Camerarius an Theodoricus, 25.08.1569

Aus Joachim Camerarius (1500-1574)
Wechseln zu: Navigation, Suche



Chronologisch vorhergehende Briefe
Briefe mit demselben Datum
Chronologisch folgende Briefe
kein passender Brief gefunden
 Briefdatum
Camerarius an Theodoricus, 25.08.156925 August 1569 JL

kein passender Brief gefunden

Werksigle OCEp 1519
Zitation Camerarius an Theodoricus, 25.08.1569, bearbeitet von Marion Gindhart (23.10.2024), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OCEp_1519
Besitzende Institution
Signatur, Blatt/Seite
Ausreifungsgrad Druck
Erstdruck in Camerarius, De notis numerorum, 1569
Blatt/Seitenzahl im Erstdruck Bl. A2r-B8v
Zweitdruck in
Blatt/Seitenzahl im Zweitdruck
Sonstige Editionen
Wird erwähnt in
Fremdbrief? nein
Absender Joachim Camerarius I.
Empfänger Sebastianus Theodoricus
Datum 1569/08/25
Datum gesichert? ja
Bemerkungen zum Datum Briefdatum: d. XXV. m. Sextilis. anno Christi Iesu M.D.LXIX.
Unscharfes Datum Beginn
Unscharfes Datum Ende
Sprache Latein
Entstehungsort Leipzig
Zielort Wittenberg
Gedicht? nein
Incipit Libellum, de quo nuper sumus hic collocuti
Link zur Handschrift
Regest vorhanden? ja
Paratext ? ja
Paratext zu Camerarius, De notis numerorum, 1569
Kurzbeschreibung Der Brief begleitet den Text der von Camerarius überarbeiteten Ausgabe von "De notis numerorum", den er Theodoricus zur Durchsicht und (kontrollierten) Drucklegung nach Wittenberg übermittelt. Die mangelhafte Nürnberger Ausgabe von 1557 wird um Erklärungen zur "Arithmetik" des Nikomachos von Gerasa ergänzt, bei denen Camerarius einem griechischen Text als Vorlage folgt, den er von Hieronymus Baumgartner erhalten hatte. An diese Erwähnung Baumgartners schließt sich eine Biographie an, die den größten Teil des Briefes füllt.
Anlass
Register Briefe/Widmungsbriefe; Mathematik; Übersetzung; Kommentar; Werkgenese; Biographie; Biographisches (Buchbesitz); Bildungsdiskurs; Arithmetik
Handschrift unbekannt
Bearbeitungsstand korrigiert
Notizen
Wiedervorlage ja
Bearbeiter Benutzer:MG
Gegengelesen von
Datumsstempel 23.10.2024
Werksigle OCEp 1519
Zitation Camerarius an Theodoricus, 25.08.1569, bearbeitet von Marion Gindhart (23.10.2024), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OCEp_1519
Ausreifungsgrad Druck
Erstdruck in Camerarius, De notis numerorum, 1569
Blatt/Seitenzahl im Erstdruck Bl. A2r-B8v
Wird erwähnt in
Fremdbrief? nein
Absender Joachim Camerarius I.
Empfänger Sebastianus Theodoricus
Datum 1569/08/25
Datum gesichert? ja
Bemerkungen zum Datum Briefdatum: d. XXV. m. Sextilis. anno Christi Iesu M.D.LXIX.
Sprache Latein
Entstehungsort Leipzig
Zielort Wittenberg
Gedicht? nein
Incipit Libellum, de quo nuper sumus hic collocuti
Regest vorhanden? ja
Paratext ? ja
Paratext zu Camerarius, De notis numerorum, 1569
Kurzbeschreibung Der Brief begleitet den Text der von Camerarius überarbeiteten Ausgabe von "De notis numerorum", den er Theodoricus zur Durchsicht und (kontrollierten) Drucklegung nach Wittenberg übermittelt. Die mangelhafte Nürnberger Ausgabe von 1557 wird um Erklärungen zur "Arithmetik" des Nikomachos von Gerasa ergänzt, bei denen Camerarius einem griechischen Text als Vorlage folgt, den er von Hieronymus Baumgartner erhalten hatte. An diese Erwähnung Baumgartners schließt sich eine Biographie an, die den größten Teil des Briefes füllt.
Register Briefe/Widmungsbriefe; Mathematik; Übersetzung; Kommentar; Werkgenese; Biographie; Biographisches (Buchbesitz); Bildungsdiskurs; Arithmetik
Datumsstempel 23.10.2024


