Mantik und Magie (CamLex)

Aus Joachim Camerarius (1500-1574)
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CamLex
Zitation Marion Gindhart, Art. "Mantik und Magie (CamLex)", in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/Mantik_und_Magie_(CamLex) (24.09.2024).
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CamLex
Zitation Marion Gindhart, Art. "Mantik und Magie (CamLex)", in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/Mantik_und_Magie_(CamLex) (24.09.2024).
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Mantik

Das Bedürfnis, Einblicke in die Zukunft zu erhalten und diese zur Bewältigung drohender Kontingenzen, aber auch gegenwärtiger Entwicklungen zu nutzen, ist eine anthropologische Universalie.

Zur Einführung

Bereits in der Antike wurde über das kulturen- und zeitenübergreifende Anliegen einer Zukunftsschau und deren Prämissen reflektiert. Eine Schlüsselpassage ist etwa der Beginn von Ciceros Schrift "De divinatione". Hier verweist Cicero in Rekurs auf den consensus omnium darauf, dass es bereits seit frühesten Zeiten die Auffassung gegeben habe, dass die Menschen ein gewisses Weissagevermögen (divinatio/μαντική, praesensio et scientia futurarum rerum) besäßen und dass die Zukunft durch bestimmte Zeichen angezeigt und von bestimmten Personen vorhergesagt werden könne (significari futura et a quibusdam intellegi praedicique posse). Dieser Umstand (bewertet als magnifica ... res et salutaris) könne eine größtmögliche Annäherung der "sterblichen Natur" (natura mortalis) an die göttliche Macht (deorum vis) bewirken - ein Konzept, das sich im lateinischen Terminus divinatio ausdrücke (a divis).[1]
Eine durchaus ähnliche Auffassung findet sich unter christlich-protestantischen Vorzeichen auch in der Frühen Neuzeit: So besäßen die Menschen nach dem Sündenfall zwar nur noch eine eingeschränkte Wissens- und Erkenntnisfähigkeit, doch könne ihnen die Zukunft durch Gottes Willen und Allmacht geoffenbart werden, etwa durch bestimmte Zeichen im "Buch der Natur". Deren Lesung und Ausdeutung sei dann nicht nur ein potentieller, sondern ein gottgewollter Akt.
Aus der Alten Welt sind zahlreiche mantische Verfahren bekannt, die transkulturell rezipiert und weiterentwickelt werden und auch in späteren Epochen als prominente Verfahren der Zukunftsprognose Anwendung finden wie etwa die → Astrologie mit ihren Teildisziplinen und Textsorten, Prodigien- und ↓ Traumdeutung oder ↓ Chiromantie. Seit dem 12. Jahrhundert war im lateinischen Europa auch die im arabischen Raum beliebte ↓ Geomantie ("Punktierkunst") bekannt. Im 16. Jahrhundert liefert Caspar Peucer mit seiner umfassenden Divinationsenzyklopädie ("Commentarius de praecipuis divinationum generibus", 1553 u.ö.) eine Zusammenschau sämtlicher Formen der Weissagung, die er einerseits auf göttliches Wirken und Wollen, andererseits auf die trügerischen Machenschaften von Teufel und Dämonen zurückführt; Camerarius bietet in seinem weitaus kürzeren "Commentarius de generibus divinationum ac Graecis Latinisque eorum vocabulis" (postum 1576) einen – wie der Titel bereits herausstellt - in erster Linie terminologisch ausgerichteten Überblick über die antiken Formen der Mantik.[2] Durch die sich verbreitende Kenntnis arabischer und griechischer Texte und die Popularisierung mantischer Verfahren durch den Buchdruck (etwa in Form von Praktiken, Prodigienflugblättern, Kometenschriften, prophetischen Texten, Traum- oder Losbüchern) erlebten diese im frühneuzeitlichen Europa eine "hier nie dagewesene Blütezeit"[3].

Bei Camerarius nimmt unter den zeitgenössischen mantischen Verfahren die → Astrologie einen besonderen Stellenwert ein. So äußert er sich nicht nur theoretisch über sie, sondern übt sie auch praktisch aus – sei es im Bereich der Horoskopie, der Jahresprognostiken oder der Deutung von Eklipsen und Kometen. Schon früh in der praktischen Astrologie ausgebildet durch seine Mutter, erhält er wiederholt Anfragen (aus dem Bekanntenkreis, aber auch für unbekannte Dritte), Horoskope zu stellen oder auszulegen. Als ars, die auf einer methodisch fundierten Interpretation natürlicher Ursachen gründet, ist die Astrologie in Camerarius' "Commentarius" aufgenommen (2. Kategorie).[4]
Dieses Werk dient als Referenzpunkt für die folgenden Ausführungen. Ausgehend von Dedikation und Gliederung werden ausgewählte mantische Verfahren skizziert, weitere Personen und andere Schriften in den Blick genommen.

(Marion Gindhart)

Camerarius' "Commentarius de generibus divinationum" (1576)

Der (nicht ganz vollendete) "Commentarius" wird erst postum (1576) durch Camerarius' Sohn Ludwig publiziert. Ludwig widmet ihn dem Statthalter des dänischen Königs in den Herzogtümern Schleswig und Holstein, Heinrich von Rantzau.

Heinrich von Rantzau, die anni climacterici und die Zueignung des "Commentarius"

Rantzau besaß - geprägt durch sein Wittenberger Studium bei Philipp Melanchthon - eine umfassende humanistische Bildung, förderte mit seinem großen Vermögen die Künste und Wissenschaften und interessierte sich insbesondere für Astrologie: So firmiert er als Autor diverser Astrologica, korrespondiert über astrologische Themen und verfügt über einen reichen Besitz astronomisch-astrologischer Literatur und Instrumente.[5]
In der gedruckten Korrespondenz von Joachim Camerarius d.Ä. ist ein Brief an Rantzau publiziert (dat. 11.05.1572). Mit diesem antwortete Camerarius auf ein (als Kopie erhaltenes) Schreiben Rantzaus vom 11.04.1572, in dem dieser ihn um eine Begründung für die Lehre der anni climacterici bittet.[6] Dieses in der Antike entwickelte Konzept, das unter anderem Firmicus Maternus in der "Mathesis"[7] behandelt, wertet bestimmte Lebensjahre als "kritische Jahre" oder "Stufenjahre", die physische Veränderungen auslösen und damit eine Gefährdung von Gesundheit und Leben bedeuten, gegen die man sich wappnen müsse. Die Festlegung, welches Jahr ein "kritisches" ist, erfolgt auf Basis der Zahlen 7 und 9: Bei der sogenannten Siebenerreihe (anni hebdomadici) wir als erstes Stufenjahr das siebte angesetzt (7 x 1), gefolgt von den Jahren, die das Produkt der Folgezahlen mit 7 sind; als besonders gefährlich wird das 63. Jahr (7 x 9) angesehen sowie das 49. (7 x 7) und das 56. (7 x 8), bei dem System der Neunerreihe (anni enneatici/decretorii) auch das 81. (9 x 9).

Joachim Camerarius beantwortet in seinem Brief Rantzaus Anfrage bezüglich der anni climacterici nicht. Vielmehr schreibt er, dass ihm seine momentane physische und psychische Verfassung nicht erlaube, so ausführlich und genau zu antworten, wie es die Sache erfordere; dass er sich mit "jener Frage" aber bereits in einer seiner commentatiuncula beschäftigt habe, die aufgrund anderer drängender Angelegenheiten noch nicht vollendet sei, aber fertiggestellt werden solle.[8] Interessant ist, dass in dem handschriftlichen Originalbrief auf diese Stelle ein (in der gedruckten Version von 1586 getilgter) Passus folgt, in dem Camerarius vom Wesen astrologischer Vorhersagen handelt[9] und noch einmal auf die erhoffte "Ausarbeitung des Werkes" (elaboratio operis) verweist, so dass Rantzau dann "alles" in angemessener Ausführlichkeit erhalten werde.[10]

Auf die Anfrage Rantzaus an seinen Vater rekurriert Ludwig Camerarius in seiner Widmung des "Commentarius" an den Adligen[11] und vermerkt mit Hinweis darauf, dass das vorliegende Werk auf Anregung, ja sogar Drängen Rantzaus entstanden sei,[12] und dass sein Vater trotz widrigster Umstände (Krankheit, Tod seiner Frau) über die anni climacterici reflektiert und niedergeschrieben habe, was man jetzt im "Commentarius" vorfinde.[13] Die anderen Divinationsarten seien als auctarium beigegeben, um die Schrift zu erweitern und sich Rantzaus Interesse an der Sache gefällig zu zeigen: Ut autem plenius hoc scriptum fieret, & tuae cupiditati luculentius gratificaretur, atque inserviret, quasi auctarium hoc addidit, quod de ceteris divinationib(us) adiunctum vides, ne nudi ad te climacteres tui venirent.[14] Dennoch wären auch die anni climacterici allein ein legitimer Gegenstand gelehrten Interesses.[15] Diese Ausführungen Ludwigs erstaunen, da der Passus zu den anni climacterici im "Commentarius" gerade einmal vier Seiten (von insgesamt 154) einnimmt. Er scheint die Widmung mit der Anknüpfung an den lange zurückliegenden Brief zum einen für eine Kontaktaufnahme mit Rantzau nutzen[16] und zum anderen die Behandlung des nicht 'ungefährlichen' Divinationsthemas[17] dem bekundeten Interesse und der Inititative des Statthalters überantworten zu wollen.

Tatsächlich erscheint im selben Jahr wie der "Commentarius" der von Detlev Sylvius herausgegebene "De conservanda valetudine liber" Rantzaus, in dem dieser auch den anni climacterici ein Kapitel widmet.[18] Darin betont Rantzau, dass die Beachtung der kritischen Jahre nichts mit Aberglauben zu tun habe, sondern auf usus & experientia fuße.[19] Er beginnt mit dem 7er-Schema und dem Hinweis auf die Regentschaft Saturns, nennt aber auch das 4er- und 9er-Schema sowie einige astrologische Details und empfiehlt bei dem Zusammentreffen eines kritischen Jahres mit Krankheitsvorzeichen das Gebet zu Gott, die Konsultation eines guten Astrologen und Arztes, Besonnenheit bei allen Taten sowie Maßhalten in der Ernährung.[20]

Es ist gut vorstellbar, dass Rantzau für dieses Konvolut 1572 die Anfrage an Camerarius gerichtet hat. Da Sylvius den handschriftlichen Text spätestens 1573 gesehen haben muss (aus diesem Jahr datiert die Widmung an die Rantzau-Söhne), war Ludwig Camerarius mit der Herausgabe des "Commentarius", den ihm die drei Nachlassverwalter zugestanden hatten,[21] und der darin enthaltenen Information zu den anni climacterici dann allerdings etwas zu spät. Ebenfalls 1576 veröffentlicht Rantzau erstmals seinen mehrfach nachgedruckten "Catalogus imperatorum", in dem die Diskussion der anni climacterici (mit einer Sammlung zur Bedeutung der Zahl 7, einem Katalog prominenter Todesfälle in den kritischen Jahren und anderen Zusammenstellungen) breiten Raum einnimmt.[22]

Anders als Rantzau ordnet Camerarius nun die anni climacterici im "Commentarius" den divinatorischen Verfahren zu, quae forte, temere, casu eveniunt,[23] also durch reinen Zufall zustandekommen und "unermesslichen Aberglauben und lächerliche Nichtigkeit"[24] aufweisen: His, nisi fallor, apponi poterunt annorum numeri, afferentes eventum aliquem singularem & magni momenti, quemadmodum astrologi deprehendisse existimantur. Ea tempora Graeci κλιμακτήρων vocabulo indicant.[25] Interessant ist freilich, dass Camerarius trotz der Hinterfragung dieses Konzeptes Ende 1561 an Hieronymus Baumgartner schrieb,[26] dass er im kommenden Jahr (1562) mit großen Schwierigkeiten rechne, da sich sein πρεσβυτικὸς κλημακτήρ (scil. sein 63. Lebensjahr) nähere.

Die Klasse der τυχηρά und die Geomantie

Im "Commentarius" jedenfalls zählt Camerarius zu den τυχηρά[27] neben der Lehre von den Kritischen Jahren Verfahren wie die Geomantie,[28] Losorakel, Weissagung aus Zahlenwerten von Wörtern, die Bestimmung von Glücks- und Unglückstagen sowie zahlreiche "Beispiele gemeinen Aberglaubens".[29]

Bei der Geomantie werden auf Basis von ungezählt gesetzten Punkten nach bestimmten Regeln Figuren gebildet, die auf jeweils eine bestimmte Frage eine Antwort geben. Die Methode wurde meist benutzt, um bereits vorhandene Einschätzungen gegenzuprüfen oder um neue Informationen zu einem erfragten Sachverhalt zu gewinnen.

