Camerarius an das Tübinger Kollegium, 11.06.1540: Unterschied zwischen den Versionen
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Camerarius beschreibt das Werk, das er nach Überwindung vieler Hindernisse zu einem Abschluss habe bringen können, als "Kommentare zu den Stilübungen für Jungen" (''commentarii exercitiorum stili puerilis'', A2r). Camerarius halte es für angebracht, dieses Werk "Rhetorik" (''Rhetorica'') zu nennen und seinen Kollegen nun zu melden, dass es gedruckt sei. Der Beruf des Gelehrten in den Künsten sei doch die schönste Beschäftigung, die es gebe (A2r/v). Hierüber und über die hohe Würde der Studien habe er neulich vor einer Zusammenkunft von Studierenden ausführlich referiert. Camerarius verteidigt die Bedeutung der ''studia humanitatis'' (A3v) gegenüber ihrer Geringschätzung durch diejenigen, die Reichtum und Macht für bedeutsamer hielten. Ein aktives Eintreten für die Bildung gegen die Ignoranz hält Camerarius für nötig (A2v-A3v). Hierbei ruft er zum Zusammenhalt unter den Gelehrten auf. | Camerarius beschreibt das Werk, das er nach Überwindung vieler Hindernisse zu einem Abschluss habe bringen können, als "Kommentare zu den Stilübungen für Jungen" (''commentarii exercitiorum stili puerilis'', A2r). Camerarius halte es für angebracht, dieses Werk "Rhetorik" (''Rhetorica'') zu nennen und seinen Kollegen nun zu melden, dass es gedruckt sei. Der Beruf des Gelehrten in den Künsten sei doch die schönste Beschäftigung, die es gebe (A2r/v). Hierüber und über die hohe Würde der Studien habe er neulich vor einer Zusammenkunft von Studierenden ausführlich referiert. Camerarius verteidigt die Bedeutung der ''studia humanitatis'' (A3v) gegenüber ihrer Geringschätzung durch diejenigen, die Reichtum und Macht für bedeutsamer hielten. Ein aktives Eintreten für die Bildung gegen die Ignoranz hält Camerarius für nötig (A2v-A3v). Hierbei ruft er zum Zusammenhalt unter den Gelehrten auf. Camerarius wendet sich hierbei auch gegen bestimmte ''docti'', die den ''studia humanitatis'' gegenüber missgünstig eingestellt seien (A3r-A4v, Anm. 2). | ||
Den Wert der Bildung macht er in der moralischen Erziehung aus. In der Rhetorik sieht Camerarius ein System, das eine geordnete intellektuelle Erschließung und Darstellung in der Rede erlaubt. Ziel der Bildung sei kein kleinteiliges Faktenwissen, sondern "wahre Weisheit und Tugend" (''vera sapientia & virtus'') und "Erkenntnis" (''intelligentia''), "ehrenhafte Lebensweise" (''vitae honestas atque decus''), "lobenswertes Handeln" (''actiones laudis'') und "richtige Entscheidungen" (''recta consilia''). Ziel der Bildung sei nicht an erster Stelle die Ausbildung von Funktionseliten (''alumni ad rempublicam gerendam idonei''). Die moralische Qualität wird sich aber dann auch in gutem Handeln zeigen.<br /> | Den Wert der Bildung macht er in der moralischen Erziehung aus. In der Rhetorik sieht Camerarius ein System, das eine geordnete intellektuelle Erschließung und Darstellung in der Rede erlaubt. Ziel der Bildung sei kein kleinteiliges Faktenwissen, sondern "wahre Weisheit und Tugend" (''vera sapientia & virtus'') und "Erkenntnis" (''intelligentia''), "ehrenhafte Lebensweise" (''vitae honestas atque decus''), "lobenswertes Handeln" (''actiones laudis'') und "richtige Entscheidungen" (''recta consilia''). Ziel der Bildung sei nicht an erster Stelle die Ausbildung von Funktionseliten (''alumni ad rempublicam gerendam idonei''). Die moralische Qualität wird sich aber dann auch in gutem Handeln zeigen.<br /> | ||
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=== Anmerkungen === | === Anmerkungen === | ||
