Sturm an Camerarius, 11.10.1542: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 8. August 2024, 10:55 Uhr
Briefe mit demselben Datum | ||||||||||||||||||||||
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Werksigle | OCEp 1546 |
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Zitation | Sturm an Camerarius, 11.10.1542, bearbeitet von Vinzenz Gottlieb und Marion Gindhart (08.08.2024), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OCEp_1546 |
Besitzende Institution | |
Signatur, Blatt/Seite | |
Ausreifungsgrad | |
Erstdruck in | Sturm, Epitaphia, 1542 |
Blatt/Seitenzahl im Erstdruck | A4v-E8v |
Zweitdruck in | Fournier 1894 |
Blatt/Seitenzahl im Zweitdruck | S. 42-44 (Auszug) |
Sonstige Editionen | |
Wird erwähnt in | |
Fremdbrief? | nein |
Absender | Johannes Sturm |
Empfänger | Joachim Camerarius I. |
Datum | 1542/10/11 |
Datum gesichert? | nein |
Bemerkungen zum Datum | im Druck: quinto Idus Octobris (s. Anm.) |
Unscharfes Datum Beginn | |
Unscharfes Datum Ende | |
Sprache | Latein |
Entstehungsort | Straßburg |
Zielort | Leipzig |
Gedicht? | nein |
Incipit | Memini cum me post Claudii mortem commoneres |
Link zur Handschrift | |
Regest vorhanden? | ja |
Paratext ? | nein |
Paratext zu | |
Kurzbeschreibung | Bericht über die (Straßburger) Pesttoten 1541, nebst einem ausführlichen Nachruf mit Biographie auf Wolfgang Capito. |
Anlass | |
Register | Pest (Straßburg); Nachruf (Prosa); Politische Neuigkeiten; Konzil von Trient; Medizin; Biographie |
Handschrift | unbekannt |
Bearbeitungsstand | unkorrigiert |
Notizen | [[Notizen::VG (Diskussion) 10:18, 2. Feb. 2024 (CET) Viele Personen fehlen noch; verstorbene Kinder habe ich nicht angelegt (außer Wilhelm Zwingli). Der Brief kann für die Ärztebriefe und die Theologenbriefe noch einiges bieten.]] |
Wiedervorlage | nein |
Bearbeiter | Benutzer:VG; Benutzer:MG |
Gegengelesen von | Benutzer:MG |
Datumsstempel | 8.08.2024 |
Werksigle | OCEp 1546 |
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Zitation | Sturm an Camerarius, 11.10.1542, bearbeitet von Vinzenz Gottlieb und Marion Gindhart (08.08.2024), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OCEp_1546 |
Erstdruck in | Sturm, Epitaphia, 1542 |
Blatt/Seitenzahl im Erstdruck | A4v-E8v |
Zweitdruck in | Fournier 1894 |
Blatt/Seitenzahl im Zweitdruck | S. 42-44 (Auszug) |
Wird erwähnt in | |
Fremdbrief? | nein |
Absender | Johannes Sturm |
Empfänger | Joachim Camerarius I. |
Datum | 1542/10/11 |
Datum gesichert? | nein |
Bemerkungen zum Datum | im Druck: quinto Idus Octobris (s. Anm.) |
Sprache | Latein |
Entstehungsort | Straßburg |
Zielort | Leipzig |
Gedicht? | nein |
Incipit | Memini cum me post Claudii mortem commoneres |
Regest vorhanden? | ja |
Paratext ? | nein |
Kurzbeschreibung | Bericht über die (Straßburger) Pesttoten 1541, nebst einem ausführlichen Nachruf mit Biographie auf Wolfgang Capito. |
Register | Pest (Straßburg); Nachruf (Prosa); Politische Neuigkeiten; Konzil von Trient; Medizin; Biographie |
Datumsstempel | 8.08.2024 |
Zielort mutmaßlich
Regest
St. erinnert sich an C.‘ Tröstung (OCEp 1258) nach dem Tod von Claude de Féray und drückt seine Dankbarkeit darüber aus. Philosophische Überlegungen über Leben und Tod. Auch wenn man überzeugt sei, dass einen guten Christen nach dem Tod kein Übel erwarte, so wolle man diesen doch lieber lebend bei sich haben. Ohne Zweifel würde es C. trotz aller Selbsttröstung vorziehen, wenn er Simon Grynäus noch sehen könnte, anstatt ihn zu vermissen. Wie im vergangenen Jahr solle C. St. nun auch in diesem Jahr tröstend beistehen angesichts des Verlustes so vieler Personen.