Das Grundverfahren gestaltet sich wie folgt: Auf einem Blatt wird zunächst die betreffende Frage notiert, darunter wird eine beliebige Anzahl von Punkten von rechts nach links auf insgesamt 16 Linien verteilt. Im Anschluss wird eine gerade Anzahl Punkte pro Linie mit 2 Punkten, eine ungerade mit 1 Punkt markiert. Je vier Markierungen werden zu einer Figur ("Mutter") zusammengefasst. Diese 4 "Mütter" werden wiederum von rechts nach links nebeneinander geschrieben. Die so erhaltenen neuen 4 waagerechten Punktreihen (die "Häupter", "Schultern", "Unterleiber" und "Füße") ergeben die sog. "Töchter", aus "Müttern" und "Töchtern" werden 4 "Enkel", daraus je 2 "Zeugen" und 2 "Richter" gewonnen, insgesamt ergeben sich also 16 Figuren mit eigenen Namen. Die Figuren können nun mit Planeten und Tierkreiszeichen auf ein 12-Häuser-Thema ("geomantischer Spiegel") verteilt werden, wobei die "Zeugen" und "Richter" in das von den Häusern umgebene mittlere Quadrat geschrieben werden. Die Auslegung erfolgt dann nach bestimmten Tabellen. Oder man liest – eine einfachere Variante – die Bedeutung der Figuren ohne Thema aus sog. 'Orakelbüchern' ab.[30]

Ein berühmter Anhänger der Geomantie war Kurfürst August von Sachsen.[31] Von seiner Hand sind einige "Punktierbücher" erhalten, in denen er sich mit selbst erstellten Prognosen Fragen aus allen möglichen Bereichen (Religionspolitik bis Jagderfolge) und zu diversen (befreundeten, unbeliebten oder verdächtigen) Personen beantwortete bzw. vorgefasste Meinungen bestätigte. Sie sind in der SLUB Dresden als Teil einer größeren Sammlung geomantischer Handschriften aus dem kurfürstlichen Nachlass erhalten.[32] Die zahlreichen Fragen und Antworten gewähren erhellende Einblicke in die Verfasstheit des Fürsten, insbesondere sein Misstrauen gegenüber der Integrität bestimmter Personen und seine Angst vor kryptocalvinistischen Konspirationen.[33] Bereits 1574 hatte August seinen ehemaligen Leibarzt und Vertrauten Caspar Peucer wegen des Verdachtes des Kryptocalvinismus mit dessen Familie auf Schloss Rochlitz inhaftieren lassen, von 1576-1586 folgte eine Einzelhaft auf der Leipziger Pleißenburg.[34] In zwei Anfragen, die im Punktierbuch von 1576 erhalten sind, versucht der Kurfürst zu eruieren, ob und wie Andreas Freyhub, gegen den am 25.05.1576 wegen desselben Verdachtes Haftbefehl erlassen wurde, Kontakt mit dem inhaftierten Peucer hatte.[35]

Caspar Peucer nun hatte in seiner umfangreichen, 1553 erstmals erschienenen und mehrfach aufgelegten Divinationsenzyklopädie die Mantik in erlaubte (da von Gott kommende und gut gegründete) und unerlaubte (da teuflische und abergläubische) Praktiken geschieden und dies mit einer ausgefeilten Teufels- und Dämonenlehre verbunden.[36] Eine Ausgabe erschien wie Camerarius' "Commentarius" im Jahr 1576. Die Geomantie ordnet Peucer aufgrund des Fehlens einer physikalischen oder göttlichen Ursache den Verfahren unerlaubter Divination und hier der Gruppe der sortes zu. Er kennt das Verfahren und beschreibt es en detail, fügt aber sogleich eine demonstratio Geomanticae vanitatis an.[37]

Weitere Divinationsklassen im "Commentarius"

Camerarius' "Commentarius", der anders als der Peucers keinen theologischen Überbau aufweist, nennt außer der genannten Klasse der auf Zufall basierenden Divinationsarten noch vier weitere Kategorien.[38] Diese umfassen:

(1) Alle Arten paganer Orakel und Weissagungen, die durch mania ausgelöst werden.[39] Diese mania resultiere aus einer die menschliche Natur übersteigenden Gewalt (absque altera quapiam maiore & potentiore agitatione, 17), die von dem Medium Besitz ergreife und es steuere. Eine gewisse Prädisposition der prophezeienden Akteure und/oder die Wirkung von physikalischen Einflüssen auf sie (etwa durch Gase) tragen zu dieser Art von Divination bei; sie sei jedoch nicht aus diesen natürlichen Ursachen allein erklärbar, sondern immer nur durch das intentionale Wirken einer "Macht von außen".[40]
Zu diesen und den folgenden - auf die Kurzcharakterisierung einzelner Orakelstätten bzw. Medien ausgerichteten - Ausführungen dazugelesen werden können die zahlreichen griechischen Orakelsprüche und Prophezeiungen, mit denen Camerarius seine Epigrammsammlung von 1538 eröffnet hatte ("Χρησμοί", 6-35). Auf diese Ausgabe verweist er explizit im "Commentarius": Collegimus autem aliquando oracula versuum, quae passim in Graecis scriptis reperissem, eaque sunt edita cum aliis quibusdam diversi argumenti epigrammatibus, & res si tulerit denuo edentur (20f.). Den Abschluss der "Χρησμοί" bildet eine Reihe von oracula Sibyllina über das Wesen Gottes, die in den berühmten prophetischen Versen der erythräischen Sibylle über Geburt und Wiederkunft Christi und das Endgericht kulminieren (mit Akrostichon Ἱησοῦς Χρειστός θεοῦ υἱός σωτήρ σταυρός).[41] Eine (zweigeteilte) lateinische Übersetzung der akrostichischen Prophezeiung findet sich mit Übertragungen anderer griechischer Epigramme im letzten Abschnitt der Sammlung ("Conversiones Ioachimi Camerarii", 143-159).[42]
Über die Sibyllen berichtet Camerarius auf Basis antiker Quellen auch im "Commentarius".[43] Die überlieferten "Versus Sibyllini" führt er aber nicht auf Prophezeiung qua Inspiration zurück, sondern erklärt sie als gelehrte literarische Konstrukte: De Sibyllinis versibus res evidens est, non tam vaticinando quam ingenii acumine atque solertia, talia carmina plurima composita atque divulgata fuisse ab eruditis & doctis quibusdam, Sibyllarum nomine, 31f.).[44]

(2) Formen der Mantik, die - angeführt von der → Astrologie als praeclarissima ars [45] - auf einem wissenschaftlichen Deutungssystem beruhen, das die auf eine höhere Wirkursache zurückzuführenden natürlichen Ursachen bzw. Zeichen systematisch betrachtet und so zu wahrscheinlichen Aussagen kommen kann.[46] Hierzu zählt Camerarius die Auslegung von auffälligen Wetter- und Himmelserscheinungen wie etwa → Kometen, meteorologische und andere Prognosen aus der Beobachtung von Naturzeichen, ↓ Traumdeutung,[47] die Physiognomik mit Stirn- und ↓ Handlesen[48] sowie das Auslegen von Zeichen am Körper[49].

(3) Die (unsicheren) Deutungen von außernatürlichen Erscheinungen (de signis aliquibus extraneis coniecturae, 6) wie Augurien, Auspizien, Eingeweideschau, Deutung von monstra und anderen ungewöhnlichen Phänomenen, Lauten oder Bewegungen.[50] Der Unterschied zu den ebenfalls auf coniectura beruhenden Praktiken der 2. Gruppe ist, dass die zu deutenden Phänomene dort stärker aus natürlichen Ursachen entstünden (Etsi autem quae in secundo genere recensuimus, & ipsa coniectura explicantur, magis tamen ea de naturalibus causis procedere, aut naturali instrui & adiuvari ratione, quam ista videntur, & ideo superari posse duximus, 59f.). Dies ist keine trennscharfe Unterscheidung und Camerarius räumt sogleich ein, dass er niemandem einen Vorwurf mache, der insbesondere die aruspicina der 2. Gruppe zuordne.[51]

(4) Alle als impia vanitas[52] deklarierten Formen magischer Praktiken (↓ Magie) wie die Anwendung von Zaubersprüchen und -handlungen oder Nekromantie, das Hervorrufen von Illusionen, Herstellung und Gebrauch magischer Gegenstände oder Weissagungen aus verschiedenen Medien wie die Hydromantie, Kristallomantie oder Katoptromantie.[53]

Anders als Caspar Peucer verzichtet Camerarius auf eine Verbindung einzelner Verfahren mit Teufel und Dämonen und überlässt es dem Leser, über die Ursachen und die Verursachenden 'abergläubischer' Praktiken zu entscheiden.[54] Eine ausführliche Dämonenlehre wie bei Peucer fehlt; lediglich am Schluss des Werkes streift Camerarius kurz die antike Lehre der spiritus/δαιμόνια (↓ Magische Verfahren und praestigiae im "Commentarius").[55] Wie sein Sohn Ludwig in der Widmung an Rantzau bemerkt, fehlte dem Werk die summa manus, da sein Vater vor Vollendung des Werkes starb;[56] ansonsten hätte er der Schrift sicherlich seine (durch Alter und Erfahrung ausgereiften) Überlegungen zu den Wirkursachen und zur Dämonologie vorangestellt, für die auch Ludwig unverhohlenes Interesse hegte.[57] Ob Camerarius dies intendierte oder ob er die Dämonenlehre nicht bereits mit seinem ausführlichen Proöm zu den Übersetzungen der beiden Orakelschriften Plutarchs (1565, ↓ Magie, Hexen- und Dämonenlehre im Proöm von "De natura et effectionibus daemonum") abgehandelt sah, muss offen bleiben.[58] Der "Commentarius" zeigt sich jedenfalls als fast ausschließlich auf antike (selten auch byzantinische) Quellen fokussiertes, kompilatorisches Werk, das in erster Linie von Camerarius' Interesse an Terminologie und Etymologie geleitet ist.[59] Genauere Erläuterungen zu den Divinationsmethoden gibt es nicht; diese werden, so Ludwig Camerarius, vielen Lesern fehlen, aber dies sei eben "fruchtlose Vielwisserei", die zu Neugierde und unerlaubter Ausübung etwa der verbotenen Magie führe.[60] Recht treffend bezeichnet er die Schrift als γραμματικώτερα tractatio[61] und auch der Titel hatte diesen spezifischen Zuschnitt vorweggenommen ("Commentarius de generibus divinationum, ac Graecis Latinisque earum vocabulis"). Die Einteilung in die 5 Divinationsklassen, die nach den Graden "mehr oder weniger nah an einer systematischen ars" und "mehr oder weniger Bezug auf naturales causae" vorgenommen wird, erscheint dem terminologisch-philologischen Interesse nachgeordnet, nicht trennscharf und etwas beliebig.

(Marion Gindhart)

Traumdeutung und Chiromantie - Verfahren mit probabilitas?

Im "Commentarius" ordnet Camerarius mantische Verfahren, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu zutreffenden Prognosen kommen, der zweiten Divinationsklasse zu. Diese probabilitas resultiere zum einen aus einem systematischen und durch langjährige Erfahrung gestützten Deutungskonzept, zum anderen aus der grundsätzlichen 'Natürlichkeit' der auszulegenden Phänomene. Neben der Astrologie nennt Camerarius hier unter anderem die Traumdeutung (Oneirokritik) und das Handlesen (Chiromantie). Beide Techniken sind in der Frühen Neuzeit beliebt und werden auch von Humanisten wie Philipp Melanchthon praktiziert, der nicht nur wegen seiner Befürwortung der Astrologie, sondern auch wegen des Publikmachens seiner Träume und der von ihm ausgeübten Chiromantie kritisiert wurde.[62]

Traumdeutung

Bezüglich der Traumdeutung konzentriert sich Camerarius in seiner Divinationsschrift auf die Antike: Er gibt einen Abriss über griechische und lateinische Termini aus dem Wortfeld 'Traum', über Traumeinteilungen und -theorien sowie über antike Zeugnisse zur Traumdeutung und zu literarisch überlieferten Träumen.[63] Auffallenderweise nur en passant wegen ihres Titels erwähnt werden die griechischen "Oneirokritika" Artemidors,[64] das einzig vollständig erhaltenen Traumdeutungsbuch aus der Antike (2. Jh.n.Chr., 5 Bücher), das in der Frühen Neuzeit durch die Übersetzungen in das Lateinische und die Volkssprachen eine beachtliche Rezeption erfuhr.

