Benutzer:HIWI/Drafts
Zur Medizin in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts
Ärzte, Handwerkschirurgen und Laienheiler
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Theorie und Praxis der akademischen Medizin
Galen und Hippokrates - Die theoretischen Grundlagen
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Das praktische Verständnis - Krankheit als Fremdkörper
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Therapie und Behandlung
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Iatromathematik und Diätetik
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Herausforderungen für die akademische Medizin
Pest, Schweiß und "Franzosenkrankheit" - Praktische Herausforderungen
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Der griechische Galen - Philologische Herausforderungen
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Das Verhältnis zu Galen - Konzeptuelle Herausforderungen
Neue Texte, neue Länder, neue Ideen
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Neubewertung
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Weiterentwicklung
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Verwerfung
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Die Medizin an der Universität Wittenberg
Die Stellung der Medizin bei Philipp Melanchthon
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Die Medizinische Fakultät in Wittenberg
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Die Medizin an der Universität Leipzig
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Camerarius und die Medizin
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Medizinisches in Werken und Briefen des Camerarius
In Orpheus' Fußstapfen - Camerarius' Lob der Gesundheit (AH)
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Diätetik (MG)
Iatromathematik (MG)
Badewesen (MG)
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Baden in Württemberg
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Theriak (MG)
Beteiligung an der Galen-Edition (MG)
Terminologie (AH)
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Epigramme für medizinische Abhandlungen und Disputationen Dritter (AH)
Nicht nur für Nikolaus Selneckers Lehrgedicht "De partibus corporis humani" verfasste Camerarius ein Werbegedicht (s.o.). Ähnliche Werbegedichte des Camerarius existieren zu drei Werken des Leonhart Fuchs: Fuchs' 1538 gesammelt neu aufgelegten drei Apologien gegen Gulielmus Puteanus, Sebastianus Montuus und Jeremias Thriverus Brachelius (s.o.), die 1540 einmal unter demselben Titel und einmal mit leicht veränderter Anordnung neu aufgelegt wurden, gibt Camerarius ein Werbegedicht bei, in dem er sich ganz deutlich auf Fuchs' Seite stellt: Die drei hätten lieber schweigen sollen, denn nun werde Fuchs' Verteidigung sie erdolchen wie die Spitzmaus, die sich dem alten Sprichwort nach durch ihr eigenes Pfeifen verrate. Dennoch hätten die drei insofern alles richtig gemacht, als nun Fuchs die Gelegenheit habe, seine Schrift zu veröffentlichen, mit der er nicht nur für sich selbst, sondern auch um die Ehre der antiken Ärzte kämpfe.[1]
Ein Begleitgedicht stellte Camerarius auch Fuchs' 1539 gedrucktem Kompendium über die Behandlung verschiedener Krankheiten zur Seite. In der ganzen antiken Literatur, so Camerarius, finde man kein Werk, das diesem ebenbürtig sei. Fuchs lehre hier die "wahre Heilkunst" (vera ratio medendi), sodass der Benutzer hier nicht nur theoretisches, sondern auch praktisches Wissen mitnehmen könne.[2]
Ein drittes Werbegedicht gab Camerarius Leonhart Fuchs' Hippokrates-Ausgabe bei. Hier lobt er Fuchs, der der Welt den fähigen Arzt Hippokrates wiederbringe, dessen Schriften schon beinahe verloren gewesen seien und der so vielen Patienten das Leben zurückgegeben habe.[3]