Entstehungs- und Zielort sind aus dem Kontext und Adressatenschaft erschlossen. | *Anm. 1: Entstehungs- und Zielort sind aus dem Kontext und Adressatenschaft erschlossen. | ||
*Anm. 2: Hiermit spielt Camerarius wohl auf den Konflikt zwischen Humanisten und Scholastikern an. |
Version vom 27. Mai 2019, 09:43 Uhr
Briefe mit demselben Datum | ||||||
kein passender Brief gefunden |
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kein passender Brief gefunden |
Werksigle | OCEp |
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Zitation | Camerarius an das Tübinger Kollegium, 11.06.1540, bearbeitet von Jochen Schultheiß (27.05.2019), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OCEp |
Besitzende Institution | |
Signatur, Blatt/Seite | |
Ausreifungsgrad | Druck |
Erstdruck in | Camerarius, Elementa rhetoricae, 1541 |
Blatt/Seitenzahl im Erstdruck | Bl. A2r-A6v |
Zweitdruck in | Camerarius, Elementa rhetoricae, 1545 |
Blatt/Seitenzahl im Zweitdruck | Bl. a2r-a6v |
Sonstige Editionen | Camerarius, Elementa rhetoricae, 1551, Bl. a2r-a7r; Camerarius, Elementa rhetoricae, 1562, Bl. A1r-A4r; Camerarius, Elementa rhetoricae, 1564, Bl. A1r-A4r; |
Wird erwähnt in | |
Fremdbrief? | nein |
Absender | Joachim Camerarius I. |
Empfänger | Artistenfakultät (Tübingen) |
Datum | 1540/06/11 |
Datum gesichert? | ja |
Bemerkungen zum Datum | Datierung des Briefes: III. Id. Iunii MDXL |
Unscharfes Datum Beginn | |
Unscharfes Datum Ende | |
Sprache | Latein |
Entstehungsort | Tübingen |
Zielort | Tübingen |
Gedicht? | nein |
Incipit | Cum tandem absolvissem |
Link zur Handschrift | |
Regest vorhanden? | ja |
Paratext ? | ja |
Paratext zu | Camerarius, Orationis Latinae exercitium rhetoricum, 1541 |
Kurzbeschreibung | Camerarius beschreibt seine Rhetorica als "Kommentare zu den Stilübungen für Jungen" (commentarii exercitiorum stili puerilis). Camerarius verteidigt die Bedeutung der Studien gegenüber ihrer Geringschätzung. Das aktive Eintreten für sie hält er für nötig. Den Wert der Bildung macht er in der moralischen Erziehung aus. In der Rhetorik sieht Camerarius ein System, das eine geordnete intellektuelle Erschließung und Darstellung in der Rede erlaubt. Ziel der Bildung sei kein kleinteiliges Faktenwissen, sondern "wahre Weisheit und Tugend" (vera sapientia & virtus) und "Erkenntnis" (intelligentia), "ehrenhafte Lebensweise" (vitae honestas atque decus), "lobenswertes Handeln" (actiones laudis) und "richtige Entscheidungen" (recta consilia). Ziel der Bildung sei nicht an erster Stelle die Ausbildung von Funktionseliten (alumni ad rempublicam gerendam idonei). Die moralische Qualität wird sich aber dann auch in gutem Handeln zeigen. |
Anlass | |
Register | Widmungsbrief; Rhetorik; Bildungsdiskurs; Elementarunterricht; Briefe/Parallelüberlieferung |
Handschrift | unbekannt |
Bearbeitungsstand | korrigiert |
Notizen | |
Wiedervorlage | ja |
Bearbeiter | Benutzer:JS |
Gegengelesen von | |
Datumsstempel | 27.05.2019 |
Werksigle | OCEp |
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Zitation | Camerarius an das Tübinger Kollegium, 11.06.1540, bearbeitet von Jochen Schultheiß (27.05.2019), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OCEp |
Ausreifungsgrad | Druck |
Erstdruck in | Camerarius, Elementa rhetoricae, 1541 |
Blatt/Seitenzahl im Erstdruck | Bl. A2r-A6v |
Zweitdruck in | Camerarius, Elementa rhetoricae, 1545 |
Blatt/Seitenzahl im Zweitdruck | Bl. a2r-a6v |
Sonstige Editionen | Camerarius, Elementa rhetoricae, 1551, Bl. a2r-a7r; Camerarius, Elementa rhetoricae, 1562, Bl. A1r-A4r; Camerarius, Elementa rhetoricae, 1564, Bl. A1r-A4r; |
