Camerarius an Turnèbe, 1559: Unterschied zwischen den Versionen
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Camerarius habe sich selbst schon oft getadelt, weil er auf [[Briefpartner::Adrien Turnèbe|Turnèbes]] Brief noch nicht geantwortet habe, nun aber fühle er sich erst recht schuldig, da dieser in einem erneuten Schreiben seiner eigenen Verspätung die Schuld für Camerarius' | Camerarius habe sich selbst schon oft getadelt, weil er auf [[Briefpartner::Adrien Turnèbe|Turnèbes]] Brief noch nicht geantwortet habe, nun aber fühle er sich erst recht schuldig, da dieser in einem erneuten Schreiben seiner eigenen Verspätung die Schuld für Camerarius' Schweigen gebe (s. Anm.). Er sei aber, obgleich er oft zur Tinte habe greifen wollen, beunruhigt worden von den sich verbreitenden Gerüchten über die blutigen und menschenverachtenden Werke, von denen auch Turnèbe geschrieben habe und habe befürchtet, mit seiner Antwort dem Empfänger des Briefes zu schaden, da er bei einigen verhasst sei, die eine gotteslästerliche und unmenschliche Frömmigkeit lebten und "unheilige Opfer verbrennen" (θύματα ὁλοκαυτοῦσιν ἀνόσια). Denn wie er gehört habe, seien diese immer auf der Jagd und betrieben ein ταυρικόν τι σόφισμα καὶ ἀνθρωποκτόνον oder streiften treffender gesagt wie Raubtiere umher auf der Suche nach Menschen, die sie ins Verderben stürzen könnten (s. Anm.). | ||
Die Getöteten aber seien nicht zu beklagen, denn nicht das Sterben sei schlimm, sondern in Schande zu sterben (Menander: Τὸ γὰρ θανεῖν οὐκ αἰσχρόν, ἀλλ᾽ αἰσχρῶς θανεῖν); diejenigen dagegen, die | Die Getöteten aber seien nicht zu beklagen, denn nicht das Sterben sei schlimm, sondern in Schande zu sterben (Menander: Τὸ γὰρ θανεῖν οὐκ αἰσχρόν, ἀλλ᾽ αἰσχρῶς θανεῖν); diejenigen dagegen, die die ganze Sache begonnen hätten, die Menschen abschlachteten, die nichts verbrochen hätten und nicht aufrührerisch gewesen seien und sich nur den einen bei den Leuten leicht zu verleumdenden Vorwurf zugezogen hätten und diesen nicht nur ununtersucht, sondern auch ungeprüft und ohne Urteil: diese nun müssten für unglücklich gehalten und so genannt werden, gleichsam Schreckgespenster ganzer Städte und Völker. Solches Blutvergießen werde nicht ungerächt bleiben und für ihre Anführer als auch für ihre Unterstützer werde Übel auf Übel folgen (πῆμ᾽ ἐπὶ πήματι κεῖται, Herodot, I, 67). Denn Gott sehe alles und werde seine Anhänger aus der Gefahr retten; so wolle man die Rettung vor dem Unheil am Tage des Herrn fromm erwarten und sich um den Lohn für alles Ungemach bemühen, den Rest seiner Sorgen aber Gott anvertrauen. | ||
Er aber treffe ihn, Turnèbe, wann immer der Überbringer eines Briefes den Weg zu ihm finde. Turnèbe möge ihm doch offenbaren, womit er sich und allen anderen unaufhörlich Ruhm verschaffe, damit auch er von Turnèbes Gunst profitieren könne, denn man habe nach der Edition (mit Kommentar) von [[Erwähnte Person::Cicero|Ciceros]] ''De legibus'' (ἀπὸ τῆς ἐκδόσεως τῶν νομικῶν τῶν Τυλλιανῶν) nichts mehr von ihm gehört (s. Anm.). Bei deren Lektüre vergnüge er sich nämlich gerade. | Er aber treffe ihn, Turnèbe, wann immer der Überbringer eines Briefes den Weg zu ihm finde. Turnèbe möge ihm doch offenbaren, womit er sich und allen anderen unaufhörlich Ruhm verschaffe, damit auch er von Turnèbes Gunst profitieren könne, denn man habe nach der Edition (mit Kommentar) von [[Erwähnte Person::Cicero|Ciceros]] ''De legibus'' (ἀπὸ τῆς ἐκδόσεως τῶν νομικῶν τῶν Τυλλιανῶν) nichts mehr von ihm gehört (s. Anm.). Bei deren Lektüre vergnüge er sich nämlich gerade. | ||