Weitere Werbegedichte schrieb Camerarius für medizinische Disputationen. Der Leipziger Medizinprofessor Wolfgang Meurer stellte 1549 eine Disputation "De catarrhis", bei der Philipp Bech als Respondent auftrat. Der Druck wird von drei griechischen Werbegedichten eingeleitet, von denen das auf dem Titelblatt mit Sicherheit, die beiden auf der folgenden Seite wahrscheinlich von Camerarius sind.[4]
Das erste Gedicht stellt eine einfacherere Version des Modells dar, von dem Camerarius auch in seinem nur handschriftlich überlieferten Werbegedicht für Kopernikus' "De revolutionibus" Gebrauch macht:[5]
In einem fingierten Dialog fragt eine nicht benannte Person, ein "Unwissender", den ebenfalls nicht weiter benannten "Wissenden", um was für ein Buch es sich handle (Τίς λόγος οὗτος;). Auf die Antwort, dass es um "Flüsse" (im medizinischen Sinn, s.o.) gehe,[6]
fragt der "Unwissende" weiter, was für ein Mensch denn der "Vater dieses Werks" (πατὴρ τοῦδε λόγοιο) Wolfgang Meurer sei. Der "Wissende" lobt darauf hin Meurer als fähigen Arzt und Freund der Musen.[7]
Das zweite wie auch das dritte Gedicht auf der folgenden Seite sprechen das Thema des Bandes an, die "Flüsse" (ῥεύματα), die die Menschen belästigen. Der Leser möge Meurers Mühe schätzen, der dieses Thema zur Untersuchung gestellt habe.[8]
Camerarius verfasste Werbegedichte für noch zwei weitere Disputationen Meurers: In einer 1555 gedruckten Disputation mit dem Titel "De vera corroborandi ratione capita" und Sebastian Scheib als Respondent behandelt Meurer Kraft und Stärkung des menschlichen Körpers. Camerarius wirbt in drei griechischen Distichen auf dem Titelblatt: Zwar habe einst jemand (gemeint ist Oppian) gesagt, Kraft ohne Verstand sei wertlos,[9]
allerdings sei der Verstand eines Menschen ohne Kraft ebenso ohne Nutzen; Meurer habe sowohl Kraft als auch Verstand bewiesen. Im letzten Distichon verzichtet der Sprecher bereitwillig auf Ehre (τιμή) und Wohlstand (ὄλβος), solange er bei Kräften sei (εὔρωστος)[10]
und ihn der Verstand (γνώμη) nicht verlasse.
Schließlich erschien 1562 eine von Meurer gestellte Disputation "De recta medendi ratione", für die Camerarius ebenfalls ein Geleitgedicht schrieb: Jemand habe einmal gesagt, das Wichtigste im menschlichen Leben sei die Gesundheit, das zweitwichtigste aber ohne Betrug erhaltener Reichtum.[11]
Die Heilkunst könne als einzige der Künste beides verschaffen. Asklepios habe diese die Menschen gelehrt, Hippokrates habe sie ausgearbeitet, Galen habe beide noch übertroffen. Meurer wird als der nächste in der Reihe gefeiert, der Galens Methode folgend das, was dieser in vielen Büchern ausgeführt habe, in einer kleinen Schrift vereine.[12]
Auch für Johannes Hoffmanns Disputation über den Wein von 1558 schrieb Camerarius ein griechisches Werbegedicht. Hoffmann wird darin mit Homer verglichen, der, indem er den Wein lobte,[13]
selbst Ruhm gefunden habe und nun den ersten Rang im Musenchor innehabe.[14]
Welches Lob verdiene nun also Hoffmann, der ein ganzes Buch über den Wein geschrieben habe? Ein solches sei überdies für einen Franken wie Hoffmann nur passend.
Zu einer Disputation über das Erysipel (Wundrose), die Andreas Ellinger 1560 stellte (Respondent war der Leipziger Apotheker Moritz Steinmetz), hatte Camerarius persönlichen Bezug, da er selbst seit spätestens 1558 häufiger darunter gelitten hatte (s.u.). Entsprechend gibt Camerarius dem Druck ein ausführliches griechisches Werbegedicht in 34 Hendekasyllaben bei, in dem er die Symptome der Krankheit beschreibt. Ellinger wird Galen gleichgestellt.[15]
Schließlich wird es sich auch bei Camerarius' Beitrag zu Simon Schreibes "Disputatio ordinaria de causis famis animalis", den der VD16-Katalog verzeichnet, um ein Werbegedicht handeln. Die Überprüfung dieser These steht mangels Verfügbarkeit des Bandes jedoch noch aus.