Regest

Camerarius schicke seine Schrift ("De notis numerorum"), über die er sich mit Theodoricus neulich unterhalten habe, diesem nun endlich zu. Er habe sie so überarbeitet, dass sie nun lesbar und nützlich sei. Die mangelhafte Qualität der ersten Ausgabe (von 1557), die er freilich nicht verschuldet habe, habe ihn beschämt und musste die Leser abschrecken. Nun aber werde durch die sorgfältige Durch- und Aufsicht des Theodoricus (Anm. 1) diese fehlerhafte Edition ausgemerzt.
Die Ausbildung in der Artihmetik sei als Propädeutik nötig für die intellektuelle Entwicklung (Est enim certe vel secundum Platonem, ad veritatis cognitionem, vel omnino, ad liberalis doctrinae & bonarum artium eruditionem necessaria Arithmetices disciplinae praeparatio, ut ad cogitandum de praecipuis rebus ingenia exerceantur, & rationes in animis explicentur, & iudicia conformentur, A2v).
Teile der folgenden Ausführungen (illa posteriore loco exposita de numeris serie quadam horum, A3r) habe er aus einer in Paris gedruckten Sammlung entnommen mit dem Titel "Θεολογούμενα" (s. Anm. 2), die er von dem hochgeschätzten Claudius Textor erhalten habe. Dabei habe er freilich alle darin verhandelten subtilitates außen vor gelassen (A3v) und nur exzerpiert, was er durch seine Erläuterung verfeinern konnte und was er für die Rezipienten als nützlich erachtete. Zudem schien ihm an der programmatisch verhandelten divinitas gar nichts Heiliges zu sein (ebd.). Seine lateinischen Erklärungen zu Nikomachos gingen auf eine Schrift zurück, die er einst von Hieronymus Baumgartner d.Ä. erhalten habe. Er habe sie vorlagengetreu übersetzt, sei bei seiner Übertragung manchmal aber von der forma vulgaris (A4r) abgewichen. Jeder, der sich damit beschäftige, benötige zumindest mittelmäßige Griechischkenntnisse.
Die Erwähnung von Baumgartner konfrontiere ihn nun wieder mit der Erinnerung an ihre Verbundenheit und mit dem Schmerz über den Verlust (Anm. 3). Zudem denke er an die Schwierigkeiten und Unglücke, die dieser ertragen musste.
Es folgt ein Abriss über das Leben Baumgartners, der als hochgebildeter Freund von Melanchthon und Camerarius, als überzeugter Anhänger der Wittenberger Reformation mit vielen Tugenden und als in zahlreichen Ämtern tätiger, hochgeschätzter Nürnberger gezeichnet wird (A4v-B7v):
Die Biographie beginnt mit Hieronymus Baumgartners Herkunft, einer Würdigung seines Vaters Bernhard (korrekt: Gabriel) und der Erwähnung seiner Geschwister. Er sei sehr früh ausgebildet worden in den bonae litterae und der erudita doctrina, die er – trotz vielfältiger Belastungen und Verpflichtungen – sein Leben lang pflegte (A6r). Mit 12 Jahren war er bereits Schüler von Jakob Locher (in Ingolstadt). Zu dieser Zeit begann in Deutschland ein Bildungsaufbruch, freilich gegen Widerstände. Diese gäbe es auch jetzt gegen die Früchte der Bildung (mit Invektive), so dass zu befürchten sei, dass man in die alten Irrtümer zurückfalle.
Baumgartner studierte 1518 in Leipzig, wo die bonae litterae recht intensiv gepflegt wurden, auch wenn Johannes Aesticampianus von dort vertrieben wurde. Richard Croke und Petrus Mosellanus lehrten dort. Der gute Ruf der Universität zog viele Studenten von überall her an, so auch Baumgartner. Bereits im selben Jahr wechselte er jedoch mit anderen Studierenden nach Wittenberg u.a. wegen einer Seuche und Hungersnot vor Ort. Baumgartner schloss dort Freundschaft mit den wichtigsten Personen der Universität (darunter eine langdauernde und intensive mit Melanchthon) und war bei allen beliebt. Er kümmerte sich um seine religiöse Entwicklung, zeigte sich aber auch sehr an den Alten Sprachen interessiert. Er habe sich zwar später gegrämt, dass er angesichts der mittlerweile fortgeschrittenen doctrina Graeca (A8v) zu früh studiert habe, habe aber, so Camerarius, dennoch "fast perfekte" Griechischkenntnisse (ebd.) besessen.
