Camerarius an Moritz von Hutten, 28.02.1540: Unterschied zwischen den Versionen
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Camerarius macht eingangs des Widmungsbriefes deutlich, dass er einerseits beabsichtige, über [[Erwähnte Person::Thukydides]], andererseits über die Pflege der schönen Künste und der Studien generell zu schreiben. Anderen Übersetzern seiner Zeit wirft Camerarius einen Ästhetizismus vor, der den politischen Nutzen der Schriften außer Acht lasse. Camerarius zeichnet für seine eigene Zeit das Bild eines gesellschaftlichen und politischen Notstandes. Aufgrund der Unsicherheit des Friedens und des ungewissen Ausgangs des Krieges verliere auch die Lebensführung ihre Ordnung. Dieser Zerfall manifestiere sich in einer Beliebigkeit individueller Zielsetzungen, die unter den Mitbürgern festzustellen sei. In dieser Situation bedürfe es der Bildung, für die sich Moritz von Hutten einsetzen solle. Camerarius weist auf ''metus'', ''pudor'' und ''desiderium'' als die zu fördernden Tugenden hin. Die Bildung verbessere den moralischen Zustand der Bevölkerung.<br /> | Camerarius macht eingangs des Widmungsbriefes deutlich, dass er einerseits beabsichtige, über [[Erwähnte Person::Thukydides]], andererseits über die Pflege der schönen Künste und der Studien generell zu schreiben. Anderen Übersetzern seiner Zeit wirft Camerarius einen Ästhetizismus vor, der den politischen Nutzen der Schriften außer Acht lasse. Camerarius zeichnet für seine eigene Zeit das Bild eines gesellschaftlichen und politischen Notstandes. Aufgrund der Unsicherheit des Friedens und des ungewissen Ausgangs des Krieges verliere auch die Lebensführung ihre Ordnung. Dieser Zerfall manifestiere sich in einer Beliebigkeit individueller Zielsetzungen, die unter den Mitbürgern festzustellen sei. In dieser Situation bedürfe es der Bildung, für die sich Moritz von Hutten einsetzen solle. Camerarius weist auf ''metus'', ''pudor'' und ''desiderium'' als die zu fördernden Tugenden hin. Die Bildung verbessere den moralischen Zustand der Bevölkerung.<br /> | ||
Daraufhin geht Camerarius auf Thukydides, den Autor der im Druck enthaltenen Schriften, ein. Er lobt ihn zunächst für Klugheit und Beredsamkeit und hebt seine Nützlichkeit für schwierige Entscheidungen hervor. Insbesondere streicht Camerarius aber nochmals die Ähnlichkeit der historischen Thematik mit der Gegenwart heraus. Aus Thukydides' Schriften könnten ''vaticinia'' entnommen werden, die sicherer seien als divinatorische Schriften. Die ''exempla'', die aus dem Geschichtswerk gewonnen werden können, seien gleichwertig mit ''praecepta prudentiae'' - "wissenschaftlichen Lehrsätzen". Dadurch sei die Lektüre des Thukydides-Textes auch für die Gegenwart höchst nützlich (''maxime utilis''). | Daraufhin geht Camerarius auf Thukydides, den Autor der im Druck enthaltenen Schriften, ein. Er lobt ihn zunächst für Klugheit und Beredsamkeit und hebt seine Nützlichkeit für schwierige Entscheidungen hervor. Insbesondere streicht Camerarius aber nochmals die Ähnlichkeit der historischen Thematik mit der Gegenwart heraus. Aus Thukydides' Schriften könnten ''vaticinia'' entnommen werden, die sicherer seien als divinatorische Schriften. Die ''exempla'', die aus dem Geschichtswerk gewonnen werden können, seien gleichwertig mit ''praecepta prudentiae'' - "wissenschaftlichen Lehrsätzen". Dadurch sei die Lektüre des Thukydides-Textes auch für die Gegenwart höchst nützlich (''maxime utilis''). | ||
(Jochen Schultheiß) | (Jochen Schultheiß) |
Version vom 15. Januar 2018, 07:20 Uhr
Briefe mit demselben Datum | ||||||||||||||||||
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Werksigle | OCEp |
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Zitation | Camerarius an Moritz von Hutten, 28.02.1540, bearbeitet von Jochen Schultheiß (15.01.2018), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OCEp |
Besitzende Institution | |
Signatur, Blatt/Seite | |
Ausreifungsgrad | Druck |
Erstdruck in | Thukydides, Historiae, 1540 |
Blatt/Seitenzahl im Erstdruck | Bl. A2r-A4r |
Zweitdruck in | Thukydides, Historiae (a), 1540 |
Blatt/Seitenzahl im Zweitdruck | Bl. A2r-A4r |
Sonstige Editionen | |