(Alexander Hubert)
Medizinisches in den "Decuriae" und der "Appendix problematum" (AH)
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Camerarius und die praktische Medizin
Medizinkenntnisse und Medizinische Ratschläge an Dritte (AH)
Joachim Camerarius war kein studierter Arzt; doch wie Michael Stolberg feststellt, waren grundlegende medizinische Kenntnisse im 16. Jahrhundert in der Bevölkerung weit verbreitet, sei es durch die Lektüre teils volkssprachiger Schriften durch die gebildete Oberschicht, sei es durch mündlichen Erfahrungsaustausch.[16]
Dies gilt ganz besonders für Camerarius, dem zum persönlichen Austausch ein ganzes Netzwerk medizinisch gebildeter Gelehrter und studierter Ärzte zur Verfügung stand (↑ Camerarius und die Medizin). Nach Zeugnis des an Johannes Magenbuch gerichteten Vorworts zu Camerarius' 1533 gedruckten Theriakschrift führte der naturkundlich interessierte Camerarius häufig mit Freunden und Bekannten Gespräche über medizinische Themen, etwa über die Frage, warum die zeitgenössische Medizin so geringe Heilungserfolge verbuchen konnte oder über Theriakrezepte, die er in antiken Werken fand.[17]
Diese Form des theoretischen Austausches fand allerdings offenbar vor allem in persönlicher Form statt und lässt sich daher nur über Selbstaussagen von Camerarius nachvollziehen. In Camerarius' Briefwechsel spielen wissenschaftlich-medizinische Themen aus brieftheoretischen Gründen[18]
kaum eine Rolle, wie etwa die Korrespondenz mit dem Arzt Leonhart Fuchs zeigt.[19]
Camerarius' eigene Patientengeschichte mag ihm einen Anreiz gegeben haben, sich mit medizinischen Themen zu beschäftigen (vgl. den Abschnitt ↓ Varii morbi - Camerarius als Patient, besonders ↓ Krankheit als Impulsgeber).
Auch bei der Lektüre musste Camerarius sich, anders als viele seiner Zeitgenossen, nicht auf volkssprachige Werke beschränken, sondern konnte auf die antiken Klassiker zurückgreifen. So zeugen von seiner medizinischen Bildung nicht nur die zahlreichen Zitate aus Hippokrates und Galen, die sein ganzes Werk durchziehen. Nach Zeugnis seines Sohnes Joachim begann Camerarius spätestens 1538, angeregt durch sein langwieriges Fußleiden (s.u.) mit der intensiveren Lektüre antiker medizinischer Werke, darunter Galen.[20]
Eine besondere Auszeichnung für Camerarius' Kenntnis von Galens Werk ist es auch, dass Philipp Melanchthon ihn ob seiner Expertise bereits 1533 und 1534 um die Zusendung passender Galen-Stellen, vor allem zum Thema Säftelehre und Temperament, für sein 1540 gedrucktes Werk "De anima" bat.[21]
Im Umgang mit seinen eigenen Krankheiten zeigt sich Camerarius - notgedrungen - ebenfalls als medizinisch gebildet, wenn er etwa Andreas Ellingers Disputation zum Erysipel rezipiert (s.u.) oder sein Nierenleiden als chronisch erkennt (s.u.).
Schließlich äußern sich Camerarius' medizinische Kenntnisse immer wieder im Rahmen des mündlichen oder brieflichen Erfahrungsaustausches in praktischen medizinischen Ratschlägen für Freunde und Bekannte. Denn die Rolle von Familie und Freunden in Krankheitsfällen beschränkte sich in der Frühen Neuzeit nicht allein auf moralische Unterstützung, vielmehr nahmen sie an Diagnose und Behandlung lebhaft teil, "äußerten ihre eigenen Vermutungen über die Natur der Krankheit[,] ... empfahlen besonders begabte Heilkundige oder als wirksam bewährte Heilmittel oder neue Diagnoseverfahren"[22]. Besonders letztere waren auch oft Gegenstand der Korrespondenz.[23]
Als sein enger Freund Daniel Stiebar von Rabeneck 1534 schwer erkrankt, augenscheinlich an einer Fieberkrankheit, zeigt sich Camerarius in einem Brief zutiefst betroffen. Er lobt Stiebars Seelenstärke (firmitas animi), von der die mitgesandte Schrift Stiebars zeuge und die auch Stiebars Gesundheit förderlich sei. Neben dem nur allzu zeitgemäßen Rat, sich von der Krankheit nicht zur Verzweiflung bringen zu lassen und auf Gott zu vertrauen,[24]
gibt Camerarius konkrete medizinische Ratschläge: Das Schwitzen solle Stiebar vergehen lassen und nicht aktiv herbeiführen, wie man es gemeinhin tue. Auch diätetische Ratschläge gibt er seinem Freund. Außerdem sendet Camerarius Säfte und confectiones, also Kompositdrogen, die er nach Anweisung eines Arztes habe anfertigen lassen, mit Empfehlung: Falls Stiebar durstig sei, solle er ein wenig von den mitgeschickten Säften in Wasser lösen und trinken; im Anschluss könne er, wenn und sooft er wolle, die erste confectio zu sich nehmen und am Abend von der zweiten.
