Camerarius an Boner, 01.09.1555
Briefe mit demselben Datum | ||||||
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Werksigle | OCEp 1424 |
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Zitation | Camerarius an Boner, 01.09.1555, bearbeitet von Alexander Hubert und Marion Gindhart (28.04.2022), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OCEp_1424 |
Besitzende Institution | |
Signatur, Blatt/Seite | |
Ausreifungsgrad | |
Erstdruck in | Synesius, De regno ad Arcadium, 1555 |
Blatt/Seitenzahl im Erstdruck | Bl. A2r-A8r |
Zweitdruck in | |
Blatt/Seitenzahl im Zweitdruck | |
Sonstige Editionen | |
Wird erwähnt in | |
Fremdbrief? | nein |
Absender | Joachim Camerarius I. |
Empfänger | Johannes Boner |
Datum | 1555/09/01 |
Datum gesichert? | ja |
Bemerkungen zum Datum | Der Widmungsbrief datiert CL. Septemb. (s.a.) |
Unscharfes Datum Beginn | |
Unscharfes Datum Ende | |
Sprache | Latein |
Entstehungsort | Leipzig |
Zielort | Krakau |
Gedicht? | nein |
Incipit | Incidi his diebus in lectionem disputationis cuiusdam de regno |
Link zur Handschrift | |
Regest vorhanden? | ja |
Paratext ? | ja |
Paratext zu | Synesius, De regno ad Arcadium, 1555 |
Kurzbeschreibung | Der Widmungsbrief an Boner soll, so Camerarius, als eine Art Vorwort für seine Übersetzung von Synesios' "Königsrede" fungieren. Ausführlich reflektiert wird unter anderem über den Nutzen der Schrift in der gegenwärtigen Krisenzeit, über die Spannung zwischen Worten und Taten, Theorie und Praxis und deren Konjunkturen und Interaktionen, über die drohende barbaries und ihre Vermeidung durch die gottgewollte Vermittlung, Pflege und Förderung der bonae artes und der literarum studia, über die Schwierigkeit des Übersetzens allgemein und speziell im Fall des Synesios. |
Anlass | |
Register | Briefe/Widmungsbriefe; Übersetzungstheorie; Übersetzung; Bildungsdiskurs; Stilkritik |
Handschrift | unbekannt |
Bearbeitungsstand | korrigiert |
Notizen | |
Wiedervorlage | ja |
Bearbeiter | Benutzer:HIWI; Benutzer:MG |
Gegengelesen von | |
Datumsstempel | 28.04.2022 |
Werksigle | OCEp 1424 |
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Zitation | Camerarius an Boner, 01.09.1555, bearbeitet von Alexander Hubert und Marion Gindhart (28.04.2022), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OCEp_1424 |
Erstdruck in | Synesius, De regno ad Arcadium, 1555 |
Blatt/Seitenzahl im Erstdruck | Bl. A2r-A8r |
Fremdbrief? | nein |
Absender | Joachim Camerarius I. |
Empfänger | Johannes Boner |
Datum | 1555/09/01 |
Datum gesichert? | ja |
Bemerkungen zum Datum | Der Widmungsbrief datiert CL. Septemb. (s.a.) |
Sprache | Latein |
Entstehungsort | Leipzig |
Zielort | Krakau |
Gedicht? | nein |
Incipit | Incidi his diebus in lectionem disputationis cuiusdam de regno |
Regest vorhanden? | ja |
Paratext ? | ja |
Paratext zu | Synesius, De regno ad Arcadium, 1555 |
Kurzbeschreibung | Der Widmungsbrief an Boner soll, so Camerarius, als eine Art Vorwort für seine Übersetzung von Synesios' "Königsrede" fungieren. Ausführlich reflektiert wird unter anderem über den Nutzen der Schrift in der gegenwärtigen Krisenzeit, über die Spannung zwischen Worten und Taten, Theorie und Praxis und deren Konjunkturen und Interaktionen, über die drohende barbaries und ihre Vermeidung durch die gottgewollte Vermittlung, Pflege und Förderung der bonae artes und der literarum studia, über die Schwierigkeit des Übersetzens allgemein und speziell im Fall des Synesios. |