Artemidors Schrift gibt neben einer Klassifizierung der Traumarten und Überlegungen zur Auslegungsmethodik eine umfangreiche Zusammenstellung von Traummotiven und ihrer begründeten Bedeutung, sowie 95 Beispiele, die erfolgreiche Deutungen belegen sollen.[65] Zusammen mit dem - ebenfalls von Camerarius erwähnten - Traumtraktat des Synesios von Kyrene ("De insomniis", um 404 n.Chr.)[66] werden die "Oneirokritika" 1518 in der Aldinischen Offizin gedruckt und sie erscheinen 1539 erstmals auf Latein in der Übersetzung von Janus Cornarius.[67] In seiner Widmung an die Ärzte Philipp Bucheimer und Johannes Meckbach verteidigt Cornarius die Traumdeutung als nützliche Kunst, die auch fromm von den Christen auszuüben sei, und er unterscheidet die 'wahren', zukunftsweisenden Träume (somnia) von den insomnia, die auf psychische und physische Spannungszustände zurückzuführen und Sache der Ärzte seien. Bereits 1540 folgt eine deutsche Bearbeitung von Artemidors Traumbuch bei Balthasar Beck in Straßburg, die Walther Hermann Ryff auf Basis der Cornarius-Übertragung vornimmt, allerdings mit starken, rezipientenbezogenen Kürzungen (bis hin zur Nicht-Übersetzung ganzer Kapitel(reihen) und des gesamten 5. Buches) und anderen Eingriffen.[68] Eine zweite Auflage wird 1551 bei Becks Erben gedruckt, ein gefälligerer Nachdruck erfolgt bei Samuel Emmel 1554, ab jetzt in zahlreichen Ausgaben und mit fester Beifügung der "Erinnerung Melanchthonis", welche eine Einteilung der Träume in vier Kategorien gibt: (1) 'natürliche' Träume, die aus (beruflichen) Beschäftigungen tagsüber ('Tagesreste') oder aus physiologischen Dispositionen resultieren und keine divinatorische Bedeutung besitzen; (2) mantische Träume, die bestimmte Menschen aufgrund einer natürlichen, astral bedingten "Weissagende(n) natur"[69] erhalten, deren Auslegung allerdings schwierig und irrtumsanfällig ist; (3) von Gott gesandte Träume, wie sie im AT belegt sind, die allein eine verlässliche Botschaft offenbaren; (4) vom Teufel verursachte Träume, die Realitäten vorgaukeln, oder zu frevelhaften Taten animieren und Irrtümer befestigen (mit Invektiven gegen die Schwärmer und Wiedertäufer).[70] Es handelt sich hierbei um den ins Deutsche übersetzten und rezipientenorientiert aufbereiteten Absatz "De somniis" aus Melanchthons "Commentarius de anima" (1540).[71] Ab den Ausgaben von 1570 liegen die "Oneirokritika" vollständig in deutscher Übersetzung vor.[72] Artemidors Schrift ist auch eine der Hauptreferenztexte für Girolamo Cardanos enzyklopädischen Systematisierungsversuch, die "Somniorum Synesiorum ... libri IIII" von 1562,[73] die bereits ein Jahr später eine deutsche Übersetzung von Johann Jacob Huggelin erhielten.[74]

Traumberichte und -auslegungen begegnen immer wieder in der Korrespondenz des Camerarius, gerade auch im Briefwechsel mit Melanchthon, der diversen Adressaten von seinen Träumen berichtet.[75] Zu Melanchthons berühmtem Hyänentraum vgl. auch → Naturkunde mit weiterer Literatur. Auf Melanchthons häufige Vorahnung künftiger Ereignisse aufgrund von "eindeutigen und sicheren Traumgesichtern"[76] rekurriert Camerarius in seiner Melanchthonvita (... & visa somniorum evidentia atque certa plerumque per quietem illi oblata ... neque fere divinando hac in parte esse deceptum, 77). Um Träume des Camerarius geht es auch in einem Brief an Daniel Stiebar[77] und in einem Antwortbrief von Helius Eobanus Hessus,[78] mit dem sich Camerarius wohl ebenfalls über Träume ausgetauscht hat.[79] Zum ersten Traummotiv im Stiebar-Brief (Donner) wird eine Auslegung zitiert (Nuncium a tonitruo quod audire in somnis visus sit aliquis exspectandum), auf die dann das griechische Original (ein iambischer Trimeter) folgt: βρονταὶ καθʼ ὕπνου ἀγγέλων εἰσὶν λόγοι.[80] In der Briefsammlung von 1595, die den Brief enthält, ist am Rand als Beleg "E Suida" vermerkt.[81] Das Zitat findet sich tatsächlich in der Suda,[82] in die es über die byzantinische Traumliteratur, respektive die "Oneirokritika" des Astrampsychos interpoliert wurde.[83] Es findet sich ebenfalls in einem griechischen Kataloggedicht, das unter dem Titel "Ὀνειροκριτικά" in Camerarius' Epigrammsammlung von 1538 aufgenommen ist (v. 3). In 84 iambischen Trimetern werden hier Traummotive und ihre Deutungen in je einem Vers und nach thematischen Gruppen (mit alphabetischer Binnenordnung) angeführt. Alle diese Verse sind auch bei Astrampsychos enthalten, dessen Gedicht insgesamt 101 Verse umfasst. Es scheint sich mithin bei dem 1538 von Camerarius edierten Versen um den (nicht ganz vollständigen) Text dieses byzantinischen Traumtexts zu handeln.[84] Die Epigrammsammlung enthält nach den "Ὀνειροκριτικά" noch ein zweites Traumgedicht mit 38 Versen. Die Überschrift ΙΩΑΧΕΙΜΟΥ weist auf die Verfasserschaft des Camerarius, der dieses Kataloggedicht nach dem Modell der byzantinischen Verstraumbücher gestaltet hat.[85] Es beginnt mit einem zur Liste hinleitenden Vers (Καὶ ταῦτα δὴ καθ' ὕπνον οὕτως ἐκδέχου) und endet mit der Gnome μάντις δ' ἄριστος ὅστις εἰκάζει καλῶς.[86] In Form eines Traums gestaltet ist Camerarius' "Querela Luteri" (1553).

Chiromantie

Das Konzept der Chiromantie, die Camerarius mit der Traumdeutung in die zweite Divinationsklasse aufnimmt, beruht auf dem Postulat, dass bestimmte Signaturen des menschlichen Körpers Zeichencharakter besitzen und damit Schlüsse über Charakter und Schicksal der betreffenden Person zulassen.[87] Bereits in der Antike wurde die Chiromantie mit der Astrologie verbunden; Johannes ab Indagine, der eine der einflussreichsten frühneuzeitlichen Anleitungen zur Handlesekunst verfasste ("Introductiones apotelesmaticae elegantes, in Chyromantiam, Physiognomiam, Astrologiam naturalem, Complexiones hominum, Naturas planetarum“, 1522), betont programmatisch und aus eigenem Erleben (einer Augenverletzung) den engen Konnex der Disziplinen Chiromantie und Astrologie: Quo verius hoc comperi quod prius dixi, has artes quadam inter se necessitudine coniunctas, parumque sine alia aliam posse.[88] Der Text ist reich bebildert und visualisiert u.a. auch die Zuweisung der einzelnen Finger und Handflächenbereiche zu den Planeten. Eine deutsche Selbstübersetzung der "Introductiones" erscheint ein Jahr später unter dem Titel "Die kunst der Chiromantzey" (1523); es folgen zahlreiche Nachdrucke der lat. und dt. Ausgabe sowie Übersetzungen in weitere Sprachen. Paul Eber besaß ein Exemplar der lat. Ausgabe Straßburg 1534, das er annnotierte.[89] Äußerst beliebt war auch die etwas ältere Chiromantie des Bologneser Arztes und Astrologen Bartolomeo della Rocca, gen. Cocles ("Chyromantie ac physionomie anastasis", 1504), die ebenfalls in die europäischen Volkssprachen übersetzt wurde.

Im "Commentarius" erzählt Camerarius recht plastisch von einer Handlese-Episode, die er von Willibald Pirckheimer aus Nürnberg erfahren hatte.[90] Von Melanchthon ist bekannt, dass er sich im Handlesen übte: So kündigt er in einem Brief vom 02.12.1541[91] in Hinblick auf den von Camerarius geplanten Erwerb einer Immobilie in Leipzig an, er werde ihm die Linie in Annas Hand zeigen, die auf den Kauf eines eigenen Hauses hindeutet. In der gedruckten Version des Briefes[92] wird das Handlesen durch eine eigenmächtige Einfügung des Camerarius als Scherz unter Freunden verharmlost (agnoscis iocos nostros). Auch in der Melanchthonbiographie wird Melanchthons Handlesepraxis als Scherz abgetan (Quinetiam per iocum solebat manus adversas aliquorum intueri, & de lineis ibi apparentibus indicare id, quod a quibusque expeti, aut quo delectari illos sciret, 78) und er wird von Camerarius gegen jeden Verdacht, den Aberglauben befördert zu haben, in Schutz genommen.[93] Während auch Peucer die Chiromantie gerade für die medizinische Prognostik befürwortet, hatte Luther sie klar verworfen (man beachte im Folgenden auch die differenzierte Stellung zur Astrologie): Astronomia est improbanda, quatenus praedicit, quid cuique futurum sit; est tamen probanda ut donum Dei, si intra suos fines manet. Chiromantia vero prorsus damnanda est.[94]

(Marion Gindhart)

Magie

Magische Verfahren und praestigiae im "Commentarius" (1576)

Magische Verfahren (magica) werden von Camerarius als 4. Divinationsklasse im "Commentarius" abgehandelt.[95] Dabei haben nicht alle berücksichtigten Praktiken ausschließlich mit Mantik zu tun (Quo genere non solum compraehenduntur superstitiones quaedam divinationum, sed aliae quoque effectiones admirabiles, quae non esse virium humanarum opera videntur, 103). Insofern liest sich der Überblick zu Beginn des "Commentarius" wie ein griechisch-lateinisches Magieglossar in nuce. Dort werden (mit starker terminologischer Ausrichtung) als magica genannt: ἐπῳδαί (carmina superstitiosa: Zaubersprüche, mit denen Personen und Objekte belegt werden); γοητείαι (praestigiae: (magische) Illusionen, die die Wahrnehmung täuschen);[96] sacra arcana wie die Einweihung in Mysterien (τελεταί, initia sacrorum); Nekyomantie/Nekromantie (auch Psychomantie), also die Beschwörung und Befragung der Seelen von Verstorbenen; Verwendung magischer Zeichen und Gerätschaften; Weissagungen aus diversen Elementen und Objekten (mit griechischen Termini); Beschwörungen (ἐξορκισμοί, adiurationes) sowie magische Figurinen, die nach göttlicher Anweisung hergestellt werden.

Im Kapitel zu den magica finden sich zahlreiche exempla dazu aus antiken Texten, die ein buntes (literarisch geformtes) magisches Panorama entwerfen, und auch Streiflichter zu zeitgenössischen Auffassungen und Zeugnissen von Hexerei: So werden Tränke genannt, die Liebe oder Impotenz herbeiführen sollen (104), oder das Konzept einer - von Camerarius abgelehnten - magia naturalis bzw. einer medicina magica (ebd.).[97] Unter den praestigiae (magische Sinnestäuschungen, die Realitäten vorspiegeln) fasst Camerarius Verwandlungen (μεταμόρφωσεις) ebenso wie Hexenflug und Hexensabbat (ohne diese Ereignisse dezidiert so zu benennen)[98] und auch den Verkehr mit übermenschlichen Wesen (Pertinent & daemoniae praestigiae consuetudinis cum viris & foeminis ..., 112; anders s.u.). Dies scheint sich mit Melanchthons Erklärung der nächtlichen Hexensabbate mit Bankett und Tanz als reine Imaginationen der (vermeintlichen) Hexen zu decken, die durch vom Teufel geschickte Träume hervorgerufen werden.[99] Camerarius führt in diesem Zusammenhang auch aktuelle Berichte über das scheinbare Verschlingen von Personen, Zugtieren und Gespannen an (Videri ab aliquibus non modo homines, sed iumenta quoque & plaustra devorari, 113) sowie einen Vorfall vom Fischmarkt in Bamberg (in mea patria, 113), von dem er durch zuverlässige Personen erfahren habe: Dort habe ein Mann beim Fischkauf angeblich bemerkt, dass er seine Geldbörse zu Hause vergessen habe, habe der Verkäuferin seinen Kopf als Pfand hinterlassen und sich als Rumpf entfernt. Die Verkäuferin habe erschrocken verlangt, er solle Fische und Kopf mit sich nehmen.[100] Auch berichtet er von einem magischen Schutz vor Geschossen aus Handfeuerwaffen und zwar cum devorando massulas panesve consecratos, tum aliquid incantando (118) und davon, dass er selbst einen apparatus magicus mit magischen Zeichen gesehen habe (Magicum huius generis apparatum nos quoque vidimus, in ea, quam appellant stolam, itemque in carcere & tripode, 123); ebenso, dass Katoptromantie und Kristallomantie auch jetzt noch Konjunktur hätten und zu erstaunlichen Ergebnissen führten,[101] und dass auch Nekyomantie an Gräbern noch ausgeübt werde (131).