Schließlich fordert Camerarius Stiebar auf, er möge doch, wenn es ihm ein wenig besser gehe, zu ihm (nach Nürnberg) kommen, um sich dort ganz auszukurieren.[25]
Es ist dies ein ganz besonderes Zeichen der engen Freundschaft beider Männer, das üblicherweise Blutsverwandten zu Teil wurde, bei denen der Grad der pathischen Betroffenheit, also der Sorge und Niedergeschlagenheit angesichts der Krankheit eines anderen, höher war:[26]
"Wenn es die beengten Wohn- und Familienverhältnisse erlaubten, ging die Betroffenheit häufig sogar soweit, dass auch entfernt lebenden Verwandten ein Krankenquartier im Haus in Aussicht gestellt wurde."[27]
Von einem weiteren Fieberfall in der Familie Stiebar zeugt Camerarius' Brief vom 03.06.1547 an Daniel Stiebar: Hier ist es ein namentlich nicht genannter Bruder Stiebars, dessen Krankheit Camerarius als ein Dreitagefieber identifiziert.[28]
Wieder spricht Camerarius mit einem Arzt und veranlasst diesen, Stiebars Bruder Medikamente zu schicken.[29]
Den Arzt Cornelius Sittard empfiehlt Camerarius Stiebar in einem Brief vom 29.01.1548 und rät Stiebar, Sittard zu Stiebars krankem Freund zu schicken; obwohl Sittard sich skeptisch gezeigt hatte, dass er selbst mehr wisse als andere Ärzte, zeigt sich Camerarius überzeugt, dass gerade in der Medizin der Erfolg nicht nur Glücks (fortuna) und des richtigen Zeitpunkts (tempus), sondern auch der richtigen ausführenden Person (homo) bedürfe.
Zwei nicht datierte Fälle, in denen Camerarius sich "pathisch betroffen" zeigt, betreffen Matthäus von Wallenrode und sein Umfeld. Von dessen Freundschaft zu Camerarius zeugt ein Brief Philipp Melanchthons vom 09.04.1544: Darin fordert dieser Wallenrode auf, seiner Freundschaft zu Camerarius entsprechend diesen von einigen Reitern nach Würzburg geleiten zu lassen, da Camerarius sonst große Gefahr drohe.[30]
Nun schreibt Camerarius in einem nur auf den 7. Oktober (ohne Jahr) datierten Brief an Wallenrode, er habe von dessen Krankheit gehört. Obwohl er nichts genaueres darüber habe in Erfahrung bringen können, habe er aus dem Bekannten auf Ischias geschlossen. Hätte man ihm nicht mitgeteilt, dass Wallenrode in einem Bad sei (freilich ohne dieses näher zu benennen), wäre Camerarius sofort aufgebrochen, um für Wallenrode zu sorgen.[31]
Was uns heute übertrieben scheint, war zu Camerarius Zeiten durchaus üblich: "Schenkt man den Berichten der Ärzte Glauben, dann waren die Kranken zu Hause oft von Menschen umringt, von der eigenen Familie, aber auch von Freunden und Bekannten. ... Den Laien ... waren Krankenbesuche offenbar Pflicht und Bedürfnis zugleich."[32]
In einem zweiten Brief ohne Jahr, in dem Camerarius auch seine langjährige Bekanntschaft mit Wallenrode anspricht, geht es um die Krankheit von Wallenrodes Frau, bezüglich derer Camerarius sich zutiefst betroffen zeigt (non potui non, sicut par erat, graviter perturbari). Mit dem Brief schickt Camerarius drei Medikamente, "die man für wirksam und gut hält" (quae efficacia et bona perhibentur); mit dem zweiten und dritten habe Camerarius schon selbst gute Erfahrungen gemacht.[33]