Register | Briefe/Widmungsbriefe; Übersetzungstheorie; Übersetzung; Bildungsdiskurs; Stilkritik |
Datumsstempel | 28.04.2022 |
Regest
Camerarius habe in diesen Tagen zufällig eine Rede über das regnum von Synesios gelesen, einem sichtlich klugen, gebildeten und beredtem Mann. Ihm habe dessen Art zu (be)lehren gut gefallen und auch die gelehrte Art der Darlegung. Deswegen habe er beschlossen, das Werk ins Lateinische zu übersetzen, um es vielen zugänglich zu machen. Dies sei zumal in dieser Zeit nötig, da doch einige, die von den alten Tugenden und Lebensweisen abwichen, wie Kranke eine Medizin bräuchten. Und wie an Seuchen zwar viele sterben, einige aber durch die Bemühungen der Ärzte gerettet werden, so brauche der Staat, der an einer Anhäufung von Lastern kranke, dringend die ausgezeichneten Vorschriften der Philosophie. Denen folgten zwar nur wenige, aber doch manche. Manch einer von diesen freue sich gar übermäßig über diese Vorschriften, wie jener, der sage, er schätze den Rat eines weisen Mannes mehr als Gold (Μᾶλλον ἐγὼ πινυτοῖο παραίφασιν ἀνέρος εὑρὼν / τέρψομαι, ἤπερ χρυσὸν ἁπάντων κοίρανον ἀνδρῶν, ps.-orphische "Lithika" 92f.).
Als er mit seiner Übersetzung begonnen habe, habe er zufällig einen Brief von Georg Joachim (Rheticus) erhalten, in dem die Tugend und Klugheit Boners gerühmt wurde und auch dessen materielle Großzügigkeit gegenüber Rheticus. So habe er beschlossen, Boner seine Übersetzung zu schicken, damit sie unter möglichst vielen gebildeten Männern verbreitet werde; mit diesen sei Boner ja nicht nur bekannt, viele davon seien Freunde und Vertraute.
Vor der Darbietung der Rede wolle er aber zunächst über einige Inhalte mit ihm, Boner, in einer Art Vorwort sprechen, denn er glaube, dass Boner wie er und andere sich frage, warum gerade in diesen Zeiten des Sittenverfalls wenig oder gar nichts zu dessen Besserung unternommen werde. Zeichen des nahenden Untergangs könne man überall erkennen. Dies jedoch sei nicht die Schuld derer, die ernsthaft gegen das Unheil ankämpften, sondern liege daran, dass man zu spät zur Medizin gegriffen habe, nämlich als die Krankheit schon zu stark geworden sei, wie es bei dem Dichter (Ovid) heiße (sero medicina paratur, / Cum mala per longas invaluere moras, Ovid, Remedia amoris 91f.).
Man könne wie in einem Spiegel aus der Geschichte Anfang, Fortschritt und Untergang aller Dinge beobachten, die nützlich und lobenswert sind. Dabei werde es sich als eine Art Naturgesetz zeigen, dass hervorragende Menschen kaum gerühmt werden, so daß die Rhetorik vom Eifer, etwas außergewöhnliches zu leisten, übertroffen werde. Deshalb seien zweifelsohne die Menschen mit herausragendem Talent und Wissen besonders zu den Zeiten und an den Orten mit den wenigsten Schriftzeugnissen in Erscheinung getreten. Die größten Anführer und Feldherren seien nicht von den Kriegsberichten geformt worden, sondern durch militärisches Training und Erfahrung. An Romulus habe sicher niemand geschrieben, wie ein Staat eingerichtet werden müsse, an Caesar und andere dagegen schrieben viele angesichts dessen, dass sich der Staat - wie einst im Werden - nun im Untergang befand.
Ebenso verhalte es sich auch mit anderen Fähigkeiten und Künsten: Denn wann hätten die Menschen jemals nachlässiger und ungeschliffener gesprochen als zu den Zeiten, da es eine Flut an Grammatikbüchern gegeben habe? Was sei nach Demosthenes und Cicero noch an rhetorischen Schriften erhalten? Dennoch sei bekannt, welche Art von Rhetorik danach existierte.