Die Magie und ihre Praktiken werden von Camerarius als impia vanitas[102] abgelehnt, auch wenn sie eine diachrone kulturelle Universalie darstellen (Res enim tota inprimis nugatoria atque futilis est, quamvis ubique gentium locorumque & omnibus temporibus usitata, 125) und er sich von den Ergebnissen etwa der Kristallomantie doch positiv überrascht zeigt.[103] Zum Wesen und Wirken der Dämonen äußert er sich im "Commentarius" nur kurz: Er rekurriert auf die antike Lehre von den spiritus/δαιμόνια (151), die unkörperlich (sine mole corporis, & compagine membrorum, 151) und böse seien und Böses verursachen könnten (151f.).[104] Dabei seien sie weit von der göttlichen Vortrefflichkeit zu trennen, auch wenn sie Dinge bewirkten, die den menschlichen Geist übersteigen (152): ... ista daemonia longe sunt a divinitatis excellentia separanda quamvis ab ipsis res superantes naturae humanae captum efficiantur.

(Marion Gindhart)

Magie, Hexen- und Dämonenlehre im Proöm von "De natura et effectionibus daemonum" (1565)

Weit ausführlicher zur Dämonologie und deutlich anders zur Hexenlehre äußerte sich Camerarius im Proöm eines früheren, undatierten Drucks (anzusetzen auf 1565/1566)[105] mit dem Titel "De natura et effectionibus daemonum". Mit der Wahl des Titels dürfte der geschäftstüchtige Leipziger Drucker Ernst Vögelin auf das zeitgenössische Interesse an der Dämonologie reagiert haben.[106] Subsumiert sind darunter kommentierte lateinische Übersetzungen von zwei Schriften Plutarchs: "De defectu oraculorum" in der Übertragung durch Adrien Turnèbe (Erstdruck 1556), von der Camerarius erfuhr, als er selbst das Werk zu übersetzen begonnen hatte, und "De E apud Delphos", das Camerarius vollständig übersetzte und kommentierte und zusammen mit einer Neuauflage der Turnèbe-Übersetzung und dem erwähnten Proöm herausgab.[107]

Camerarius' Thesen im Zeichen von Hexenprozessen und Hexenliteratur

Die undatierte, lange Vorrede (51 Seiten) ist in Form eines Briefes an den Frankfurter Juraprofessor Adrian Albinus (1513-1590) gerichtet,[108] die mit großer Wahrscheinlichkeit auf 1565 datiert werden kann.[109] Albinus, seit 1543 an der Viadrina tätig, Kanzler der Neumark und seit 1545 Rat Johanns von Brandenburg-Küstrin, hatte Camerarius (frühestens Mitte/Ende Mai, s.u.) 1565 auf der Hin- und Rückreise nach und von Speyer in Leipzig besucht.[110] Beim ersten Aufenthalt, so Camerarius, hätten Albinus' Erzählungen (narrationes) bei ihm cognitiones mirabiles ausgelöst, über die sich beide wiederum beim zweiten Besuch auf der Rückreise austauschten.[111] Bei den von Albinus berichteten Ereignissen dürfte es sich, wie Michael Fontaine plausibel macht, (unter anderem) um die zwei Sammelprozesse handeln, die in der ersten Maihälfte 1565 gegen eine Reihe von Frauen aus Perleberg in der Prignitz (im Nordwesten der von Joachim II. regierten Kurmark Brandenburg) wegen Hexereiverdacht geführt worden waren. Nach ersuchter und erfolgter Rechtsbelehrung durch den Brandenburger Schöffenstuhl wurden alle Angeklagten verurteilt und verbrannt.[112]

Wie Camerarius schreibt, habe er von Albinus erfahren, quid apud vos (i.e. in Brandenburg) compertum prolatumque fuisset, de mulierum quarundam veneficarum horribilibus facinoribus, deque superstitionis incredibili efficacitate ... (A2r/v). Diese Formulierung legt nahe, dass Camerarius die Anklagepunkte (in erster Linie Schadenszauber) und damit die verderbliche Macht von 'Hexen' sowie den (in einem anderen Verfahren 'gestandenen') Flug auf den weit entfernten Blocksberg und die dortigen Praktiken als erwiesen ansieht. Konkret ging es dabei auch um sexuellen Umgang der Dämonen, der anderen verborgen, aber für "jene unglückseligen Frauen selbst" offenkundig Realität war (de consuetudine spirituum quadam occulta caeteris, ipsis illis infelicibus mulieribus manifesta, A2v). Diesbezüglich kommentiert Camerarius, dass es dies zu anderen Zeiten an anderen Orten auch gegeben habe und ebenfalls scharf geahndet wurde (ebd.). Als Quellen verweist er namentlich auf die zeitgenössischen Manifeste, die für die Realität von Hexen (und ihrem Umgang mit Dämonen) und für deren Verfolgung argumentieren (ebd.): den "Malleus maleficarum" (Erstdruck 1486, zahlreiche Neuauflagen bis 1669, ab Ende des 16. Jh. in Sammelausgaben mit anderen dämonologischen Traktaten)[113] und Giovanni Francesco Picos Dialog "Strix" (1532), dessen Lektüre vor dem Einschlafen ihm einmal (aliquando) eine "schwere Nacht" beschert habe (ebd.).[114] Nach dem zweiten Besuch und Gespräch habe er sich noch einmal gründlich mit der Thematik beschäftigt und de tota re nachgeforscht.

Ein Kessel Magisches

Die Essenz präsentiert Camerarius auf den folgenden 45 Seiten. Hauptreferenzpunkt ist - wie zu erwarten - die antike Literatur, doch werden ebenfalls Zeugnisse zu zeitgenössischen magischen Praktiken (vor allem Berichte vertrauenswürdiger Dritter, aber auch eigene Erfahrung) angeführt und teilweise ausführlich erzählt. Die Struktur ist dabei wenig stringent und erscheint eher additiv-assoziativ mit einigen Abundanzen. Herauszustellen sind folgende Punkte, die Rückschlüsse auf das Verhältnis des Camerarius zur Magie, zum Hexenwesen und zur Dämonologie ziehen lassen:

Unzweifelhaft ist für ihn, dass bei magisch-mantischen Verfahren auf die Hilfe von Dämonen zurückgegriffen werde;[115] auch dass es eine externa aliqua malefica vis (A7r) gebe, welche die Menschen verblende und zu Greueltaten führe. Als diachrone Universalie, die auch von heutiger Erfahrung bestätigt werde und hinlänglich erwiesen sei, akzeptiert er ein Agieren der Seelen nach dem Tod, etwa als Medien in der Nekromantie oder als Geistererscheinungen (A7v-B1v).[116] Auch bestätigt er die Wirkung bestimmter Sigillen (sigilla), deren Wirkung auf den (durch sie bezeichneten und in ihnen manifesten) siderischen Wirkkräften beruhe, zumal er ein erklärter Befürworter der Astrologie sei.[117] Und er beschreibt in extenso die divinatorische Potenz einer Kristallkugel, die einem Nürnberger Bürger von einem fremden Übernachtungsgast geschenkt und von Lazarus Spengler zerschlagen und mitsamt Seidenfutteral in der Latrine versenkt wurde (B5r-B6r).

Was Albinus (von den Hexen) berichte, sei nicht neu und seit Urzeiten bekannt.[118] Er selbst könne die Geschichte einer "Milchhexe" beisteuern, die er als Kind von einem Bekannten der Eltern gehört habe.[119] In der Antike habe man solche Frauen als sagae bezeichnet[120] und der hebräischen Bezeichnung liege ein ähnliches Konzept zugrunde wie der deutschen (scil. weise Frau?): Et Hebraicum nomen talium habere significationem scientiae atque cognitionis perhibetur, quale in nostrati quoque sermone eis tribuitur. Sunt autem superstitiosae inprimis, & praedicens futura, & conciliantes secundos eventus, adversos averruncantes (B6v). Während früher Opfer und Blut für die magischen Handlungen gebraucht wurden, gäbe es jetzt andere Methoden, um sich die Dämonen dienstbar zu machen (ebd.). Camerarius selbst habe gebräuchliches magisches Gerät (apparatus magicus: vincula, carcer, tripus) gesehen (B7r), auch berichtet er von der Praxis der magi, böse Geister zu bannen (mit Zeichen und Figuren) oder sie durch ein gezücktes Objekt mit scharfer Klinge in Schach zu halten (ebd.). Die Taten und Fähigkeiten der Hexen, Hexenflug und Teilnahme am Hexensabbat inklusive Unzucht mit den Dämonen werden referiert, jedoch den Hexen (in Rekurs auf Verhörprotokolle/Urgichten?) in den Mund gelegt;[121] allerdings folgt gleich darauf ein Beleg in Form einer Geschichte, die von einem heimlich beobachteten Hexenbankett und der anschließenden Überführung beteiligter Frauen und deren Geständnissen berichtet.[122] Camerarius selbst kenne auch einen Platz vor einer nicht genannten Stadt mit einem großen, dichten, aber dürren Baum, auf dem - laut Geständnissen - ein Hexentreffen stattgefunden haben soll (B8v). Er berichtet von Hexen, die sich in Tiere (vor allem Katzen, feles) verwandeln könnten und bei einer Verstümmelung nach der Rückverwandlung dieselbe Verstümmelung aufwiesen, und von anderen wundersamen Dingen (Gespräche mit weit entfernten Personen, Geräusche ohne ersichtliche Verursacher, sprechender Ring des Mailänder Kanzlers Girolamo Morone (gest. 1529, Vater des Kardinals Giovanni Gerolamo Morone)[123] oder Heinzelmännchen).

In der Natur gebe es viel Wundersames (multa mirabilia, C1r), aber auch vieles, das außernatürlich entstehe (ebd.). Über das, was Macht ausübe, um den cursus naturae zu ändern, könne der menschliche Verstand die Wahrheit nie herausfinden (C2v). Dem allmächtigen Gott seien gute Geister allzeit zu Diensten, er erlaube aber auch den Dämonen, den spiritus mali, gegen seine Schöpfung in gewissem Rahmen vorzugehen: … permittente autem & concedente eo, mali spiritus multifariam exagitent, labefactent, convellant, destruant, laedant, perdant certa atque condita ab ipso. Quorum tamen conatus longius progredi nequeunt, quam patiatur Deus aeternus (C2v); zuweilen lockere er ihre Ketten und lasse ihnen freien Lauf (ebd.). Auch könne ein mit Magie herbeigeführtes Verderben von einem zum anderen überspringen, wie die Geschichte eines manipulierten jüdischen Schadenszaubers zeige.[124] Auch wenn die Dämonen nicht körperlich seien, können sie trotzdem eine Gestalt annehmen,[125] was die Schriften der Hebräer, die höchste Verlässlichkeit besitzen, belegen. Auch diese berichten von guten Geistern (nuntii), die Gottes Willen gehorchen, und bösen Geistern, den "gefallenen Engeln", denen ewige Verdammnis im Abyss droht; ihr Anführer ist Satan. Beide haben Macht nach Belieben Gottes und sie können unsichtbar oder sichtbar wirken (C3v-C4r).
Die Dämonen waren bis zur Erlösungstat Jesu sehr mächtig gegenüber den Menschen (gerade auch in den Täuschungen) und wurden als Götter betrachtet, mit deren Umgang sich die Sterblichen rühmten (C4v). Auch gegen Jesus setzten sie alles ins Werk und waren Grund für seinen Tod – mit seiner Auferstehung wurde ihnen die Macht genommen (C5r). Trotzdem sei diese noch wahrnehmbar und jeder Umgang mit ihnen sei schädlich – für sich selbst wie für andere. Das Wirken von Dämonen könne man leicht an der Obsession von Hexen und Zauberern, an den Qualen der von bösen Geistern Besessenen sowie am Zwang der Seelen zum Bösen feststellen (C6r). Fakt ist: Die Dämonen sind immer Grund für Böses und unheilvoll für die Menschen (Daemonas autem & caussas dare malorum semper, & esse perniciosos hominibus ..., C7r). Je verborgener ihr Tun ist, desto schlimmer. Je nach Neigung und Komplexion werden bestimmte Menschen von den Dämonen zu bestimmten Untaten missbraucht (C7r-C8v, neben Nero und Elagabal auch Erwähnung von Dracula, C8v); dies könne zum Untergang vieler führen, wie etwa der (als bekannt vorausgesetzte) Schiltacher Stadtbrand (10. April 1533, ebd.) zeige.[126] Auch wenn man basierend auf dem gerechten Urteil Gottes (iusto iudicio Dei aeterni, C8v) offen von der Gewalt der Dämonen getroffen werde, die schrecklich und heftig sei, so müsse man umso mehr deren hinterhältige Angänge fürchten, da dadurch der Verstand (mens) unter ihre Kontrolle gerate.