Hier darf eine Anekdote nicht fehlen, die Georg Andreas Will in seinem Nürnbergischen Gelehrtenlexikon zu Camerarius' Freund in Nürnberg Michael Roting bringt: Demnach habe Camerarius Roting "zur Zeit der Bauernaufruhr", also vermutlich 1525, im letzten Moment vor der Amputation eines entzündeten Schenkels bewahrt und ihm jede Hilfe versprochen. Schließlich habe Camerarius Roting unter Anwendung von Guajak sogar geheilt.[34] Will bringt leider keine Quellen für seine Anekdote an, weshalb sie sich bis auf Weiteres kaum bestätigen lässt. Das Krankheitsbild erinnert offensichtlich an das offene Geschwür am linken Bein, das Camerarius zwischen 1529 und 1542 über ein Jahrzehnt hinweg plagte (s.u.). Auch hier brachte Guajak die Heilung. Man sollte meinen, dass Camerarius schneller zu diesem Mittel gegriffen hätte, wenn er mit Rotings Fall bereits zuvor solch positive Erfahrungen in seinem Bekanntenkreis gemacht hätte. Andererseits galt die Guajakkur als äußerst intensiv und auch dem Vorbild Ulrichs von Hutten, das er ungeachtet Wills Anekdote auf jeden Fall hatte, folgte Camerarius nicht sofort.
Ebenso wurden innerhalb von Camerarius' eigener Familie medizinische Ratschläge und Medikamente weitergegeben, wie ein handschriftlich überlieferter Brief von Camerarius' Schwiegersohn Esrom Rüdinger vom 05.04.1558 belegt:[35] Darin berichtet dieser Camerarius von der Krankheit von dessen Tocher Anna. Weiterhin schreibt er, sie habe heute Camerarius' Panacea genommen, nämlich Tabletten mit Aloe. In der Folge wolle man Caspar Peucers Ratschläge befolgen.
Wie man sieht, stand Camerarius Familie und Freunden stets mit Rat und Tat bei Seite und ließ zuweilen sogar extra Medikamente für kranke Bekannte oder Familienangehörige anrühren oder Besorgungen tätigen: Zur Vermittlung einer Brille durch Camerarius an seinen Freund Helius Eobanus Hessus vgl. den Abschnitt ↓ Fieber, Haut- und Augenleiden. Von der hervorragenden Ausstattung von Camerarius' eigener Hausapotheke zeugt ein Brief Philipp Bechs vom 17.06.1547: Nach der Eroberung Leipzigs durch die kaiserlichen Truppen ist Bech vor Ort und informiert Camerarius über den Zustand von dessen Haus: Camerarius' Bücher, so schreibt er, seien unberührt. Verloren seien allerdings größere Teile von Möbeln und Liegen und insbesondere auch Latwergen, Kompositdrogen, Arzneiwein und -essig sowie Pflanzen- und Blütendestillaten.[36]
Dass studierte Ärzte für die Bemühungen des Laien Camerarius bisweilen aber nicht mehr als ein müdes Lächeln übrig hatten, zeigt eine Anekdote, die Camerarius selbst seinem Freund Hieronymus Wolf in einem Brief vom 15.10.1556 erzählt: Einmal habe er einem Bekannten ein Medikament empfohlen, mit dem Hinweis, vor der Einnahme noch den Rat eines Arztes zu suchen. Dies habe der Bekannte auch getan. Als er dem Arzt das Rezept zeigte und aussagte, es stamme von Camerarius, habe der Medicus gelacht und es zwar nicht verworfen, aber doch kritisiert und gesagt, Camerarius habe das Rezept wohl von irgendeinem griechischen Autor übersetzt.[37]
(Alexander Hubert)
Varii morbi - Camerarius als Patient (AH)
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Badbesuche (MG)
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"Pest" und Epidemiegeschehen (MG)
Anmerkungen
- ↑ Vgl. Fuchs, Apologiae tres, 1538, Bl. A1r.