Nach dem Tod des Propstes von St. Sebald in Nürnberg wurde ihm in absentia das Amt übertragen, das er ausschlug. Bald darauf wurde er noch unverheiratet in den Nürnberger Rat gewählt (1525), verlobt war er mit Sibylla (Dichtel), deren Vater wegen des Einstehens für sein religiöses Bekenntnis (er sympathisierte mit der Lehre Luthers) später gravierende Nachteile ertragen musste. Nach dem Bauernkrieg und seiner Hochzeit (1526) wurde er Beisitzer im Landgericht und da er sich immer weiter bewährte und sich durch persönliche Tugenden auszeichnete, wurde er mit wichtigen diplomatischen Sendungen seitens des Nürnberger Rates betraut (z.B. zum Augsburger Reichstag 1530, mit kurzer Stellungnahme). Baumgartner musste viele Reisen auf sich nehmen und geriet immer wieder in Gefahr. Nach dem Reichstag zu Speyer (1544) wurde er gefangengenommen (mit Erläuterung des Hintergrundes in Zusammenhang mit dem Schwäbischen Bund und dessen Auflösung) und 14 Monate festgehalten trotz aller Bemühungen der Stadt Nürnberg. Dort wurde er schmerzlich vermisst und nach seiner Freilassung herzlich empfangen. Nie habe Baumgartner verbittert über die Zeit seiner Gefangenschaft berichtet.
Er hatte (seit 1533) die Leitung des reichstädtischen Kirchen- und Schulwesens und der Witwen- und Waisenfürsorge inne, war Älterer Herr (im Septemvirat), Siegelverwalter und (seit 1553) bis zu seinem Tod Mitglied des Triumvirates (als einer der drei Vordersten Ratsherren). Er starb einen ruhigen, frommen Tod und gab auf seinem Krankenlager noch wertvolle Ratschläge für die Angelegenheiten der Stadt, insbesondere für die kirchlichen Belange (mit Wiedergabe seiner irenischen Hinweise). Baumgartner wird zusammenfassend gewürdigt als vir optimus, & benignitate divina publice patriae & privatim multorum commodis utilitatibusque & necessitatibus quoque impertitus. Qui ope consilioque profuit quamplurimis, sciens & volens obfuit nemini. (B6v).
Am Ende folgt eine persönliche Würdigung durch Camerarius: Er und der zwei Jahre ältere Baumgartner hätten sich von Jugend an gekannt und ihre Beziehung zeichnete sich durch tiefes Vertrauen aus, so dass sie bedeutende und bisweilen auch geheime Angelegenheiten (res occultae, B7r) miteinander besprechen konnten. Sie kommunizierten miteinander in Gesprächen und Briefen. Mit Baumgartner verlor er jemanden, der sich im Glück mit ihm freute und ihn im Unglück tröstete.
Von ihm habe er nicht nur die Schrift erhalten, aus der er seine Erläuterungen zu Nikomachos' "Arithmetik" genommen habe, sondern auch die beiden Bücher "De motu circulari corporum caelestium" von Kleomedes, die vor einigen Jahren in einer schlechten Ausgabe gedruckt worden waren. Diese wolle er – so es seine Gesundheit und seine Zeit erlauben – ersetzen.
Theodoricus solle jedenfalls mit dem ihm übersandten Text verfahren, wie er es für richtig halte. Er sei überzeugt, dass ihm seine Ausführungen zu Baumgartner gefallen werden. Das hohe Alter dürfe nicht von der Bewahrung und Beförderung der doctrina liberalis abhalten (B8r), da man daraus hohen Gewinn ziehen kann, wenn die Bemühungen auf Gottes Ruhm ausgerichtet sind. Er wünsche Theodoricus alles Gute und hoffe, dass er weiterhin wohlwollend ihm gegenüber bleibe.

(Marion Gindhart)

Anmerkungen

Zu den biographischen Schriften des Camerarius vgl. Stählin 1936; zur Vita Baumgartners vgl. zuletzt Mährle 2019 mit weiterer Literatur; zur vorliegenden Biographie von Camerarius vgl. Mährle 2024.