Es scheint also, dass Camerarius unter dem Eindruck rezenter Hexenprozesse und anderer Ereignisse, von denen er im Proöm berichtet, und beeinflusst von der Lektüre einschlägiger Hexenliteratur sowie der (allgemein verbreiteten) Annahme dämonischen Wirkens Mitte der 1560er Jahre eine auch physische Interaktion zwischen Teufel/Dämonen und Menschen mit entsprechend verderblichen Folgen für möglich hält. Tatsächlich stützt und akzeptiert er alle Elemente des "kumulativen Hexereibegriffs"[127]: Teufelspakt, Schadenszauber und Hexensabbat.

Camerarius als Autorität in der Hexenliteratur des späten 16. Jahrhunderts

"De natura et effectionibus daemonum" erscheint mit allen ursprünglichen Textbestandteilen, darunter auch das Proöm, erneut bei Ernst Vögelin im Jahr 1576 und damit zeitgleich mit Camerarius' "Commentarius de generibus divinationum", der postum in derselben Offizin gedruckt wird. Im "Commentarius" scheint Camerarius bezüglich des Hexenwesens – anders als im Proöm – der Linie Melanchthons zu folgen, da er hier vorgebliche Ereignisse wie Hexenflug oder Hexenbankett auf vom Teufel hervorgerufene Imaginationen im Schlaf zurückführt (↑ Magische Verfahren und praestigiae im "Commentarius" (1576)).

Interessant ist, dass nun gerade das Proöm eine eigene Text- und Rezeptionsgeschichte entwickelt hat und zwar im Kontext der Hexenliteratur: So erscheint es 1581 mit anderen Hexenschriften als Beidruck zum "Flagellum haereticorum fascinariorum" des Dominikaners und Inquisitors Nicolas Jacquier, das die physische Realität einer Begegnung von Dämonen und Menschen postulierte.[128] Zusammengestellt und herausgegeben wurde dieser Band durch den Frankfurter Karmeliter Johannes Myntzenberg, der im Vorwort die Wiederentdeckung der 1458 entstandenen und handschriftlich kursierenden Schrift Jacquiers als Gottesgeschenk feiert und sie in Frankfurt bei Nikolaus Basse mit anderen 'verwandten' Schriften von Schreiberfehlern befreit in den Druck gibt (Adiunximus autem propter argumenti similitudinem, & alia quaedam lectu non minus iucunda, quam cognitu necessaria, scituque utilia scripta ..., *4r). Camerarius' Text wird dabei nicht weiter bewertet, sondern lediglich als Prooemium zu Plutarchs "De defectu oraculorum" spezifiziert (*4v). Seine Aufnahme in diese spezielle Kollektion ist freilich bezeichnend, wird dadurch doch der Humanist Camerarius als Autorität für einen als real gedachten Umgang von Hexen und Dämonen aufgerufen - und als solcher auch in nachfolgenden Hexentraktaten benannt. Stellvertretend angeführt seien hier - ebenfalls bei Basse gedruckt - Johann Georg Gödelmanns Schrift "De magis, veneficis et lamiis recte cognoscendis et puniendis, libri tres" (1591, VD16 G 2486, vgl. auch VD16 G 2487) und die von Georg Nigrinus besorgte volkssprachige Fassung "Von Za*eberern Hexen vnd Vnholden/ Warhafftiger ... Bericht ... wie dieselbigen zuerkennen vnd zu straffen" (1592, VD 16 G 2488).[129] Hier wird bei der Diskussion des Hexenfluges und Hexenbankettes explizit auf den "aller gelehrste(n) Plato vnsers Teutschen Landes/ Joachimus Camerarius" (Gödelmann/Nigrinus 1592, 198) und andere Gelehrte verwiesen, die "bestendiglich (sagen), das solche Dinge Warhafftig geschehen" (ebd., 195).[130] Als Belege werden aus dem Proöm (und zwar unter Beizug der Edition Myntzenbergs)[131] Camerarius' Bekräftigung der Realität der Bankette zitiert sowie der Möglichkeit von Gesprächen mit weit entfernten Personen und der Existenz von Geräuschen ohne sichtbare Agenten (OC 0763, B8v/C1r), ebenso die Geschichte über den Metzger und das Hexenbankett,[132] Camerarius' Hinweis auf den ihm aus Urgichten bekannten Hexenversammlungsplatz und die Verwandlung von Hexen in Tiere, insb. Katzen (ebd., C7v-B8v).[133] Mit Blick auf diese Rezeption und Inanspruchnahme von Camerarius' Äußerungen im Proöm sieht Michael Fontaine ihn nicht zu Unrecht in der Verantwortung, die späteren Hexenverfolgungen in Süddeutschland mit dieser Schrift unterstützt zu haben.[134] Eine ausdrückliche Palinodie der Thesen erfolgte jedenfalls zu Lebzeiten des Humanisten nicht.

(Marion Gindhart)