Nicht anders sei es bei der Architektur, der Malerei und vielen anderen Dingen. Herodot, den er sehr schätze, schrieb im Buch "Thalia" (i.e. im dritten Buch der "Historiae"): Es gebe viele Dinge, die man mit Worten nicht erklären könne, nur an der Sache selbst. Andere Dinge könnten freilich mit Worten erklärt werden, danach gebe es aber keine rühmenswerte Errungenschaft auf diesem Gebiet mehr. Natürlich fehle in dieser lateinischen Paraphrase die Eleganz und der Glanz der griechischen Darstellung, die einerseits durch die Wortwahl, andererseits durch die Komposition so süß sei, dass selbst die Muse, deren Name das Buch ziert, es nicht schöner hätte machen können. Und so lässt Camerarius auch das griechische Original folgen (Πολλά ἐστι τὰ λόγῳ μὲν οὐκ οἷά τε δηλῶσαι, ἔργῳ δέ· ἄλλα δ᾿ ἐστὶ τὰ λόγῳ μέν οἷά τε, ἔργον δὲ οὐδὲν ἀπ᾿ αὐτῶν λαμπρὸν γίνεται, Herodot, Historiae 3,72).
Der Passus besage, dass Weisheit und Tugend von selbst wirksam seien auch ohne Worte. Die Kunst des Vortrags und der vielseitigen Rede werde hierfür nicht benötigt und verschwinde schließlich oft, sodass (im Gegenzug) die geschwätzigsten Menschen am wenigsten weise und tapfer seien. Dies gelte so weit, dass in manchen Bereichen diejenigen, die besonders beredt und gleichsam Künder ihrer Kunst sind, die am wenigsten beeindruckenden Werke hervorbrächten. Dagegen überließen die wahrhaft göttlichen Künstler, die großartige Werke schaffen, die Theorie anderen.
Nun rage aber unter allen Künsten die Fähigkeit zu guter und eleganter Rede besonders hervor; ohne sie könne nichts gelobt, keine Kunst oder Wissenschaft erklärt werden. Wenn nun aber gerade dann die wenigsten Meister des Lebens oder anderer Dinge existierten, wenn es die meiste Theorie gebe und die Sachen in den Worten beinahe verschwinden: Mit welchen Worten habe er so oft für die studia literarum atque bonarum artium (A4r/v) geworben? Doch wie sage der Dichter (Horaz)? Bildung verstärkt die angeborene Kraft (doctrina sed vim promovet insitam, Horaz, Carmina 4,4,33). Horaz habe recht, aber er auch. Dies müsse man genauer erläutern:
Erstens habe die Natur den Lauf der Welt so eingeteilt, dass die Menschen bald tapfer, ausgezeichnet und klug lebten, bald eine derartige Lebensweise mit Worten verherrlicht werde. Das eine sei die Zeit der lobenswerten Taten, das andere die der Beredsamkeit. Ebenso würde bald über die Künste gesprochen und geschrieben, bald würden sie großartig ausgeführt. Theorie und Praxis aber unterscheiden sich so voneinander, dass, wenn erstere nicht so sehr glänzt, letztere oft umso heller erstrahlt.
Da nun aber das, was zum Lob und Ruhm der Taten diene, diesen naturgemäß nachfolge, wie etwa die Werke Homers den Handlungen Achills, müsste beides getrennt werden, damit das eine das andere anstacheln könne. Denn wenn Tugend und Weisheit aus dem Blickfeld der Menschen verschwänden, folge die Beredsamkeit, welche die Vergangenheit durch Worte wieder zurückhole, um die Menschen dadurch zu belehren und das Verlorene durch Kunst und Literatur zurückzubringen. Und um an dieser Stelle auch etwas zum Grundstein aller Wissenschaften, der Grammatik, zu sagen: Wären deren Regeln nicht so sorgfältig schriftlich festgehalten worden, so hätten die aus dem Blick geratenen und fast vollkommen vergessenen studia bonarum artium & humanitatis (A5r) niemals wieder hergestellt werden können. Eine große Menge an Gesetzen könne die Übel im Staat zwar nicht eindämmen, ihre Niederschrift jedoch sei für jede folgende Verfassung nützlich.