- ↑ Nunc poteris ex his (in quo sunt omnia) plane / Non modo quid sapias discere, sed quid agas (Fuchs, De medendis passionibus ac febribus, 1539, Bl. 1r).
- ↑ Quique dedit multis sperato funere vitam, / Per te huic extincto nunc prope vita datur (Hippokrates, Epidemiōn liber sextus, 1537, Bl. A1v).
- ↑ Vgl. Meurer, De catarrhis disputatio, 1549, Bl. A1r/v.
- ↑ Vgl. OC 1032.
- ↑ Zum Begriff des fluxus vgl. auch Stolberg 2003, 129ff. und Stolberg 2022, 127f.
- ↑ Vgl. Meurer, De catarrhis disputatio, 1549, Bl. A1r.
- ↑ Vgl. Meurer, De catarrhis disputatio, 1549, Bl. A1v.
- ↑ Opp. hal. V, 95: ἀλκή δ' ἀνεμώλιος ἄφρων. Camerarius schreibt ῥώμη τις μὲν ἔειπεν ὃτ' ἐστ' ἀνεμώλιος ἄφρων (Meurer, De vera corroborandi ratione capita, 1555, Bl. A1r), unter Austausch des Wortes ἀλκή gegen ῥώμη; dies ermöglicht es ihm, den Wortstamm im Folgevers mit ἄρρωστος für "krank, kraft-los (= ohne ῤώμη)" aufzugreifen.
- ↑ Beachte die dritte Verwendung dieses Wortstocks in Antithese zum vorherigen ἄρρωστος.
- ↑ Vielleicht nach einem Zitat in Athen. deipn. XV, 50 (dann aber ungenau bzw. inkorrekt zitiert): ὑγιαίνειν μὲν ἄριστον ἀνδρὶ θνητῷ, / δεύτερον δὲ καλὸν φυὰν γενέσθαι, / τὸ τρίτον δὲ πλουτεῖν ἀδόλως.
- ↑ Vgl. Meurer, De recta medendi ratione, 1562, Bl. A1v.
- ↑ Hier wird Camerarius ebenso wie Hor. epist. I, 19, V. 6 auf die zahlreichen lobenden Epitheta anspielen, die Homer dem Wein beigibt.
- ↑ Vgl. Hoffmann, De vino eiusque partibus, 1558, Bl. A1v.
- ↑ Vgl. Ellinger, De erysipelate seu igne sacro, 1560, Bl. A2r/v.
- ↑ Vgl. Stolberg 2022, 507. "Even those in the highest circles of society – people who could easily afford the help of a physician – were keen to acquire medical knowledge and sometimes engaged in healing practices of their own" (ebd., 508). Vgl. auch Stolberg 2003, 112. Zum weit verbreiteten medizinischen Allgemeinwissen gehörte etwa das Wissen um die "klimakterischen", also gesundheitlich besonders kritischen Lebensjahre: Camerarius erwartet das als kritisch gesehene 63. Lebensjahr voller Sorge, wie er Lazarus von Schwendi am 16.10.1562 schreibt (vgl. OCEp 0928).
- ↑ Vgl. Camerarius, De Theriacis, 1533, Bl. a5v.
- ↑ Natur- und sittenphilosophische Themen haben, wie Camerarius in seinem großen rhetorischen Lehrwerk schreibt, in Briefen keinen Platz. Senecas Briefe an Lucilius seien ebenso wenig Briefe wie Ciceros Werk "De officiis", das ebenfalls einen Adressaten habe. Diese Themen kämen manchmal in kleineren Abschnitten vor, seien aber mit Vorsicht zu behandeln, wenn sie notwendig seien: [I]llae disputationes de natura et moribus, et tota philosophia, non sunt epistolae putandae, quanquam salus praescripta fuerit, sed libri. Nec magis Senecae scripta epistolae possunt videri, quod ad Lucilium missa sint cum praefatione amoris, quam Ciceronis de Officiis liber, similiter ad filium datus: et Plutarchi multa aliquibus inscripta opuscula. Quamvis et haec interdum incidunt, ut epistolis includantur: sed aliena tamen res est a toto genere. itaque caute et prudenter tractabitur, etiam tum, cum necesse fuerit (OC 0387, Camerarius, Elementa rhetoricae, 1541, 197).