Anmerkungen

  1. Cic. div. 1,1.
  2. Zur Divination in der Frühen Neuzeit vgl. Bergdolt/Ludwig 2005 passim und darin insb. Ludwig 2005.
  3. Ludwig 2021, 65.
  4. Zum "Commentarius" vgl. Huth 2017.
  5. Dazu grundlegend Oestmann 2004.
  6. OCEp 3253. Schleswig, LASH, Abt. 127.21, Ms. 293 (sog. 'Breitenburger Briefhandschrift'), 35-41, ediert und übersetzt in Oestmann 2004, 164-169. Rantzau hatte sich im Vorfeld bereits mit anderen Gelehrten darüber ausgetauscht (und kennt auch die einschlägigen Stellen aus der antiken Literatur), war aber mit den Erklärungen nicht zufrieden; er befürwortet mit Marsilio Ficino als Kausalursache den Einfluss Saturns auf die Körpersäfte in jedem siebten Jahr, sieht aber Probleme für Jahre, in denen Saturn "manchmal im Laufe der Zeit in einen freundlichen oder gar keinen Aspekt hineinkommt. Und das kann in der Tat keine Gefahren oder Widrigkeiten verursachen" (... tamen processu temporis nonnumquam in amicum vel etiam nullum spectum incidere: quod sane pericula vel adversitates adferre non potest, ebd., 37; Oestmann 2004, 166f.). Rantzau hatte nun Erasmus Kirstein aufgefordert, von Camerarius als "gelehrtestem unter den zeitgenössischen Gelehrten" (qui inter saeculi nostri literatos facile es doctissimus, ebd., 38) eine Erklärung einzuholen. Da Camerarius' Sohn Ludwig damals jedoch auf die schlechte Gesundheit seines Vaters verwiesen habe, frage er nun selbst an, da es – wie er gehört habe - Camerarius wieder besser gehe und dieser auch seinen Unterricht wieder aufgenommen habe (ebd.).
  7. Firm. math. 4, 20.
  8. Et inter alias commentatiunculas nostras, aliquando hanc quoque suscepi in manus perscribendam, sed reliqui, interpellantib(us) occupationib(us) aliis, quemadmodum alia multa, inchoatam, quam cogitabam perficere, si ... tantum ocii concederetur (OCEp 0551).
  9. Camerarius spricht darin u.a. von astrologisch gegründeten Vorhersagen als στοχαστικά, die auf Vermutungen basieren (εἰκαστικὴ θεωρία nach Ptol. Tetr. 1,2,15), vgl. Schleswig, LASH, 127.21, Ms. 293, 45-47, hier: 45f. Der Brief ist ediert in Huth 2017, 256f.
  10. Schleswig, LASH, 127.21, Ms. 293, 46 (... copiose enarrata omnia ad tuam praestantem virtutem ut perferantur sedulo opera a me dabitur).
  11. Camerarius, De generibus divinationum, 1576, A2r-B4r; zur Widmung vgl. Huth 2017, 234-238. Die Ärztebriefdatenbank verzeichnet keine weitere Korrespondenz zwischen Ludwig Camerarius und Rantzau.
  12. Ebd., A7v-A8r (z.B.: ... ii tuae nobilitati gratias debeant, quod te ipsum excitante, atque adeo nomini tui, & autoritatis respectu impellente, haec sint eis ab autore procurata omnia).
  13. Ebd., A8r/v. Der "Commentarius" behandelt die anni climacterici vorgezogen und in recht grundständiger Form auf den Seiten 11-14. Ludwig selbst schreibt dazu ebd., A8v-B1v (mit Rekurs auf das Neunerschema bei Platon).
  14. Ebd., A8v.
  15. Ebd.; Camerarius ordnet sie im "Commentarius" freilich den 'abergläubischen' Praktiken zu. Zur von Ludwig referierten Kritik an der Lehre vgl. ebd., B1r/v.
  16. Ludwig nennt (B3r) die benevolentia Rantzaus gegenüber seinem verstorbenen Vater und gibt seiner Hoffnung Ausdruck, dass er und seine Brüder diesen darin beerben können.
  17. Vgl. ebd., A4r-A5r, insbesondere sei es schwierig zu bestimmen, ob die spiritus und ihre Wirkungen göttlich oder teuflisch sind. Auch hätten einige durch ihre Ausführungen die curiositas der Leser für Dinge geweckt, die diese nicht wissen sollten (A6r), oder, indem sie die divinatorischen Methoden (vordergründig) ablehnten, diese erst vermittelt, insbesondere die Magie (A6r/v).
  18. In der Widmung (dat. 1573) an die beiden ältesten Rantzau-Söhne Frantz und Breide berichtet Sylvius, er habe das von Rantzau ex variis medicorum libris (A2r) für seine Kinder kompilierte Manuskript in dessen Bibliothek auf Schloss Breitenburg entdeckt und beschlossen, es zum allgemeinen Nutzen in den Druck zu geben. Zum Aufbau und den verhandelten Themen vgl. das Inhaltsverzeichnis auf B6r/v; zu den anni climacterici 114-118 (Kapitel 35).
  19. Ebd., 114.
  20. Ebd., 114-118.
  21. Vgl. Camerarius, De generibus divinationum, 1576, B1v; als Verwalter seines literarischen Nachlasses bestimmte Camerarius testamentarisch seine Söhne Joachim und Philipp sowie seinen Schwiegersohn Esrom Rüdinger.
  22. In der eingesehenen Ausgabe Leipzig 1584 insb. 225-371 und 408-450; vgl. zu dem Konvolut Oestmann 2004, 44f.
  23. Vgl. zu dieser fünften Klasse OC 0911, 10-15 und 132-150 (das Zitat 10) sowie Huth 2017, 252.
  24. Camerarius spricht von superstitio infinita und vanitas alicubi ridicula (OC 0911, 133).
  25. Ebd., 11; ebd., 11-14 mit Erläuterung des Terminus und des Konzeptes (7er- und 9er-Schema, mit antiken Quellen) sowie der astrologischen Verwendung des Begriffes, etwa für alle kritischen Anzeichen im Geburtshoroskop. In der späteren Behandlung der fünften Klasse findet sich bezüglich der anni climacterici lediglich ein Verweis auf den obigen Abschnitt (ebd., 132).
  26. OCEp 0714, dat. 18.12.1561.
  27. OC 0911, 11.
  28. Ebd., 11 und 132f.
  29. Vgl. dazu ebd., 135-150, das Zitat (exempla superstitionum vulgarium) ebd., 135.
  30. Zur Geschichte der Geomantie und der zugrunde liegenden Technik vgl. Fritz Boehm, Art. "Geomantie", in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens 3 (1931), 635-647; als zeitgenössisches Zeugnis vgl. Caspar Peucers "Commentarius de praecipuis divinationum generibus" (in der eingesehenen Auflage von 1572: 220r-224r) mit Wiedergabe der Figuren und ihrer Bezeichnungen, ihrer Zuordnungen zu den vier Triplizitäten, zu den einzelnen Tierkreiszeichen und Planeten (unter Beachtung von pro- und retrograder Bewegung, Erhöhung und Erniedrigung, Phasen u.a.) sowie der Beschreibung der einzelnen Schritte und der Kritik an dem Verfahren (s.u.).
  31. Auch Eobanus Hessus und Georg Sturtz sollen sich gemeinsam in der Geomantie versucht haben, vgl. OCEp 0177 (Camerarius an Hessus, dat. 15.5.1533).
  32. Vgl. Hasse 2000, 228 mit Anm. 73, wo die Handschriften nach Richter 1880, 15 verzeichnet sind. Zur ersten Jahreshälfte 1576 vgl. etwa das Autograph Mscr.Dresd.K.338. Grundlegend zu Augusts "Punktierbüchern" ist Richter 1880, der eine kurze Beschreibung des gebräuchlichsten Verfahrens (ebd., 16) gibt sowie eine breite Auswahl aufschlussreicher Fragen und Antworten (zu diversen, in Ungnade gefallenen Personen wie Andreas Freyhub (dazu auch Hasse 2000, 229-232) und einer Reihe von Potentaten, aber auch zur Teilnahme am Regensburger Reichstag 1576). Für den Zeitraum 1576-1580 sind weit über 1000 "Fragstücke" des Kurfürsten erhalten, doch kann sein Interesse für die Geomantie schon im Jahr 1556 fest gemacht werden (Richter 1880, 18).
  33. Vgl. Hasse 2000, 228-232.
  34. Zum Prozess gegen Peucer und zu dessen "dramatische(r) Eigendynamik" vgl. Hasse 2004, das Zitat 139.
  35. Die geomantische Auskunft war eindeutig: sye habenn mitt eynander fyll heymlicher schellmerey getribenn und zwar durch ihres gleychen leutte ... durch muntlich czuentpitten oder andere heymliche karacteres (Mscr.Dresd.K.338, 29r/v; vgl. Richter 1880, 22f.; Hasse 2000, 231; Hasse 2004, 146f.).
  36. Vgl. Bauer 1999, 382-388 mit Verweis auf das Leitthema, den menschlichen Wunsch nach einer praesensio futurorum, die durch den Sündenfall verdunkelt wurde und als 'Schwachstelle' seitdem vom Teufel mit seinen Betrügereien instrumentalisiert werde; vgl. auch Brosseder 2004, 235-256; Ludwig 2005, 25-34; Huth 2017, 243f. Cicero unterteilt in "De divinatione" die Mantik in natürliche Formen (direkte Wirkung auf ein Medium) und künstliche Formen (Deutung über divinatorische Techniken), Literatur bei Brosseder 2004, 243 Anm. 48. Peucer definiert vier Klassen von Mantik: πνευματική (Inspiration durch Hl. Geist), φυσικὴ ἢ τεχνική (von Gott erlaubte, methodisch gestützte Interpretation von natürlichen Zeichen und Wirkursachen), διαβολική (auf teuflischer agency beruhende Mantik und magische Verfahren), κοινὴ ἢ δημωδή (volkstümliche Vorhersagen). Seine Divinationsenzyklopädie erhielt acht Ausgaben zwischen 1553 und 1607 und war "bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts das Standardwerk im protestantischen Raum" (Ludwig 2005, 36).
  37. Vgl. die eingesehene Ausgabe 1572, 220r-224r. Sein Urteil lautet: Nulla ... prorsus subest ratio, nulla veri species (ebd., 222v). Da weder Gott noch die Engel diese Art von auf Zufall basierender sortitio leiten, komme nur der Teufel in Frage: Reliquum est ergo, ut autor gubernatorque totius divinationis Geomanticae sit Diabolus. hoc monente signa excogitata sunt primum, & accomodata ad harum illarumve rerum designationem praetextu virtutis astrorum (ebd., 224r).
  38. Zum Aufbau der Schrift vgl. die Werkseite und Huth 2017, 238-242; zur Einteilung der divinatorischen Methoden bei Camerarius im Vergleich zu den Klassifikationen von Cicero und Peucer vgl. ebd., 242-254 und 257f.
  39. Vgl. OC 0911, 3f. und 16-33 sowie Huth 2017, 248f.
  40. Vgl. OC 0911, 16-18, das Zitat 18.
  41. Orac.Sib. 8,217-250.
  42. Der erste Teil folgt der Übersetzung, die Augustinus in "De civitate dei" gibt (Orac.Sib. 8,217-243; Aug.civ. 18,23); der zweite Teil, den Augustinus nicht übersetzt (Orac.Sib. 8,244-250), wird von Camerarius übertragen (unter der Überschrift IOACHIMI).
  43. Vgl. insb. OC 0911, 29-32.
  44. Mit Cicero verweist Camerarius auf die Akrostichoi als Beleg für diese These (vgl. Cic.div. 2,112: Hoc scriptoris est, non furentis, adhibentis diligentiam, non insani). Eine Einführung zu den Sibyllen bietet Wolfgang Augustyn, Zur Bildüberlieferung der Sibyllen in Italien zwischen 1450 und 1550, in: Bergdolt/Ludwig 2005, 365-435 (zur erithräischen Sibylle ebd., 381-385). Vgl. auch ders., Die Sibyllen. Zu einem antiken Thema in der Kunst des Mittelalters und der Neuzeit, 2 Bde., Passau 2019.
  45. OC 0911, 34.
  46. Vgl. ebd., 33f. oder auch 42: Durch Erfahrung, genaues Nachforschen und Intellekt sei es möglich, bei diesen Formen der Mantik - analog zur Medizin - Prognosen treffen zu können: Quae facultas στοχαστικὴ vocatur, qualis & Medicinae ars est, & bene qui coniecerit, is vates perhibetur optimus. Zu dieser Gruppe vgl. ebd., 4-6 und 33-59 sowie Huth 2017, 248f.
  47. OC 0911, 45-54
  48. Ebd., 55-57.
  49. Ebd., 57-59.
  50. OC 0911, 6f. und 59-102 sowie Huth 2017, 249-251.
  51. OC 0911, 60.
  52. Ebd., 103.
  53. Ebd., 7-10 und 102-132 sowie Huth 2017, 251f.
  54. OC 0911, 151; vgl. auch Ludwig 2005, 25 Anm. 35. Camerarius schreibt aber fest, dass bei allen genannten Divinationsarten eine Macht vorliegt, die die menschliche Natur und Fähigkeit übersteigt (ebd.).
  55. Ebd., 151f.
  56. Ludwig bemerkt auf B3r, dass der "Commentarius" das vorletzte Werk seines Vaters gewesen sei.
  57. Ebd., A7r/v.
  58. Huth 2017, 236 vertritt die These, dass Camerarius das Proöm und den "Commentarius" wohl "bewusst komplementär gestaltet" hat. Indizien sind für ihn, dass im Proöm eine Schrift über Divination angekündigt werde, Träume (die im "Commentarius" ausführlich behandelt werden) im Proöm ausgespart werden und es kaum Überschneidungen der beiden Schriften gebe.
  59. Zu den terminologischen Interessen und Publikationen von Camerarius vgl. Huth 2017, 240f. und Berrens 2024, insb. 274-276. Die exakte Kenntnis der Bedeutungen von Begriffen und ihre richtige Verwendung sind für Camerarius Grundvoraussetzungen für eine valide Wissensgenese.
  60. Camerarius, De generibus divinationum (Druck), 1576, B2r/v. Zur Gefährlichkeit einer allzu ausführlichen Darstellung dieser Praktiken vgl. ebd., B2v.
  61. Ebd., B2r.
  62. Vgl. etwa MBW - Regesten online, Nr. 1706 (an Camerarius, dat. 09.03.1536).
  63. Camerarius erwähnt (53f.) mit Verweis auf den byzantinischen Historiker Johannes Zonaras ("Epitome historiarum" 13,11,9) hier auch einen Traum Iulians, in dem eine strahlende Erscheinung astrologice den Todeszeitpunkt von Kaiser Constantius II. in vier griechischen Hexametern prophezeit (so bereits Ammianus Marcellinus in den "Res gestae" 21,2,2; vgl. Gregor Weber, Kaiser, Träume und Visionen in Prinzipat und Spätantike, Stuttgart 2000, 220-222 mit Lit.). Die griechischen Verse wurden von Hieronymus Wolf ins Lateinische übersetzt (beide Versionen finden sich im "Commentarius") und der astrologisch benannte Termin von Johann Hommel, Mathematiker und Schwiegersohn von Camerarius (gest. 1562) more Ptolemaico mit dem Ende des Monats Athyr im 1108. Jahr der Ära Nabonassars angegeben (Ptolemaios datiert ausgehend vom Regierungsantritt N.'s, berechnet auf den 26.02.747 v.Chr.). Camerarius löst dies mit dem 20.11.360 auf (tatsächliches Sterbedatum: 03.11.361).