Wie man also eingestehen müsse, dass immer die Zeiten glücklicher sind, in denen die Menschen und Künste prosperieren, die später durch das ingenium der Gelehrten und die Farben der Worte geschmückt werden, so müsse man doch auch die Fülle an literae et artes bonae (A5r), welche die vergangene Goldene Zeit festhalten und vermitteln, für ein Gottesgeschenk halten. Wenn dies aber durch die göttliche Milde dargeboten werde, während die Sitten sonst verfallen, sei die Lage höchst kritisch. Denn entweder nähmen die Menschen das Geschenk an, was wieder Hoffnung ermögliche, oder sie wiesen es zurück, was unmittelbar in die tiefste Barbarei (barbaria, A5r) führe. Deshalb dürfe und könne auch Homer nicht mit der Tapferkeit des Achill oder dem Vorrang des Agamemnon verglichen werden; doch konnten seine Bücher den mächtigsten Potentaten Wissen vermitteln und sie dazu bewegen, Dinge zu tun, die ihren Bürgern größte Vorteile, ihnen selbst einen guten Ruf und ihren Nachfahren ewigen Ruhm einbrachten. Manche verachteten ihn und ähnliche Verkünder von Tugend und Weisheit. Er und gleichsam ein "Unwetter seiner Zeit" (sui saeculi quasi tempestas quaedam, A5v) habe alles ins Verderben gestürzt; das vergangene Glück sei verschwunden zugunsten aller denkbaren Übel (στεναγμός, ἄτη, θάνατος, αἰσχύνη, κακῶν / ὅσ' ἐστὶ πάντων ὀνόματ', οὐδέν ἐστ' ἀπόν, Sophokles, Oedipus rex 1284f.). Das mythische Bild, das die Dichter für solche barbarischen Ungeheuerlichkeiten anbieten, seien die Kyklopen und die Laistrygonen; bei den Kyklopen höre niemand auf den anderen oder sorge sich um ihn und wie die Laistrygonen töten und essen sie Fremde. Kein Lob, kein Verweis auf die gemeinsame condicio humana, keine Furcht vor Gott o.Ä. könne diese verhärteten Gemüter bewegen.
Die Kyklopen scherten sich nämlich bekanntlich nicht um die Götter (dies belegt Camerarius mit einer lateinischen, metrischen Version von νήπιός εἰς, ὦ ξεῖν', ἢ τηλόθεν εἰλήλουθας, / ὅς με θεοὺς κέλεαι ἢ δειδίμεν ἢ ἀλέασθαι. / οὐ γὰρ Κύκλωπες Διὸς αἰγιόχου ἀλέγουσιν / οὐδὲ θεῶν μακάρων, ἐπεὶ ἦ πολὺ φέρτεροί εἰμεν, Homer, Odyssee 9,273-276). Dort sage Polyphem schließlich auch zu Odysseus, er werde ihn als letzten verspeisen nach seinen Gefährten, und das sei sein Gastgeschenk (ebenfalls als metrische lateinische Variante von Οὖτιν ἐγὼ πύματον ἔδομαι μετὰ οἷσ' ἑτάροισι, / τοὺς δ' ἄλλους πρόσθεν· τὸ δέ τοι ξεινήϊον ἔσται. Homer, Odyssee 9, 369f.). Dies sei sarazenische Barbarei, weit entfernt von Tugend, Weisheit und Bildung, verbrecherisch und frevelhaft. Wenn man dies nicht wolle, müsse man die bonae artes pflegen, die hier gleichsam als gottgegebenes Heilmittel erscheinen. Manche wiesen dies aber zurück und gebärdeten sich jetzt auch hier so schlimm, dass sie bald die Grenzen äußersten barbarischen Wahnsinns überschreiten dürften. Aber darüber wolle er nicht weiter sprechen und seinen Schmerz noch weiter vergrößern.