Fremdbrief? | nein |
Absender | Joachim Camerarius I. |
Empfänger | Artistenfakultät (Tübingen) |
Datum | 1540/06/11 |
Datum gesichert? | ja |
Bemerkungen zum Datum | Datierung des Briefes: III. Id. Iunii MDXL |
Sprache | Latein |
Entstehungsort | Tübingen |
Zielort | Tübingen |
Gedicht? | nein |
Incipit | Cum tandem absolvissem |
Regest vorhanden? | ja |
Paratext ? | ja |
Paratext zu | Camerarius, Orationis Latinae exercitium rhetoricum, 1541 |
Kurzbeschreibung | Camerarius beschreibt seine Rhetorica als "Kommentare zu den Stilübungen für Jungen" (commentarii exercitiorum stili puerilis). Camerarius verteidigt die Bedeutung der Studien gegenüber ihrer Geringschätzung. Das aktive Eintreten für sie hält er für nötig. Den Wert der Bildung macht er in der moralischen Erziehung aus. In der Rhetorik sieht Camerarius ein System, das eine geordnete intellektuelle Erschließung und Darstellung in der Rede erlaubt. Ziel der Bildung sei kein kleinteiliges Faktenwissen, sondern "wahre Weisheit und Tugend" (vera sapientia & virtus) und "Erkenntnis" (intelligentia), "ehrenhafte Lebensweise" (vitae honestas atque decus), "lobenswertes Handeln" (actiones laudis) und "richtige Entscheidungen" (recta consilia). Ziel der Bildung sei nicht an erster Stelle die Ausbildung von Funktionseliten (alumni ad rempublicam gerendam idonei). Die moralische Qualität wird sich aber dann auch in gutem Handeln zeigen. |
Register | Widmungsbrief; Rhetorik; Bildungsdiskurs; Elementarunterricht; Briefe/Parallelüberlieferung |
Datumsstempel | 27.05.2019 |
Regest
Camerarius beschreibt das Werk, das er nach Überwindung vieler Hindernisse zu einem Abschluss habe bringen können, als "Kommentare zu den Stilübungen für Jungen" (commentarii exercitiorum stili puerilis, A2r). Camerarius halte es für angebracht, dieses Werk "Rhetorik" (Rhetorica) zu nennen und seinen Kollegen nun zu melden, dass es gedruckt sei. Der Beruf des Gelehrten in den Künsten sei doch die schönste Beschäftigung, die es gebe (A2r/v). Hierüber und über die hohe Würde der Studien habe er neulich vor einer Zusammenkunft von Studierenden ausführlich referiert. Camerarius verteidigt die Bedeutung der studia humanitatis (A3v) gegenüber ihrer Geringschätzung durch diejenigen, die Reichtum und Macht für bedeutsamer hielten. Ein aktives Eintreten für die Bildung gegen die Ignoranz hält Camerarius für nötig (A2v-A3v). Hierbei ruft er zum Zusammenhalt unter den Gelehrten auf. Camerarius wendet sich hierbei auch gegen bestimmte docti, die den studia humanitatis gegenüber missgünstig eingestellt seien (A3r-A4v, Anm. 2).
Den Wert der Bildung macht er in der moralischen Erziehung aus. In der Rhetorik sieht Camerarius ein System, das eine geordnete intellektuelle Erschließung und Darstellung in der Rede erlaubt. Ziel der Bildung sei kein kleinteiliges Faktenwissen, sondern "wahre Weisheit und Tugend" (vera sapientia & virtus) und "Erkenntnis" (intelligentia), "ehrenhafte Lebensweise" (vitae honestas atque decus), "lobenswertes Handeln" (actiones laudis) und "richtige Entscheidungen" (recta consilia). Ziel der Bildung sei nicht an erster Stelle die Ausbildung von Funktionseliten (alumni ad rempublicam gerendam idonei). Die moralische Qualität wird sich aber dann auch in gutem Handeln zeigen.
Seine Argumentation unterfüttert Camerarius mit Zitaten aus Plautus und Terenz.
(Jochen Schultheiß)
Anmerkungen
- Anm. 1: Entstehungs- und Zielort sind aus dem Kontext und Adressatenschaft erschlossen.
- Anm. 2: Hiermit spielt Camerarius wohl auf den Konflikt zwischen Humanisten und Scholastikern an.