Manchmal passiere ihm nämlich lächerliches, was zu berichten er sich auch Turnèbe gegenüber nicht schäme. Turnèbes Gelehrsamkeit betrübe ihn nämlich manchmal, da sie seinen eigenen Bemühungen kaum Freiraum lasse und seinem eigenen Wissen kaum Möglichkeit lasse, hervorzustechen (was aber freundschaftlich als Scherz verstanden werden solle); Turnèbe habe viel in | Manchmal passiere ihm nämlich lächerliches, was zu berichten er sich auch Turnèbe gegenüber nicht schäme. Turnèbes Gelehrsamkeit betrübe ihn nämlich manchmal, da sie seinen eigenen Bemühungen kaum Freiraum lasse und seinem eigenen Wissen kaum Möglichkeit lasse, hervorzustechen (was aber freundschaftlich als Scherz verstanden werden solle); Turnèbe habe viel in seinem eigenen Genie, aber auch viele Schätze in ihren dortigen Bibliotheken gefunden und Camerarius zur Verfügung gestellt. | ||
(Alexander Hubert) | (Alexander Hubert) | ||
===Anmerkungen=== | ===Anmerkungen=== | ||
*" | *"Camerarius habe sich selbst schon oft getadelt, weil er auf [[Briefpartner::Adrien Turnèbe|Turnèbes]] Brief noch nicht geantwortet habe, nun aber fühle er sich erst recht schuldig, da dieser in einem erneuten Schreiben seiner eigenen Verspätung die Schuld für Camerarius' Schweigen gebe": Camerarius bezieht sich hier auf [[Erwähntes Werk::Turnèbe an Camerarius, 15XX]] als Brief, auf den er noch nicht geantwortet hat, und [[Erwähntes Werk::Turnèbe an Camerarius, 10.07.15XX]] als Turnèbes zweiten Brief. | ||
*"Er sei aber... die sie ins Verderben stürzen könnten": In [[Erwähntes Werk::Turnèbe an Camerarius, 15XX]] berichtet Turnèbe vom [[Edikt von Écouen (1559)|Edikt von Écouen]], wonach Häretiker mit dem TOde zu bestrafen waren. Die Rede ist von Verbrennungen auf dem Scheiterhaufen, worauf Camerarius sich hier wohl mit den "unheiligen Opfern" bezieht. Insgesamt gemeint ist in diesem und dem folgenden Absatz das harte Vorgehen in Frankreich gegen die Hugenotten, das letztlich in den Hugenottenkriegen münden wird. | |||
*"man habe nach der Edition (mit Kommentar) von Ciceros ''De legibus'' (ἀπὸ τῆς ἐκδόσεως τῶν νομικῶν τῶν Τυλλιανῶν) nichts mehr von ihm gehört": Diese Edition ist 1552 herausgekommen. 1553 ist eine [[Turnèbe, Synesii De regno ad Arcadium imperatorem, 1553|Synesiosausgabe von Turnèbe]] herausgekommen, die Camerarius auch kannte, s. [[Camerarius an Turnèbe, 13.03.1555]]. Möglicherweise meint Camerarius hier also, dass er seit dem Cicero-Kommentar nichts eigenes mehr von Turnèbe erschienen ist. | *"man habe nach der Edition (mit Kommentar) von Ciceros ''De legibus'' (ἀπὸ τῆς ἐκδόσεως τῶν νομικῶν τῶν Τυλλιανῶν) nichts mehr von ihm gehört": Diese Edition ist 1552 herausgekommen. 1553 ist eine [[Turnèbe, Synesii De regno ad Arcadium imperatorem, 1553|Synesiosausgabe von Turnèbe]] herausgekommen, die Camerarius auch kannte, s. [[Camerarius an Turnèbe, 13.03.1555]]. Möglicherweise meint Camerarius hier also, dass er seit dem Cicero-Kommentar nichts eigenes mehr von Turnèbe erschienen ist. |
Version vom 30. Juli 2018, 12:48 Uhr
Briefe mit demselben Datum | ||||||||||||||
kein passender Brief gefunden |
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Werksigle | OCEp 0375 |
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Zitation | Camerarius an Turnèbe, 1559, bearbeitet von Manuel Huth und Alexander Hubert (30.07.2018), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OCEp_0375 |
Besitzende Institution | |
Signatur, Blatt/Seite | |
Ausreifungsgrad | Druck |
Erstdruck in | Camerarius, Epistolae doctorum, 1568 |
Blatt/Seitenzahl im Erstdruck | Bl. K7v-L1r |
Zweitdruck in | |
Blatt/Seitenzahl im Zweitdruck | |
Sonstige Editionen | |
Wird erwähnt in | |
Fremdbrief? | nein |
Absender | Joachim Camerarius I. |
Empfänger | Adrien Turnèbe |
Datum | |
Datum gesichert? | nein |
Bemerkungen zum Datum | ermitteltes Datum: Sommersonnenwende (o.J.) (τῇ τῆς τοῦ ἡλίου ἐκ τούτων χηλῶν ἐξόδου).