    Als Einführung zur antiken Traumdeutung vgl. Beat Näf, Traum und Traumdeutung im Altertum, Darmstadt 2004. Eine fortlaufend aktualisierte online-Bibliographie mit Berücksichtigung auch der Frühen Neuzeit bietet die von Gregor Weber geführte Datenbank Dreams of Antiquity 2.0.
  64. OC 0911, 46f.
  65. Vgl. Gregor Weber (Hg.), Artemidor von Daldis und die antike Traumdeutung. Texte – Kontexte – Lektüren, Berlin u.a. 2015 sowie ders., "Oneirokritika" (Artemidor von Daldis), in: Lexikon Traumkultur. Ein Wiki des Graduiertenkollegs "Europäische Traumkulturen", 2019.
  66. OC 0911, 45. Vgl. Jochen Althoff, Das Buch über die Träume (peri enupnion) des Synesios von Kyrene, in: Römische Quartalschrift 111.3 (2016), 187-203.
  67. "Artemidori Daldiani ... De somniorum interpretatione, libri quinque" (Basel: Hieronymus Froben d.Ä. / Nikolaus Episcopius d.Ä., 1539; VD16 A 3825), vgl. GG 367. Zu anderen lat. (Auswahl-)Übersetzungen des 16. Jh. vgl. Gantet 2010, 77.
  68. "Warhafftige ... vnderweisung/ wie alle Tro*eum ... natürlich vnd recht erklaert/ vnnd außgelegt werden sollen" (Straßburg: Balthasar Beck, 1540; VD16 ZV 789). Zu diesem Druck, der Bearbeitung der lat. Vorlage, den Nachdrucken und weiteren Ausgaben vgl. Grenzmann 1973, 1-176.
  69. "Troumbu*echlin" (Straßburg: Samuel Emmel 1554; VD16 ZV 792), D4v. Die "Erinnerung Melanchthonis" (= "Von mancherley Geschlechten der Tro*eum/ sampt jhrer bedeüttung/ ein kurtze erinnerung/ gezogen auß den Schrifften des Hochgelerten Herren Philippi Melanthonis/ sehr nutzlich zulesen.") umfasst in dieser Ausgabe die Lagen D3r-E4v.
  70. Vgl. auch Grenzmann 1973, 55-58; zur Fünfteilung der Träume etwa bei Macrobius vgl. ebd., 223, Fn. 24.
  71. "Commentarius de anima" (Straßburg 1540: Kraft Müller; VD16 M 2748, 188-194), vgl. Grenzmann 1973, 58-70.
  72. Als Überblick zur Rezeption der "Oneirokritika" vgl. Walde, Christine, Art. "Artemidor (Artemidoros). Oneirokritika", in: dies. (Hg.): Die Rezeption der antiken Literatur. Kulturhistorisches Werklexikon, Stuttgart/Weimar 2010, Sp. 149–158. Gantet 2010, 51 beurteilt den deutschen Artemidor als das "am weitesten verbreitete() Traumbuch der frühen Neuzeit"; anders als ebd., 77 konstatiert, spricht Artemidor sehr wohl von Göttern (und nicht nur von "Gott"), jedoch werden diese Kapitel von Ryff nicht übersetzt.
  73. "Somniorum Synesiorum, omnis generis insomnia explicantes, libri IIII" (Basel: Heinrich Petri, 1562; VD16 C 928).
  74. "Traumbu*och Cardani" (Basel: Heinrich Petri, 1563; VD16 C 930). Zur deutschen Fassung und Huggelins großräumigen paratextuellen Übernahmen aus der Ryffschen Ausgabe von 1551 vgl. Grenzmann 1973, 177-180.
  75. Vgl. Dall'Asta 2017, 312-314; Dall'Asta 2024, 156f. sowie 162 zu einem (vorgeblichen?) Traum des Camerarius, den Melanchthon auslegt (MBW - Regesten online, Nr. 5216, dat. 09.07.1548; MBW - Regesten online, Nr. 5217, dat. 11.07.1548); Rhein 2024, 135 mit Anm. 63. Zu "Melanchthon und den Träumen" vgl. Bräuer 2000; umfassend zum Traum in der frühen Neuzeit Gantet 2010.
  76. Üs. Werner 2010, 83.
  77. OCEp 0981, dat. 20.04.1529?.
  78. OCEp 0046, dat. zwischen August 1527 und Mai 1528.
  79. Vgl. OCEp 0061 (Hessus an Camerarius, dat. zwischen 1528 und 1530)
  80. Laut Camerarius habe sich diese Deutung bestätigt, da am nächsten Tag ein Brief Stiebars eintraf.
  81. Camerarius, Epistolae familiares, 1595, 117. Zu Camerarius' griechischen Kommentierungen bzw. Ergänzungen der Suda (den "Ἀποσημειώσεις πρὸς τὰ του Σουίδα") vgl. Istasse 2023, der eine Abschrift von Camerarius' Aufzeichnungen aus den Händen von Joachim Camerarius d.J. und Simon Fabricius, Augsburger Stadtbibliothekar und Rektor des St. Anna-Kollegs, untersucht (Brüssel, KBR, Sign. IV 1038), auf deren Grundlage eine lateinische Auswahlübersetzung für Hieronymus Wolfs 2. Auflage der "Suidae historica" (1581) entstanden ist. Eine Edition von Camerarius' Annotaten zu den Lemmata mit dem Anfangsbuchstaben β mit frz. Übersetzung ebd., 422-437; ein Verzeichnis aller 2014 (!) Lemmata ebd., 438-447.
  82. Suda, beta 550 ed. Adler.
  83. Vgl. Ada Adler, Art. "Suidas 1", in: RE IV A, 1 (1931), 675-717, hier: 683.
  84. Mit wechselnder Belegdichte und z.T. mit Textvarianten finden sich die von Camerarius edierten Verse auch in anderen versifizierten byzantinischen Traumbüchern wie dem des Nikephoros (aus dem Astrampsychos schöpft, von dem er aber an einigen Stellen deutlich abweicht) und dem des Germanos, zudem in der Suda (Hinweise von Alexander Hubert). Zu den genannten byzantinischen Traumbüchern vgl. Steven M. Oberhelman, Dreambooks in Byzantium: Six Oneirocritica in Translation, with Commentary and Introduction, Aldershot/Burlington 2008.
  85. Zu überprüfen wäre noch die Provenienz der Traummotive und ihrer Deutungen. Das zweite Traummotiv (sich fast nackt in einen Wald fliehen sehen) im o.g. Stiebar-Brief könnte ggf. mit einer Stelle aus dem "Somniale Danielis" zusammengelesen werden (nudis pedibus ambulare vel nudum se videre, tristitias et labores magnas significat, 103). Die negative Bedeutung bezieht Camerarius auf Stiebar als non alterum, sed ipsum me und spielt eventuell auf einen gemeinsamen Kritiker (Erasmus?) an.
  86. Euripides, fr. 973 N., überliefert u.a. bei Plutarch in "De defectu oraculorum" 432c. Eine lateinische Fassung findet sich im "Commentarius" (& bene qui coniecerit, is vates perhibetur optimus, 42, s.o.).
  87. Als Einführung vgl. Fritz Boehm, Art. "Chiromantie", in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens 2 (1930), 37-53, zur Grundtechnik ebd., 49-51.
  88. "Introductiones apotelesmaticae" (Straßburg: Johann Schott, 1522; VD16 R 3108, 5v); der Rückverweis zielt auf ebd., 3r, wo er sich für eine Kombination von Chiromantie, Physiognomie und Astrologie als prognostische Instrumentarien ausspricht (vgl. auch die Konzeption der Schrift).
  89. Wolfenbüttel, HAB, Sign. 117 Quod. 2° (3), Hinweis in Brosseder 2004, 237 Fn. 6.
  90. OC 0911, 56f. Das von Pirckheimer beglaubigte Fazit war, dass der Tod, der aus der Hand eines jungen, gesund und munter scheinenden Mädchens gelesen (ihr aber verschwiegen) wurde, tatsächlich im vorausgesagten Zeitraum von acht Tagen eingetreten sei. Zur Chiromantie im 16. und frühen 17.Jh. vgl. Brosseder 2004, 236-239 mit einer (allerdings recht kreativen) Paraphrase der Episode.
  91. MBW - Regesten online, Nr. 2846.
  92. OCEp 1809 = Melanchthon, Epistolae ad Camerarium, 1569, 373f.
  93. Vgl. Dall'Asta 2017, 314-315; Huth 2024, 284f.; Rhein 2024, 130f.
  94. WA Tischreden Bd. 3 (1914), Nr. 2919a, vgl. auch 2919b (26. bis 29. Januar 1533).
  95. OC 0911, 7-10 und 102-132.
  96. Vgl. hierzu auch ebd., 111: Praestigias vocarunt Latini, quibus oculi praestinguerentur, fallacibus visis oblatis ... Camerarius fasst unter diesen "Blendwerken" das gesamte Spektrum von dämonischen praestigiae bis hin zu (dämonen'freien') Tricks der Illusionisten und Gaukler (wie Schwertschlucker und Feuerspucker), die ihre Fertigkeiten ebenso intensiv üben wie Artisten (etwa Seiltänzer und Voltigierer), vgl. ebd., 152-154; vgl auch Tuczay 2010 (Abruf: 18.07.2024) mit Hinweis auf Überlappungen und einem Blick auf den Bereich der Zauber'tricks'.
  97. Genannt wird in diesem Zusammenhang die aktuelle Konjunktur einer Wundersalbe zur Heilung beigebrachter Verletzungen, die - auf die Tatwaffe gestrichen - die Wunde heilt, auch wenn die verletzte Person räumlich entfernt ist (OC 0911, 105). Zu Kritik an Magischem in der zeitgenössischen Medizin vgl. auch ebd., 123. In der überarbeiteten Auflage des "Hippocomicus" von 1556 findet sich im veterinärmedizinischen Teil ein neuer Abschnitt eingefügt, der magische Verfahren erwähnt (Sunt inter medicamenta equorum, & fuerunt semper ac ubique incantationes quoque verborum & gestus magici, 43) sowie eine 'spezielle' Behufungsepisode, von der Camerarius "selbst wisse" (Scio ego ..., ebd.). Auf das Erzählen weiterer derartiger Episoden werde - so Camerarius - verzichtet, zumal nichts davon wahr sei (Nihil quidem in his veritatis esse, certum est, ebd.). Auch wenn Camerarius den magica erstaunliche Wirkungen zuschreibt (Quibus constat mirabiles res effici. In aurem aliquid murmurari, ad vulnus consecrari, & similia fieri solere scimus, quae eventus habent incredibiles, ebd.), lehnt er sie ab (Ut non modo religionis sanctitate damnari necesse sit, sed a gravi etiam & forti viro neutiquam usurpari deceat, ebd.) und lässt auch das Argument "wenn es nützt, nützt es" nicht gelten (ebd.; s. auch → Naturkunde).
  98. Camerarius (OC 0911, 112) spricht von illi coetus nocturni, qui congregantur extra oppida, in solis locis, etiam supra arbores ad quos viri mulieresque convehi mirabiliter perhibentur.
  99. Melanchthon, De anima, 1540, 191f.: Quartum genus (scil. somniorum) est diabolicum, ut cum veneficae videntur sibi interesse conviviis ac ludis, cum saepe compertum sit eas nusquam abiisse, sed dormientes gestu & clamore somnia conviviorum & saltationum significasse. Mit der Auffassung, dass die vorgeblichen Erlebnisse imaginativ sind, befindet sich Melanchthon in einer Linie mit dem im Corpus Iuris Canonici aufgenommenen frühmittelalterlichen Canon "Episcopi", vgl. Stephens 2019, 38-40.
  100. Anscheinend kursierten viele solcher Geschichten: Possem audita alia pluria huiusmodi narrare, sed rem indicatam esse satis habeatur (OC 0911, 113). Tuczay 2010 nennt als einen bereits für das 13. Jahrhundert belegte Illusion den "Johannes der Täufer-Trick" (mit Quellen aus dem 16.Jh.).
  101. Quod his etiam temporibus genus usurpari solere depraehenditur, & resciscuntur eventus mirifici. Qui possent a me non pauci commemorari ... (OC 0911, 129).
  102. Ebd., 103.
  103. Ähnlich im "Hippocomicus" zu magica in der Veterinärmedizin, s.o. Ausführlich über praktizierte Kristallomantie in Nürnberg mit interessanten Details, die er von Lazarus Spengler erfahren habe, berichtet Camerarius im Proöm von "De natura et effectionibus daemonum" (1565), s.u.
  104. Dies etwa auch, indem sie ihnen verwandte Seelen suchen und sich dienstbar machen, so dass etwa ein Wirken über den 'bösen Blick' möglich sei (OC 0911, 121).
  105. Das Werk kann aufgrund eines auf 1566 datierten Besitzereintrags, der auf einem Exemplar der BSB München angebracht ist (Sign. A.gr.b. 2931) nicht später gedruckt sein. Zu 1565 als wahrscheinlichem Abfassungsjahr des Proömiums s.u.
  106. Zur frühneuzeitlichen Dämonologie und ihrem Konnex mit Hexereikonzepten vgl. etwa Stuart Clark, Thinking with Demons. The Idea of Witchcraft in the Early Modern Europe, Oxford 1997; Walter Stephens, Demon Lovers. Witchcraft, Sex, and the Crisis of Belief, Chicago 2002; Jan Machielsen (Hg.), The Science of Demons. Early Modern Authors Facing Witchcraft and the Devil, London 2020; vgl. auch die laufenden Untersuchungen von Manuel Huth im Rahmen des Würzburger DFG-Projektes "Medicinae Alumni Witebergenses".
  107. Vgl. OCEp 0377 (Camerarius an Turnèbe, dat. 31.08.1564), OCEp 0379 (Camerarius an Turnèbe, dat. zwischen September 1564 und Juli 1565) sowie das Proöm (OC 0763): Camerarius berichtet dort, dass Berichte des Adrian Albinus (s.u.) diese spezifische Übersetzungsaktivität ausgelöst hatten (D1v; anders in OCEp 0377, wo er Ende August 1564 schreibt, dass er sich während einer rezenten Krankheitsphase mit der Übertragung von "De defectu oraculorum" beschäftigt habe). Laut Proöm hatte er sich zunächst an den arg verderbten griechischen Schriftzeugnissen von "De defectu oraculorum" abgearbeitet und – nachdem er mit der Hälfte des Textes fertig war – von Freunden die Übersetzung Turnèbes (mit Appendix) erhalten. Er habe sofort mit der eigenen Arbeit aufgehört, die Übersetzung 'verschlungen' und dabei mit Freude festgestellt, dass sie beide dieselben Konjekturen vorgenommen hätten (ebd.). Über die Qualität von Turnèbes Übersetzung müsse er sich nicht äußern; er habe beschlossen, diese erneut drucken zu lassen (zumal Exemplare des Erstdrucks von 1556 schwer greifbar waren) und mit seiner Übersetzung von "De E apud Delphos" herauszugeben, die ihm ebenfalls aufgrund der griechischen Textzeugen viel abverlangte (D2r). Richard Croke hatte bei der Plutarchlektüre während Camerarius' Studium in Leipzig bereits erwähnt, dass der Kreter Demetrios (i.e. Demetrios Dukas), dem die Druckaufsicht bei Aldus übertragen wurde, höchst nachlässig gearbeitet hatte (ebd.) – dies könne er nun voll und ganz bestätigen, sogar die vorgeschaltete epistula von Demetrios sei fehlerhaft gesetzt (D2v).
  108. Eckdaten zu dessen Vita in Fontaine 2017, 340 mit Rekurs auf die akademische Leichenrede von Christoph Neander.
  109. Fontaine 2017, 337 nennt als Anhaltspunkt die Angabe im Proöm, Camerarius' Studien bei Richard Croke (in Leipzig) lägen nun schon 48 Jahre zurück (D2r). Petrus Mosellanus hatte Croke 1517 als Professor für griechische Sprache abgelöst, bevor sich Camerarius dann zum Frühjahr 1518 in Erfurt immatrikulierte; somit dürfte es sich um 1517 als Referenzjahr handeln.