Begonnen hätten die Trauerfälle mit der Mondfinsternis im März des Vorjahres: Nach Claude de Féray (12.3.1541) seien viele andere an der Pest gestorben: Dessen Schüler Ludwig Ricomus, der (Straßburger) Rechtsgelehrte Dr. Wendelin Bittelbrunn (27.3.), Sebastian, Sohn des (Straßburger) Quaestors (Gervasius Sopher) (15.3.). In dieser Zeit sei St. nach Regensburg gereist, wie C. wisse, der St. in Bad Wildbad getroffen habe. Den Ortswechsel habe St. vor Anfang April sowohl auf C.‘ Ermahnung wie auch auf die des Grynäus vorgenommen, der ebenfalls an St. sowie an Jakob Bedrott geschrieben habe. St. habe Trost durch Gespräche mit Freunden in Tübingen, Ulm und Regensburg gesucht. Er habe auf dem Weg nach Regensburg in Tübingen und Ulm sowie in Ingolstadt neue Freundschaften geschlossen und alte Freunde wiedergetroffen. In Regensburg habe er Bekannte vom Wormser Religionsgespräch (1541) wieder gesehen: Philipp Melanchthon und Martin Bucer seien über St.s Ankunft erfreut gewesen. Dies alles habe ihm den Kummer erleichtert. Betonung der Bedeutung von Freundschaft für St. Er sei bis kurz vor dem 15.5. unterwegs gewesen und hatte gehofft, dass das Gymnasium nun verschont bliebe, nachdem – wie nach Regensburg gemeldet worden war – nach Wendelin niemand mehr gestorben sei. Er habe seine Lehrtätigkeit in Straßburg wieder aufgenommen. Doch am 23.6. starb Nikolaus, der Sohn des Nikolaus Gerbel, was dreifache Trauer hervorrief (Verlust für Schule und Gemeinwesen; große und ansteckende Trauer seines Vaters; Angst vor den folgenden Monaten). Wegen des infektuösen Monats Juni befürchteten nun alle, dass August, September und die beiden Folgemonate viele Todesfälle brächten. Doch blieb der Juni ohne weiteres Seuchenopfer und auch im Juli verstarb niemand und die Schule schien erneut aus der Gefahr wie ein Schiff aus Schiffbruch gerettet zu sein. Diese Hoffnung aber war trügerisch, denn am 18.8.(?) starb Hieronymus Emmert, ein junger und vielseitig begabter Mann, den C. nicht kenne. Dessen Tod habe zu einer Auslagerung der Schule geführt. Sicherheit habe es nirgendwo gegeben: Denn in der Kartause vor der Stadt, in die man zog (Kartause Marienberg?), seien am Tag, als St. nach Lyon aufbrach, sechs Personen gleichzeitig infiziert worden, die übrigen seien mit ihren Lehrern über den Rhein nach Gengenbach geflohen. Bedrott aber habe den Sohn Ulrich Zwinglis separiert und in das drei Stunden von Straßburg entfernte Wasselonne geschickt. Dort sei der junge Mann aber am 15.09. gestorben.
Weitere Opfer waren: der Italiener Alexander (unbekannt); Caspar (12.9.), Sohn des Caspar Hedio, den C. ja gut kenne. Dieser habe außerdem seine Tochter Caritas (13.9.) sowie seine Söhne Johannes Ludwig (30.9., zweijährig) und Joseph (9.10., zehnjährig) verloren. Letzterem sei am nächsten Tag sein Lehrer Johannes Isemburg in den Tod gefolgt, ein wichtiger Mann für das Gymnasium und die Kirche Straßburgs. Die Schule habe also im September und Oktober gravierende Verluste erlitten. Über die Bürger der Stadt wolle St. nichts schreiben; der Schmerz über die allzu hohen Verluste wäre zu groß. St. war im September und Oktober in Lyon, kehrte aber vor Anfang November zurück. Da erfuhr er vom Tod des Eusebius Ökolampad, dem Sohn des Dr. Johannes Ökolampad; Eusebius' Stiefvater Wolfgang Capito folgte ihm am 4.11. Große Verluste erlitt Martin Bucer, dem die Ehefrau Elisabeth (Silbereisen), mit der er 20 Jahre verheiratet war, sowie die Töchter Anastasia (adulescentula), Sara (7.11., nubilis puella), Felicitas (vierjährig), Elisabeth (zwei Jahre älter als Sara) sowie der Sohn Martin (filiolus infans) starben. Über Bucers tapferes Ertragen dieser Schicksalsschläge und seine innere Trauer.
Der Tod des Jakob Bedrott, über den sogar Bucer weinte, sei aber für alle der schlimmste gewesen. St. lobt dessen moralische und charakterliche Vorzüge, seinen Einsatz für Schule und Kirche, seine Uneigennützigkeit und seine literarische und sprachliche Bildung und erwähnt dessen zahlreiche Briefe an Camerarius und Grynäus. Kurz zuvor war Bedrotts Sohn Jonas gestorben. Ein harter Schlag sei auch die Nachricht vom Tod des Simon Grynäus gewesen. Dieser habe von der Pest infiziert noch an St. geschrieben bzw. diktiert und seine Symptome geschildert (tumores ei septem in locis oriri et medicos putare ἄνθρακασ esse, et se magnis affici caloribus; B5r); wenige Tage später sei er gestorben. Damals war St. in Fomblaise mit dem Rechtsgelehrten Dr. Ludwig Gremp, dem Arzt Ulrich Ehinger und Jakob Villicus, der St. beim Thermenbesuch mit C. begleitet hatte. Die letzten beiden seien kurz danach gestorben, Villicus am 17.1.(1542). St. fügt hier eine Episode über Hundegebell und einen schwarzen Hund als Vorzeichen ein. Auch Bucers Diener Michael starb, ein junger litauischer Adliger, den ihm Melanchthon empfohlen hatte.[1] Danach starb, was das Gymnasium betraf, nur noch der junge Chrysostomus Hedio.