- ↑ Vgl. die entsprechenden Datensätze unter http://www.aerztebriefe.de/.
- ↑ Vgl. München, BSB, Sgn. Clm 10376, Nr. 8, Bl. 9r. Joachim Camerarius d.J. verortet den Beginn dieser Studien ins Jahr 1539; aufgrund der dort erwähnten, bereits 1538 erschienenen Galenedition ist er jedoch um mindestens ein Jahr früher zu datieren. Immerhin zeugt schon die erwähnte Theriakschrift von 1533 von seiner gründlichen Kenntnis der Schriften Galens (s.o.). Vgl. auch das folgende.
- ↑ MBW - Regesten online, Nr. 1384 (dat. 07.12.1533): Cum autem in Galeno verseris, quo nos quoque utimur, te rogo, ut nobis impertias, siquos locos invenies, quos arbitrabere nobis profuturos, de temperamentis deque aliis, quae physici magis quam medici quaerunt. Cupimus inserere partes humani corporis. Quas si collegisti, quaeso, ut nobis communices. MBW - Regesten online, Nr. 1400 (dat. 24.01.1534): Galeno valde delector. Tu quoque velim, cum incides in locos venustos περὶ κράσεων aut de humoribus, mihi eos indices. Zu den weiteren Umständen der Entstehung von "De anima" vgl. Helm 1996, 303.
- ↑ Stolberg 2003, 76. Vgl. auch ebd., 84f.
- ↑ Vgl. Stolberg 2003, 76.
- ↑ "Haderte ein Schwerkranker mit seinem Schicksal, so konnte er damals in der Regel nicht auf Verständnis hoffen. Gefordert war nach der christlichen Ethik ein geduldiges Erleiden der Krankheit, die von Gott geschickt war" (Jütte 2013, 186).
- ↑ Vgl. OCEp 1001, Camerarius, Epistolae familiares, 1595, 137f.
- ↑ Vgl. Jütte 2013, 183.
- ↑ Jütte 2013, 184.
- ↑ Fieber waren in der frühen Neuzeit ein eigenes Krankheitsbild: "A 'fever' was not a symptom but a disease" (Stolberg 2022, 226). Zum Begriff des "Dreitagefiebers" vgl. ebd. 231.
- ↑ Vgl. OCEp 1043.
- ↑ Vgl. MBW - Regesten online, Nr. 3510: Nec dubito quin gravissimis caussis moveare, cur Ioachimum Camerarium et vere ames, et omni genere officii iuvandum esse censeas. ... Etsi igitur scio Te tuo iudicio tuaque voluntate omnia tua officia delaturum esse, tamen te oro, ut hac in re et Rempublicam ipsam intueare, et propter eam amanter excipias Ioachimum, et adiunctis aliquot Equitibus Würtzeburgum comiteris. Scis unde sit ei periculum, et quantum et quam iniustum (zitiert nach CR V, 356f Nr. 2910).
- ↑ Vgl. OCEp 0945.
- ↑ Stolberg 2003, 76.
- ↑ Vgl. OCEp 0942.
- ↑ "Zur Zeit der damaligen Bauern-Aufruhr hat [Roting] sich zu Bamberg eines entzuendeten Schenkels halben eine Zeitlang aufgehalten; und da ihm derselbe hat sollen abgeschnitten werden/ auch schon deswegen gebunden gewesen ist/ kam ohngefaehr Joach[im] Camerarius dazu und sagte: Nicht/ mein Freund/ Michael/ es ist besser zween als einen Schenkel haben/ ich will dir mit Huelf und Rath nach Moeglichkeit beyspringen. Wie er ihn denn auch hernach mit der Kur ligni Guaiaci gluecklich wieder herstellen lassen" (Will 1757, 411).
- ↑ Vgl. Jonge 1980.
- ↑ Vgl. http://www.aerztebriefe.de/id/00000192.
- ↑ Vgl. OCEp 0816 (Edition des Autographs bei Zäh 2013, Nr. 119).
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