Wird erwähnt in | |
Fremdbrief? | nein |
Absender | Joachim Camerarius I. |
Empfänger | Moritz von Hutten |
Datum | 1540/02/28 |
Datum gesichert? | ja |
Bemerkungen zum Datum | Datierung des Briefes: III. Cal. Martii |
Unscharfes Datum Beginn | |
Unscharfes Datum Ende | |
Sprache | Latein |
Entstehungsort | o.O. |
Zielort | o.O. |
Gedicht? | nein |
Incipit | Cum visum esset hoc loco et de Thucydide |
Link zur Handschrift | |
Regest vorhanden? | ja |
Paratext ? | ja |
Paratext zu | Thukydides, Historiae, 1540 |
Kurzbeschreibung | Camerarius nutzt den Widmungsbrief zu seiner Thukydides-Ausgabe für theoretische Reflexionen über den politischen Nutzen einer Lektüre des griechischen Historikers, das Geschichtsbild, die Funktion der Geschichtsschreibung, die Maximen der Übersetzung, seine Bildungskonzeption sowie für zeitkritische Bemerkungen. |
Anlass | |
Register | Geschichtsschreibung; Griechische Geschichtsschreibung; Widmungsbrief; Geschichtsbild; Übersetzungstheorie; Bildungsdiskurs |
Handschrift | unbekannt |
Bearbeitungsstand | korrigiert |
Notizen | |
Wiedervorlage | ja |
Bearbeiter | Benutzer:JS |
Gegengelesen von | |
Datumsstempel | 15.01.2018 |
Werksigle | OCEp |
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Zitation | Camerarius an Moritz von Hutten, 28.02.1540, bearbeitet von Jochen Schultheiß (15.01.2018), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OCEp |
Ausreifungsgrad | Druck |
Erstdruck in | Thukydides, Historiae, 1540 |
Blatt/Seitenzahl im Erstdruck | Bl. A2r-A4r |
Zweitdruck in | Thukydides, Historiae (a), 1540 |
Blatt/Seitenzahl im Zweitdruck | Bl. A2r-A4r |
Wird erwähnt in | |
Fremdbrief? | nein |
Absender | Joachim Camerarius I. |
Empfänger | Moritz von Hutten |
Datum | 1540/02/28 |
Datum gesichert? | ja |
Bemerkungen zum Datum | Datierung des Briefes: III. Cal. Martii |
Sprache | Latein |
Entstehungsort | o.O. |
Zielort | o.O. |
Gedicht? | nein |
Incipit | Cum visum esset hoc loco et de Thucydide |
Regest vorhanden? | ja |
Paratext ? | ja |
Paratext zu | Thukydides, Historiae, 1540 |
Kurzbeschreibung | Camerarius nutzt den Widmungsbrief zu seiner Thukydides-Ausgabe für theoretische Reflexionen über den politischen Nutzen einer Lektüre des griechischen Historikers, das Geschichtsbild, die Funktion der Geschichtsschreibung, die Maximen der Übersetzung, seine Bildungskonzeption sowie für zeitkritische Bemerkungen. |
Register | Geschichtsschreibung; Griechische Geschichtsschreibung; Widmungsbrief; Geschichtsbild; Übersetzungstheorie; Bildungsdiskurs |
Datumsstempel | 15.01.2018 |
Regest
Camerarius macht eingangs des Widmungsbriefes deutlich, dass er einerseits beabsichtige, über Thukydides, andererseits über die Pflege der schönen Künste und der Studien generell zu schreiben. Anderen Übersetzern seiner Zeit wirft Camerarius einen Ästhetizismus vor, der den politischen Nutzen der Schriften außer Acht lasse. Camerarius zeichnet für seine eigene Zeit das Bild eines gesellschaftlichen und politischen Notstandes. Aufgrund der Unsicherheit des Friedens und des ungewissen Ausgangs des Krieges verliere auch die Lebensführung ihre Ordnung. Dieser Zerfall manifestiere sich in einer Beliebigkeit individueller Zielsetzungen, die unter den Mitbürgern festzustellen sei. In dieser Situation bedürfe es der Bildung, für die sich Moritz von Hutten einsetzen solle. Camerarius weist auf metus, pudor und desiderium als die zu fördernden Tugenden hin. Die Bildung verbessere den moralischen Zustand der Bevölkerung.
Daraufhin geht Camerarius auf Thukydides, den Autor der im Druck enthaltenen Schriften, ein. Er lobt ihn zunächst für Klugheit und Beredsamkeit und hebt seine Nützlichkeit für schwierige Entscheidungen hervor. Insbesondere streicht Camerarius aber nochmals die Ähnlichkeit der historischen Thematik mit der Gegenwart heraus. Aus Thukydides' Schriften könnten vaticinia entnommen werden, die sicherer seien als divinatorische Schriften. Die exempla, die aus dem Geschichtswerk gewonnen werden können, seien gleichwertig mit praecepta prudentiae - "wissenschaftlichen Lehrsätzen". Dadurch sei die Lektüre des Thukydides-Textes auch für die Gegenwart höchst nützlich (maxime utilis).
(Jochen Schultheiß)