Den größten Teil des Briefes bildet eine Biographie des Wolfgang Capito (B7v-E3v) mit Blick auf Herkunft, Ausbildung, berufliche Stationen und theologische Positionen: Geboren in Hagenau als zweites von sechs Kindern, Eltern waren der Schmied Johann (Köpfle), ein späterer Ratsherr der Stadt, und Agnes Capa. Ausbildung in Pforzheim, Ingolstadt und Freiburg. Weihe zum Priester und zehn Jahre Tätigkeit in Freiburg, Johann Geiler von Kaysersberg und Gregor Reisch als kirchenpolitische Vorbilder; Berufung durch den Speyrer Bischof als Stiftsprediger nach Bruchsal, wo er auch Hebräisch lernte, später Berufung als Münsterprediger nach Basel. Dort schloss er Freundschaft mit Erasmus von Rotterdam, den Amerbach-Brüdern und Beatus Rhenanus. Er unterstützte Erasmus und Johannes Ökolampad bei der Übersetzung des Neuen Testaments und erklärte hebräische Texte. Domprediger in Mainz, Rat und Kanzler von Kardinal Albrecht (Brandenburg); mit diesem Reise zur Krönung von Karl V. nach Aachen, Teilnahme an den Reichstagen von Worms und Nürnberg. Danach verließ er die kurmainzischen Dienste und ging nach Straßburg, dort Propst des Thomasstifts und nach 'Orientierungsphase' Anschluss an die Kirchenkritiker Matthias Zellius, Martin Bucer und Antonius Furnius. Pfarrer an (Jung-)Sankt-Peter für 17 Jahre. Verteidiger der Priesterehe (mit langem Exkurs), er selbst war in erster Ehe mit Agnes (Roettel) verheiratet (Ausführung über Capitos physische Verfassung, biographische Miniatur über Agnes), nach deren Tod (an der Pest) heiratete er auf Anraten seiner Freunde die Witwe Ökolampads (Wibrandis).
Nach dieser Biographie kehrt St. zurück (E3v) zu Reflexionen über den destabilisierenden Verlust bedeutender Personen und über Misslichkeiten im Leben, die durch das Vertrauen auf das ewige Leben in Christus bewältigt werden können; weiterer Bericht über wichtige Persönlichkeiten, die in den letzten Jahren verstorben sind. St. nennt Erasmus, Guillaume Budé, Juan Luis Vives, Helius Eobanus Hessus und Franz Frosch. Ebenfalls Trauernde (in Straßburg) seien Ludwig Gremp, der seine Schwester Anna und seinen Bruder Heinrich verloren habe, Petrus Dasypodius, dessen Sohn kürzlich verstorben sei, und der Arzt Johann Winter von Andernach, der den Tod seiner Frau beklage. In Britannien sei Gottfried Sylvius an der Pest gestorben, verstorben seien auch Johannes Calcariensis und Tiloman Artopaeus. Freude über Rekonstituierung des Straßburger Gymnasiums, zugleich Klage über die (auch pekuniär) mangelnde Hochschätzung der literarischen und theologischen Bildung.
Aus Italien habe St. gerade von einer zuverlässigen Person erfahren, dass Kardinal Contarini im August gestorben sei, laut Andeutungen von Ärzten und Aussagen von Freunden durch Gift. Mit ihm habe man einen gelehrten und – wovon St. sich in Regensburg überzeugen konnte – ganz und gar nicht schlechten Mann verloren. Der Bischof von Modena sei Kardinal geworden und werde vielleicht dessen Nachfolger. Der Papst hätte beschlossen, zwecks Friedensverhandlungen Contarini zum Kaiser zu schicken und Kardinal Sadoleto zum König von Frankreich, obwohl Contarini bereits seit dem Regensburger Religionsgespräch in Ungnade gefallen sei.
Das Konzil zu Trient werde wohl nicht zusammentreten, wenn es nicht vor November Friede zwischen dem Kaiser und Frankreich gebe. Und selbst wenn, dann werde es kein effizientes Heilmittel für die Krankheiten der Kirche sein: Denn er kenne keinen Arzt, der sich selbst ein Brenneisen appliziere. St. wisse, dass C. aus den selben Gründen leide. Falls dieser aber ein Mittel dagegen wisse, solle er es ihm mitteilen.
(Vinzenz Gottlieb, Marion Gindhart)
Anmerkungen zur Datierung
Im Druck o.J.; durch die erwähnten Todesfälle (besonders Kardinal Contarini) auf 1542 zu datieren.
Anmerkungen
- ↑ Aus dem Melanchthon-Briefwechsel nicht ersichtlich, sofern keine Verwechslung mit dem Äthiopier Michael vorliegt: Vgl. MBW Nr. 1459.