Dies würde bedeuten, dass er die Aussage des Autors nach eigenem Gutdünken und in der Form, die ihm gefalle, wiedergeben würde (exponendo sententiam autoris iudicio meo & ea orationis forma, quae mihi arrideret). Vielmehr wolle er metaphrastisch (μεταφραστικῶς) übersetzen. Das bedeute nicht nur die Verdeutlichung, Übersetzung und Wiedergabe des Sinns, sondern auch der Wörter und, soweit möglich, ihrer Anordnung (non solum sententiae sed verborum quoque, & quoad fieri potest, compositionis explicatio & interpretatio & expressio). Notwendig hingegen sei beim Übersetzen von einer Sprache in eine andere zwar die Änderung der Formen, die das Tempus anzeigen, des Numerus des Genus, des Genus verbi und von Vergleichbarem. Hierbei sei Camerarius jedoch maßvoll, ja sogar sparsam geblieben.
Jetzt habe Crato vorliegen, wonach er verlangt habe. Das Urteil darüber sei nun ihm belassen (A4v). In dem Werk fänden sich Ermahnungen, Aufforderungen, Lehren, auch Erörterungen gesammelt, die heilsam und aus verschiedenen Stellen der Heiligen Schrift gesammelt und getrennt dargelegt seien. Diejenigen, die diese läsen, ihnen ihre Aufmerksamkeit schenkten und ihnen folgten, würden dazu angespornt, ihre Frömmigkeit und Religiosität zu pflegen, und dazu angeleitet, in allen Bereichen des Lebens ihre Pflicht zu erfüllen. Über diese Inhalte würden zwar von Tag zu Tag mehr Worte geschwungen, in Handlungen kämen sie jedoch kaum zum Ausdruck. Bei all den Gefechten der Intellektuellen, übe man sich nicht mehr privat noch öffentlich in lobenswerten Taten für Gott und die Öffentlichkeit (A4v-A5r). Sehr viele schienen zu fürchten, ihre Weisheit bleibe unerkannt und würde mit ihnen zugrunde gehen. Jeder würde von einem anderen Grund dazu bewogen, etwas von seinen Schriften herauszugeben (A5r). Deshalb bringe das gegenwärtige Zeitalter äußerst zahlreiche neue Bücher hervor. Hierunter seien auch die Arbeiten des Camerarius zu zählen, die erscheinen seien oder unter dem verschmähten Papier verborgen blieben. Er wolle sich selbst gar nicht aus der Zahl jener ausnehmen, die nicht Ruhe geben und sich zurückhalten könnten. Auch er wolle, dass auf Büchern sein Name gelesen werde. Auch zu den Schreibwütigen lasse er sich gerne zählen. Wer sich auf diesem Gebiet beweisen wolle, solle sich aber in Acht nehmen, dass er sich nicht durch eine schlechte Publikation Schaden zuziehe (A5r/v). Dies gelte für ernsthafte Schriften, aus unterhaltsamen (in ludicris) könne kaum Schaden erwachsen, solange sie nicht obszön (obscoena) oder übertrieben scherzhaft (scurrilia) sind.
Das gegenwärtige Zeitalter falle in eine Phase äußerster Zersplitterung (A6r). Da müsse jeder zuschauen, dass er nichts tue, was gegen sein Gewissen verstoßen könnte. Dass Gott uns in der Unschuld bewahren möge, darum bete Camerarius zum dreieinigen Gott (A6r/v). Dessen Lob solle Camerarius' gesamte Arbeit dienen. Er empfiehlt dem Adressaten ein Buch, das den Titel "Weisheit des Salomon" trage und dessen Autor Philon (Anm. 2) sein solle. Auch Gieses gelte als würdig, in der Kirche gelesen zu werden. Auch der Jugend sei dieses Werk anempfohlen. Camerarius habe sich einst an eine oberfächlichere Lektüre (expeditiorem)gemacht. Er wisse allerdings, was bisher einer Edition entgegengestanden habe. Wenn Crato es richtig scheine, dass sich Camerarius nun hiermit beschäftige, dann wolle Camerarius seine Mühe auch auf eine Edition dieser Schrift für einen besseren allgemeinen Gebrauch verwenden. Diese Schriften sollen etwas später Cratos Sohn Johann Baptist vorgelegt werden, damit sie von diesem ganz gelesen werden könnten. Aus diesen könne er schon bald Abschnitte gegeben werden, die er in seinem kindlichen Alter zu seiner religiösen Bildung auswendig lernen könne.
(Jochen Schultheiß)
Anmerkungen
- Anm. 1: Mit vulgata meint Camerarius hier wohl konkret die so betitelte Bibelübersetzung des Hieronymus, der kurz zuvor erwähnt wurde. An dieser hielt die katholische Kirche weiterhin fest.
- Anm. 2: Hier denkt Camerarius wohl an Philon von Alexandria.