Turnèbe starb am 12. Juni 1565, der somit als Terminus ante quem gelten kann. Terminus post quem ist der 13.03.1555, auf den Camerarius' erster Brief an Turnèbe datiert ist. |
Unscharfes Datum Beginn | 1555/03/13 |
Unscharfes Datum Ende | 1565/06/12 |
Sprache | Griechisch |
Entstehungsort | o.O. |
Zielort | o.O. |
Gedicht? | nein |
Incipit | κἀγὼ, Ἀδριανε σοφίας καὶ ἀρετῆς |
Link zur Handschrift | |
Regest vorhanden? | ja |
Paratext ? | nein |
Paratext zu | |
Kurzbeschreibung | |
Anlass | |
Register | |
Handschrift | unbekannt |
Bearbeitungsstand | unkorrigiert |
Notizen | |
Wiedervorlage | ja |
Bearbeiter | Benutzer:MH; Benutzer:HIWI |
Gegengelesen von | |
Datumsstempel | 30.07.2018 |
Werksigle | OCEp 0375 |
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Zitation | Camerarius an Turnèbe, 1559, bearbeitet von Manuel Huth und Alexander Hubert (30.07.2018), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OCEp_0375 |
Ausreifungsgrad | Druck |
Erstdruck in | Camerarius, Epistolae doctorum, 1568 |
Blatt/Seitenzahl im Erstdruck | Bl. K7v-L1r |
Wird erwähnt in | |
Fremdbrief? | nein |
Absender | Joachim Camerarius I. |
Empfänger | Adrien Turnèbe |
Datum gesichert? | nein |
Bemerkungen zum Datum | ermitteltes Datum: Sommersonnenwende (o.J.) (τῇ τῆς τοῦ ἡλίου ἐκ τούτων χηλῶν ἐξόδου).
Turnèbe starb am 12. Juni 1565, der somit als Terminus ante quem gelten kann. Terminus post quem ist der 13.03.1555, auf den Camerarius' erster Brief an Turnèbe datiert ist. |
Unscharfes Datum Beginn | 1555/03/13 |
Unscharfes Datum Ende | 1565/06/12 |
Sprache | Griechisch |
Entstehungsort | o.O. |
Zielort | o.O. |
Gedicht? | nein |
Incipit | κἀγὼ, Ἀδριανε σοφίας καὶ ἀρετῆς |
Regest vorhanden? | ja |
Paratext ? | nein |
Datumsstempel | 30.07.2018 |
Regest
Camerarius habe sich selbst schon oft getadelt, weil er auf Turnèbes Brief noch nicht geantwortet habe, nun aber fühle er sich erst recht schuldig, da dieser in einem erneuten Schreiben seiner eigenen Verspätung die Schuld für Camerarius' Schweigen gebe (s. Anm.). Er sei aber, obgleich er oft zur Tinte habe greifen wollen, beunruhigt worden von den sich verbreitenden Gerüchten über die blutigen und menschenverachtenden Werke, von denen auch Turnèbe geschrieben habe und habe befürchtet, mit seiner Antwort dem Empfänger des Briefes zu schaden, da er bei einigen verhasst sei, die eine gotteslästerliche und unmenschliche Frömmigkeit lebten und "unheilige Opfer verbrennen" (θύματα ὁλοκαυτοῦσιν ἀνόσια). Denn wie er gehört habe, seien diese immer auf der Jagd und betrieben ein ταυρικόν τι σόφισμα καὶ ἀνθρωποκτόνον oder streiften treffender gesagt wie Raubtiere umher auf der Suche nach Menschen, die sie ins Verderben stürzen könnten (s. Anm.).