Jedenfalls gewähre Gott jetzt die notwendige Unterstützung zur Bewahrung des Staates. Noch sei man unversehrt dank Gott und dank der Bücher, die Beispiele für tugendhaftes und weises Handeln klar und deutlich darböten, während zahlreiche andere auf verschiedenste Arten verloren gegangen seien, jedoch ohne dass dadurch großer Schaden entstanden sei. Um die Hoffnung auf weitere Unversehrtheit zu wahren, dürfe man das Studium der Künste und Wissenschaft nicht vernachlässigen und die Vermögenden müssten sie und diejenigen, die sie pflegten, förden. Diese Leute wiederum müssten darauf achten, die Gelegenheit nicht zu verpassen. Andere müssten Acht geben, dass sie nicht diejenigen, denen sie eigentlich gute Sitten beibringen sollten, zu Leichtfertigkeit und Betrügerei erzögen. Dies täten meist weniger die Ungebildeten als die halb Gebildeten, die im Bewusstsein ihrer Mediokrität anderen den Ruhm missgönnten und deshalb Bessere kritisierten, weil sie wüssten, dass man sich so beliebt machen könne. Einige Leute seien so verdorben, dass sie ohne jeden Verstand jenen Lastern verfielen, zu denen gemäß Evenus auch der Übermut zähle, der nichts erreicht, aber dennoch unrecht ist ([ὕβρις] κερδαίνουσ᾽ οὐδὲν ὅμως ἀδικεῖ, Plutarch, De amore prolis 4). Dagegen müssten nun die bonae artes und die literarum studia gefördert werden, damit am Ende jene Frucht geerntet werden könne, die Gott seinen Anhängern zukommen lassen wolle. Wenn jemand dieses Geschenk zurückweise und es dadurch wage, Gott gering zu achten, werde er nach Aischylos bestraft werden (χρόνῳ τοι κυρίᾳ τ᾿ ἐν ἡμέρᾳ / θεοὺς ἀτίζων τις βροτῶν δώσει δίκην, Aischylos, Supplices 732f.). Um die angekündigte Vernichtung zu verhindern, sollen alle Frommen demütig zu Gott zu beten.
Doch er schweife vielleicht bereits zu weit ab. Ihm jedenfalls gefiel es, mit Boner diese Dinge zu erörtern, und er hoffte, dass auch dieser an seinen Überlegungen Gefallen finden werde. Er hätte freilich auch selbst mit Blick auf seine eigene Zeit über das schreiben können, was Synesios behandele, da er nicht die Schelte der anderen fürchte, die ihm vorwerfen könnten, dass er sich aus Schule und otium in die Belange des Staates einmische; ihnen würde er entgegnen, was Hesiod sagte: ἀλλὰ καὶ ὣς ἐρέω Ζηνὸς νόον αἰγιόχοιο· / Μοῦσαι γάρ μ’ ἐδίδαξαν, Hesiod, Opera et dies 661f.). Dennoch erschien es ihm besser, dies eventuell zu einem späteren Zeitpunkt zu tun.
Boner werde, wenn er nun Synesios lese, dessen Vorzüge goutieren und hoffentlich ebenso Camerarius' Übersetzung - wenn ihm diese gefalle, sei er zufrieden. Es werde freilich viele geben, die seine Übersetzung stellenweise kritisieren oder sein Übersetzungsverfahren gänzlich ablehnen; mit diesen wolle er aber nicht streiten. Er wisse, wie schwer es sei, gut Formuliertes aus einer Sprache elegant und angemessen in eine andere zu übersetzen, und er habe deswegen und aus anderen Gründen in dieser Hinsicht nicht übermäßigen Aufwand betrieben. Zudem bewundere er auch die Fähigkeit anderer auf diesem Gebiet. Er selbst habe bei der Arbeit erfahren, wie schwierig es sei, guten Ausdruck gut zu übersetzen. Die Rede des Synesios sei zudem in einem besonderen Stil verfasst, der kaum im Lateinischen wiederzugeben und auch weit entfernt vom klassischen Griechisch sei. Menschen, die sich weniger um Wortfiguren und -bedeutungen kümmerten, ließen sich leicht davon täuschen und bei der Übersetzung zum Leichtsinn verleiten; dies müsse notwendigerweise scheitern. Auch bei denen, die diese Bücher gründlich herausgegeben hätten, kämen Fehler vor, die nur mit Konjekturen zu beheben seien, da weitere Textzeugen fehlen. Bei der Korrektur wie bei der Hellseherei sei der am besten, der gute Vermutungen anstelle (μάντις δ’ ἄριστος ὅστις εἰκάζει καλῶς, Euripides, Fragment 973).
Es bleibe nun noch übrig, zu den Ausführungen zu Synesios' überzuleiten. Über ein Urteil seitens der Gelehrten freue er sich; es könne offen und ehrlich, aber nicht polemisch sein.
(Alexander Hubert / Marion Gindhart)
Anmerkungen
- "und auch dessen materielle Großzügigkeit gegenüber Rheticus": Diesem hatte Boner gestattet, vor dem Anwesen seiner Familie einen Obelisken für seine trigonometrischen Studien zu errichten (vgl. Burmeister 1968, Rheticus' Brief an Crato Nr. 31, S. 123 und seine Vorrede an König Ferdinand I. Nr. 34, S. 139).