  110. Vgl. OC 0763, A2r.
  111. Vgl. ebd.
  112. Zu den Prozessen kurz nach der Walpurgisnacht (30. April/01. Mai) und den 'gestandenen' Delikten der 'Hexen' vgl. Fontaine 2017, 341-344 und 350; Raumer 1841, 239-242 mit Wiedergabe der 'Geständnisse' der acht Perleberger Frauen nach den Akten des Schöffenstuhls und ebd., 239 mit einer Paraphrase vorgeblicher Details zur Feier auf dem Brocken ("Blocksberg", Elemente: Mahl, Tanz, Verkehr mit den "bösen Geistern"), die von "zwei andere(n) Weiber(n)" aus der Prignitz stammten (zur Frau Achim Blumenthals aus Rosenhagen vgl. Enders 1998, 29). Die Schöffenstuhlakten bezüglich der Prozesse von 1565 befinden sich im Brandenburgischen LHA in Potsdam (Pr.Br.Rep. 4D, Nr. 9 und 10). Zu den Hexenverfolgungen in der Mark Brandenburg vgl. Kamp 2010 (Abruf: 18.07.2024) und Kamp 2021 (Abruf: 18.07.2024). Speziell zur Prignitz Enders 1998. Als einführende Literatur zu frühneuzeitlichen Hexen'bildern' und -verfolgungen vgl. Labouvie 1991, Schormann 1996, Clark 1997, Behringer 2000.
  113. (Haupt-)Verfasser des "Malleus maleficarum" ist der Dominikaner Heinrich Kramer (Henricus Institoris, ca. 1430-1505), der am 13.03.1478 durch Papst Sixtus IV. zum Inquisitor Oberdeutschlands und am 31.01.1500 durch Papst Alexander VI. zum Inquisitor in Böhmen und Mähren ernannt wurde. Kramer hatte (nach abgeschmetterten Verfahren) die Vorlage für die sog. 'Hexenbulle' ("Summis desiderantes affectibus") geschrieben, die am 05.12.1484 von Papst Innozenz VIII. erlassen wurde und zusammen mit drei päpstlichen Urkunden die Vollmachten von Kramer und seinem Mitbruder Jakob Sprenger erweiterte, doch scheiterte trotz dieser Erlasse etwa Kramers Vorhaben, einen großangelegten Hexenprozess in Innsbruck (1485/86) einzuleiten, am Widerstand der Tiroler Bevölkerung und des Brixener Bischofs. Mit dem darauf verfassten dreibändigen "Hexenhammer" schuf Kramer dann die "in den nachfolgenden Jahrhunderten (...) weitgehend anerkannte und angewandte Rechtsgrundlage für Hexenprozesse aller Art" (Enders 1998, 20); vgl. als Einstieg mit weiterführender Literatur Tschacher 2008 (Abruf: 18.07.2024) und Tschacher 2008a (Abruf: 18.07.2024).
  114. Zur "Strix", in der es prominent um den Kontakt zwischen Dämonen und Hexen (Hexenflug und sexueller Verkehr nicht als Imagination, sondern als physische Realität), dazu auch um die Existenz einer Hexen'sekte' und um Sakramentenfrevel als Teil der maleficia geht, die eine befragte Hexe gesteht, vgl. Stephens 2019; Fontaine 2017, 347-349. Rezeptionsspuren der zwei Jahre vor Camerarius' Proöm erschienenen kritischen Abhandlung "De praestigiis daemonum" (1563) von Johannes Weyer finden sich (bisher) nicht.
  115. OC 0763, A6r: Daemonibus quidem certe administris utitur universa superstitio vaticinationum & aruspicinae, auspiciorum, consecrationum & execrationum, carminum quibus aliquid incantatur & excantatur, ariolorum denique & Magorum.
  116. Ebd., B1v: Neque est ambiguum, quin talia acciderint, cum & nostra aetas experta sit, & nunc quoque istiusmodi passim fieri comperiatur. Neque tantum certis in locis conspectum & auditum tale quippiam esse scimus, sed certo cognovimus quasdam personas assectata esse illa simulacra, a quibus ipsis solis cernerentur; vgl. auch ebd., B5r.
  117. Ebd., B4v: Sigilla (...) et his similia, quorum effectus ad siderum vires atque potestates referuntur, non exagitabo, propter praeclaram de Astrologica arte existimationem meam. Etsi me non fugit superstitione esse & haec & istiusmodi alia foedissime contaminata. Quam execrantes naturae veritatem studebimus asseri. Agrippa von Nettesheim gibt in "De occulta philosophia" Listen von diversen Planeten- und Fixsterntalismanen und deren Wirkungen, die vor allem der "Picatrix" verpflichtet sind; Leonhard Thurneysser versorgte (wie andere Ärzte) seine Patienten mit astralen Amuletten (zu dem wohl ebenfalls auf ihn zurückgehenden, aus 7 Metallen hergestellten "Alchemistentaler", den zugrundeliegenden Wirkkonzepten und der Kritik von Thomas Erast vgl. Philippe Wanner, Magie, Medizin und Materie: Leonhard Thurneyssers Alchemistentaler im Kontext astraler Wirkkonzepte, in: Tina Asmussen u.a. (Hgg.), Materialized Histories. Eine Festschrift 2.0 (20.07.2021, Link). Auf sigilla als der Magie zugehörig rekurriert Camerarius auch in einem Brief an einen unbekannten Empfänger (OCEp 1270).
  118. OC 0763, B6r: Neque est res ista nova, sed priscis quoque temporibus nota atque usurpata. Nomina tantum & voces mutantur, caetera sunt eadem.
  119. Vgl. ebd., B6v mit Wiedergabe der Geschichte. Das Abzapfen von Milch einer fremden Kuh über ein in die Wand gestecktes Messer wird auch im "Malleus maleficarum" angeführt (p.2, c.14).
  120. OC 0763, B6v: Sagas appellarunt veteres genus istud.
  121. Ebd., B7v: Alia omnino nunc & dicuntur & geruntur ab ista misera & demente caterva superstitiosarum mulierum, sive hae futura se praedicere posse, seu occulta atque tecta indicare profiteantur, seu etiam mirabiles res efficere polliceantur, ut tempestates ciere, morbos immittere & depellere, evolare aliquo ad coetus familiares, in quibus Daemones voluptarii assint, & hilariter iucundeque & una conviventur, & illis consuescant.
  122. So soll ein Metzger im Wald obszöne Gespräche mit Lachen und Scherzen vernommen haben; als er sich näherte und den Ort betrat, verschwanden die anwesenden männlichen und weiblichen Gestalten und hinterließen Bankettgeschirr, von dem der Metzger zwei Silberpokale mitnahm und sie dem Magistrat seiner Stadt zeigte, der aufgrund der Markierungen der Krüge die Besitzer einbestellte. Diese identifizierten die Krüge, wussten aber nicht, dass sie bei ihnen zu Hause fehlten (Fehlen wurde überprüft). So gerieten deren Gattinnen in Verdacht, bei deren Befragung ein geheimer Zusammenschluss der bedeutendsten Frauen der Stadt ('Hexensekte') enttarnt und mirificae res & incredibilia facinora erfragt und erfahren wurden (Ebd., B8r). Als der Metzger an einem Abend noch einmal an der Stelle vorbeiritt, sah er einen Reiter von furchteinflößender Gestalt, der auf ihn mit gezücktem Schwert losritt und mit dem er fast die halbe Nacht kämpfte und danach vor Erschöpfung mehrere Tage bettlägerig war (Ebd., B8r/v).
  123. Über diesen Ring habe er schon einmal als Faktum berichtet, vgl. ebd., C1r: non fabula sed certa historia alibi a me est exposita. Eine Erwähnung des Ringes findet sich in der (allerdings erst 1611 in Marquard Frehers "Germanicarum rerum scriptores" aus einer hs. Vorlage gedruckten) "Annotatio rerum praecipuarum quae acciderunt ab anno Christi MDL usque ad MDLXI" (OC 0951, 491): Opinio de hoc erat, admoneri ipsum de iis quae eventura essent occulta voce sibi familiaris spiritus, quae de annulo applicato auri sonaret. Cogitans igitur hic de itinere illi, & quasi cogitabundus de ea re, ita assedit imposito capite manui intenti cubito, & annulum auri admovit. Ibi audisse sermone Italico fertur haec verba: Ibis, redibis; Non capieris. Ipse vero laetus, id arripiens quod cupiebat, & complectens verba blandimentis voluntatis suae, se reversurum & non fore captum speravit, & alacri animo legationem obiit: captusque & crudeliter excruciatus fuit.
  124. Vgl. Ebd., C3r: Ein Jude habe in einer Stadt eine alte Frau aufgesucht und sie gebeten, für ihn gegen Belohnung Muttermilch zu besorgen. Diese ging zu einer anderen Frau und eröffnete ihr den Plan, den Juden zu täuschen. Die andere Frau hatte ein Mutterschwein, von der Milch abgemolken und dem Juden übergeben wurde. Nach Erhalt der Substanz begann dieser, seinen Plan (scil. zur Vergiftung der Einwohner – Camerarius nennt dies nicht explizit) auszuführen, hörte jedoch ein Grunzen und bemerkte den Betrug (Qui id quod statuerat cum cepisset agere, audit grunnitum, & intelligit quid factum sit, C3r). Daraufhin starben in der ganzen Gegend die Schweine; der Jude und die beiden Frauen wurden wegen (Schadens-)Zauberei hingerichtet. Camerarius dürfte hier auf einen Vorfall im schlesischen Herzogtum Jägerndorf aus dem Jahr 1534/5 Bezug nehmen, von dem auch Johannes Eck in "Ains Juden büechlins verlegung" (1541, VD16 E 383) berichtete (F3r/v, Hinweis von Vinzenz Gottlieb). Dieser nennt den Plan des Juden (landmordt) explizit und schildert auch das magische Ritual am Galgenplatz in Leobschütz, für das der Jude einen bei ihm verschuldeten Bauern beigezogen haben soll. Der Bericht des Jägerndorfer Kammerschreibers Hans Jordan an Markgraf Georg den Frommen (dieser hatte das Herzogtum 1523 von Georg von Schellenberg erworben) sowie die beigefügten Kopien der Urgichten der Dorothea Schkarin und des Juden Abraham Hirsch aus Leobschütz (der von ihr die Milch gefordert und den Schadenszauber vollzogen haben soll) sind ediert in: Marcus Brann, Geschichte der Juden in Schlesien, Breslau 1896, LXXVIII-LXXXII, vgl. auch ebd., 158-160 (Hinweis von Alexander Hubert).
  125. OC 0763, C3r: … cum libeat tamen speciem atque figuram corpoream circumdare sibi possint
  126. Camerarius belässt es bei der bloßen Erwähnung dieses Ereignisses, das über diverse Druckmedien (u.a. Flugblätter und Chroniken) verbreitet wurde und entsprechend bekannt war. Vgl. dazu Hans Harter, Der Teufel von Schiltach. Ereignisse – Deutungen – Wirkungen. Mit einer Quellendokumentation, Schiltach 2005 (pdf) sowie seinen gleichnamigen online-Artikel und seinen Beitrag "Anno 1533 ist Schiltach gar außbrunnen, als etlich sagen, vom Teufel angezündt." Neues vom "Teufel von Schiltach", in: Die Ortenau 95 (2015), 151-182 (abrufbar über das Portal Freiburger historische Bestände – digital). Die Magd, die als vorgebliche Teufelsbuhlin das Unglück verursacht haben soll, wurde am 21. April 1533 in Oberndorf verbrannt. Die Verbrennung wurde von dem Nürnberger Formschneider Erhard Schön auf dem Flugblatt "Ein erschröcklich geschicht Vom Tewfel vnd einer vnhulden" (Nürnberg: Stefan Hamer 1533) publikumswirksam visualisiert, indem er den Teufel (?) als Exekutor mit (der auch im Text erwähnten) Ofengabel und die halb entblößte, am Pfahl gefesselte Buhlschaft vor dem brennenden Schiltach im Hintergrund interagieren lässt (vgl. auch Harter 2005, 16f.). Erasmus berichtete brieflich über die Vorkommnisse, von denen er durch Heinrich Glareanus erfahren hatte (Brief an Damião de Góis, dat. 25.07.1533; kurze Erwähnung in einem Brief an Nikolaus Olahus, dat. 07.11.1533), ohne sich von der kolportierten dämonischen Ursache zu distanzieren. Sein bereits 1534 gedruckter Brief an de Góis wurde (wie auch später Camerarius' Proöm) als autoritativ gestützter Beleg für den im Verbund mit Dämonen ausgeübten Schadenszauber der Hexen in Anspruch genommen (vgl. Harter 2005, 18-20, 55-59 und 119f.; Harter 2015, 169-173).
  127. Martin Burkart, "Erschreckliche, warhafftige Newe Zeitung" - Flugschriften und ihre Bedeutung für die Hexenprozesse, in: Die Ortenau 95 (2015), 91-110 (abrufbar über das Portal Freiburger historische Bestände – digital), hier 91.
  128. Vgl. dazu Martine Ostorero, Promoter of the Sabbat and Diabolic Realism. Nicolas Jacquier's Flagellum hereticorum fascinariorum, in: Jan Machielsen (Hg.), The Science of Demons. Early Modern Authors Facing Witchcraft and the Devil, London 2020, 35-50. Auf den Nachdruck des Proöms in diesem Konvolut (S. 300-350) machte Fontaine 2017, 339 aufmerksam.
  129. Hinweis von Alexander Hubert. Gödelmann hatte am 26.02.1584 in Rostock eine Disputation zum Thema präsidiert, bei der Markus Burmeister als Respondent fungierte (VD16 G 2485).
  130. In der lateinischen Fassung Gödelmann 1591.2, 34 (doctissimus Germaniae nostrae Plato) und ebd., 32f.
  131. Die Referenzstelle "fol. 332" geht mit dem Konvolut von 1581 zusammen.
  132. Zu der von Camerarius berichteten Geschichte und ihrer Beliebtheit als Beleg für Hexenbankette vgl. auch Hermann Witekinds "Christlich bedencken vnd erinnerung von Zauberey" (3. Auflage Speyer: Bernhart Albin, 1596, 168f.) mit kritischer Stellungnahme (die beschuldigten Frauen waren nicht beim Bankett, sondern haben unter dem Einfluss des Teufels lediglich davon geträumt; der Teufel hat das Silbergeschirr gestohlen und an die besagte Stelle gebracht, als er wusste, dass der Metzger vorüberreiten werde, um die Frauen in Todesgefahr zu bringen).
  133. Gödelmann 1591.2, 34-36; Gödelmann/Nigrinus 1592, 198f. An anderer Stelle wird zudem auf die von Camerarius belegte Praxis der Nekromantie verwiesen (Gödelmann 1591.1, 31; Gödelmann/Nigrinus 1592, 33) und die von ihm berichtete Kristallomantiegeschichte aus Nürnberg zitiert (Gödelmann 1591.1, 42-44; Gödelmann/Nigrinus 1592, 47-49).
  134. Vgl. Fontaine 2017, 335.