Die Getöteten aber seien nicht zu beklagen, denn nicht das Sterben sei schlimm, sondern in Schande zu sterben (Menander: Τὸ γὰρ θανεῖν οὐκ αἰσχρόν, ἀλλ᾽ αἰσχρῶς θανεῖν); diejenigen dagegen, die die ganze Sache begonnen hätten, die Menschen abschlachteten, die nichts verbrochen hätten und nicht aufrührerisch gewesen seien und sich nur den einen bei den Leuten leicht zu verleumdenden Vorwurf zugezogen hätten und diesen nicht nur ununtersucht, sondern auch ungeprüft und ohne Urteil: diese nun müssten für unglücklich gehalten und so genannt werden, gleichsam Schreckgespenster ganzer Städte und Völker. Solches Blutvergießen werde nicht ungerächt bleiben und für ihre Anführer als auch für ihre Unterstützer werde Übel auf Übel folgen (πῆμ᾽ ἐπὶ πήματι κεῖται, Herodot, I, 67). Denn Gott sehe alles und werde seine Anhänger aus der Gefahr retten; so wolle man die Rettung vor dem Unheil am Tage des Herrn fromm erwarten und sich um den Lohn für alles Ungemach bemühen, den Rest seiner Sorgen aber Gott anvertrauen.
Er aber treffe ihn, Turnèbe, wann immer der Überbringer eines Briefes den Weg zu ihm finde. Turnèbe möge ihm doch offenbaren, womit er sich und allen anderen unaufhörlich Ruhm verschaffe, damit auch er von Turnèbes Gunst profitieren könne, denn man habe nach der Edition (mit Kommentar) von Ciceros De legibus (ἀπὸ τῆς ἐκδόσεως τῶν νομικῶν τῶν Τυλλιανῶν) nichts mehr von ihm gehört (s. Anm.). Bei deren Lektüre vergnüge er sich nämlich gerade.
Manchmal passiere ihm nämlich lächerliches, was zu berichten er sich auch Turnèbe gegenüber nicht schäme. Turnèbes Gelehrsamkeit betrübe ihn nämlich manchmal, da sie seinen eigenen Bemühungen kaum Freiraum lasse und seinem eigenen Wissen kaum Möglichkeit lasse, hervorzustechen (was aber freundschaftlich als Scherz verstanden werden solle); Turnèbe habe viel in seinem eigenen Genie, aber auch viele Schätze in ihren dortigen Bibliotheken gefunden und Camerarius zur Verfügung gestellt.
(Alexander Hubert)
Anmerkungen
- "Camerarius habe sich selbst schon oft getadelt, weil er auf Turnèbes Brief noch nicht geantwortet habe, nun aber fühle er sich erst recht schuldig, da dieser in einem erneuten Schreiben seiner eigenen Verspätung die Schuld für Camerarius' Schweigen gebe": Camerarius bezieht sich hier auf Turnèbe an Camerarius, 15XX als Brief, auf den er noch nicht geantwortet hat, und Turnèbe an Camerarius, 10.07.15XX als Turnèbes zweiten Brief.
- "Er sei aber... die sie ins Verderben stürzen könnten": In Turnèbe an Camerarius, 15XX berichtet Turnèbe vom Edikt von Écouen, wonach Häretiker mit dem TOde zu bestrafen waren. Die Rede ist von Verbrennungen auf dem Scheiterhaufen, worauf Camerarius sich hier wohl mit den "unheiligen Opfern" bezieht. Insgesamt gemeint ist in diesem und dem folgenden Absatz das harte Vorgehen in Frankreich gegen die Hugenotten, das letztlich in den Hugenottenkriegen münden wird.
- "man habe nach der Edition (mit Kommentar) von Ciceros De legibus (ἀπὸ τῆς ἐκδόσεως τῶν νομικῶν τῶν Τυλλιανῶν) nichts mehr von ihm gehört": Diese Edition ist 1552 herausgekommen. 1553 ist eine Synesiosausgabe von Turnèbe herausgekommen, die Camerarius auch kannte, s. Camerarius an Turnèbe, 13.03.1555. Möglicherweise meint Camerarius hier also, dass er seit dem Cicero-Kommentar nichts eigenes mehr von Turnèbe erschienen ist.