Erasmus an Camerarius, 11.12.1524: Unterschied zwischen den Versionen
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Erasmus bereite seine angegriffene Gesundheit nicht deswegen Verdruss, weil sie ihm Schmerzen bereite, sondern weil sie es ihm unmöglich mache, seinen Freundschaftsplichten nachzukommen. Es sei so viel härter für ihn, unfreundlich werden zu müssen, als unglücklich. Oftmals bedrängten ihn mehrere zahlreiche Leute gleichzeitig. Nicht selten müsse er deshalb gleichzeitig einem Boten Briefe nach Rom, Frankreich, England, Brabant und Deutschland mitgeben. Zudem habe er vor Schwäche während des Besuches von Camerarius kaum ein Wort herausbringen können. Auch die Einladung des polnischen Grafen ([[Erwähnte Person:: | Erasmus bereite seine angegriffene Gesundheit nicht deswegen Verdruss, weil sie ihm Schmerzen bereite, sondern weil sie es ihm unmöglich mache, seinen Freundschaftsplichten nachzukommen. Es sei so viel härter für ihn, unfreundlich werden zu müssen, als unglücklich. Oftmals bedrängten ihn mehrere zahlreiche Leute gleichzeitig. Nicht selten müsse er deshalb gleichzeitig einem Boten Briefe nach Rom, Frankreich, England, Brabant und Deutschland mitgeben. Zudem habe er vor Schwäche während des Besuches von Camerarius kaum ein Wort herausbringen können. Auch die Einladung des polnischen Grafen ([[Erwähnte Person::Johannes Laski]]; s. Anm.) zu einem Gastmahl habe er ausschlagen müssen sowie dessen Bitte, (wenigstens) mit ihm zu speisen. Was aber gebe es Schlimmeres im Leben als die Verbindung von Schmerz und Scham? Und es gebe (durchaus) Leute, die diese seine gerechtfertigte Entschuldigung nicht gelten ließen. | ||
Dass Camerarius den kühlen Empfang (den Erasmus ihm bereitet hatte) so gut aufnehme, sei ein Beweis für seinen aufrichtigen und gütigen Charakter. Nicht nur habe Camerarius die Entschuldigung des Erasmus angenommen, sondern er danke ihm sogar noch für das kurze Gespräch und den Gruß, den er | Dass Camerarius den kühlen Empfang (den Erasmus ihm bereitet hatte) so gut aufnehme, sei ein Beweis für seinen aufrichtigen und gütigen Charakter. Nicht nur habe Camerarius die Entschuldigung des Erasmus angenommen, sondern er danke ihm sogar noch für das kurze Gespräch und den Gruß, den er seinem Brief an Melanchthon beigefügt hatte (s. Anm.). Erasmus lobt die außergewöhnliche Freundlichkeit und Kultiviertheit des Camerarius. Es bereite ihm jedoch Sorgen, dass man diese Eigenschaft gegenwärtig nur noch selten bei anderen Verehrern der Musen finde. Es gehöre sich nicht, dass die Gratien (gratia lat. zugleich "Dank") den Musen fernblieben. So verderbt seien die Sitten, so boshaft die Schriftsteller! | ||
Camerarius zeige, wie redlich sein Charakter sei, und, wenn er den Verdacht von sich weise, er habe die Briefe veröffentlich (s. Anm.), zeige er, was seine geistige Begabung und Beredsamkeit vermochten. Camerarius habe nämlich alles aufgefahren, was ein guter Redner auffahren musste. Camerarius solle daher überzeugt sein, dass Erasmus von nichts anderem überzeugt sei, als dass Camerarius selbst einen schlechten Fall sehr gut verteidigen könne. Erasmus nämlich sei überzeugt gewesen, dass in dieser Angelegenheit keine Schuld treffe. Nicht einmal im Traum habe er daran gedacht. Erasmus ahne schon, wer diejenigen seien, deren törichte Betriebsamkeit Camerarius erwähne. Auch habe sich Erasmus nicht bei [[Erwähnte Person::Philipp Melanchthon|(Philipp) Melanchthon]] über diese Angelegenheit beschweren wollen, wenn | Camerarius zeige, wie redlich sein Charakter sei, und, wenn er den Verdacht von sich weise, er habe die Briefe veröffentlich (s. Anm.), zeige er, was seine geistige Begabung und Beredsamkeit vermochten. Camerarius habe nämlich alles aufgefahren, was ein guter Redner auffahren musste. Camerarius solle daher überzeugt sein, dass Erasmus von nichts anderem überzeugt sei, als dass Camerarius selbst einen schlechten Fall sehr gut verteidigen könne. Erasmus nämlich sei überzeugt gewesen, dass in dieser Angelegenheit keine Schuld treffe. Nicht einmal im Traum habe er daran gedacht. Erasmus ahne schon, wer diejenigen seien, deren törichte Betriebsamkeit Camerarius erwähne. Auch habe sich Erasmus nicht bei [[Erwähnte Person::Philipp Melanchthon|(Philipp) Melanchthon]] über diese Angelegenheit beschweren wollen, wenn | ||
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=== Anmerkungen === | === Anmerkungen === | ||
* Hieronymus Laski: Ermittelt lt. [http://www.haw.uni-heidelberg.de/forschung/forschungsstellen/melanchthon/mbw-online.de.html MBW], Nr. 341 (=Erasmus an Melanchthon, 06.09.1524) | * "Brief an Melanchthon": | ||
* "Hieronymus Laski": Ermittelt lt. [http://www.haw.uni-heidelberg.de/forschung/forschungsstellen/melanchthon/mbw-online.de.html MBW], Nr. 341 (=Erasmus an Melanchthon, 06.09.1524) |
Version vom 7. September 2017, 13:07 Uhr
Briefe mit demselben Datum | ||||||||||||||
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Werksigle | OCEp 211 |
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Zitation | Erasmus an Camerarius, 11.12.1524, bearbeitet von Ulrich Schlegelmilch und Manuel Huth (07.09.2017), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OCEp_211 |
Besitzende Institution | |
Signatur, Blatt/Seite | |
Ausreifungsgrad | Druck |
Erstdruck in | Camerarius, Epistolae Eobani, 1557 |
Blatt/Seitenzahl im Erstdruck | Bl. K6r-K7r |
Zweitdruck in | |
Blatt/Seitenzahl im Zweitdruck | |
Sonstige Editionen | Allen 1924, S. 599-600, Nr. 1524 |
Wird erwähnt in | |
Fremdbrief? | nein |
Absender | Erasmus von Rotterdam |
Empfänger | Joachim Camerarius I. |
Datum | 1524/12/11 |
Datum gesichert? | ja |
Bemerkungen zum Datum | III. Id. Decemb. 1524 |
Unscharfes Datum Beginn | |
Unscharfes Datum Ende | |
Sprache | Latein |
Entstehungsort | Basel |
Zielort | o.O. |
Gedicht? | nein |
Incipit | Odi valetudinem hanc, non tam ob id quod me discruciat |
Link zur Handschrift | |
Regest vorhanden? | nein |
Paratext ? | nein |
Paratext zu | |
Kurzbeschreibung | |
Anlass | |
Register | Biographisches (Reise) |
Handschrift | |
Bearbeitungsstand | unkorrigiert |
Notizen | Regest noch nicht fertig |
Wiedervorlage | ja |
Bearbeiter | Benutzer:US; Benutzer:MH |
Gegengelesen von | |
Datumsstempel | 7.09.2017 |
Werksigle | OCEp 211 |
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Zitation | Erasmus an Camerarius, 11.12.1524, bearbeitet von Ulrich Schlegelmilch und Manuel Huth (07.09.2017), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OCEp_211 |
Ausreifungsgrad | Druck |
Erstdruck in | Camerarius, Epistolae Eobani, 1557 |
Blatt/Seitenzahl im Erstdruck | Bl. K6r-K7r |
Sonstige Editionen | Allen 1924, S. 599-600, Nr. 1524 |
Fremdbrief? | nein |
Absender | Erasmus von Rotterdam |
Empfänger | Joachim Camerarius I. |
Datum | 1524/12/11 |
Datum gesichert? | ja |
Bemerkungen zum Datum | III. Id. Decemb. 1524 |
Sprache | Latein |
Entstehungsort | Basel |
Zielort | o.O. |
Gedicht? | nein |
Incipit | Odi valetudinem hanc, non tam ob id quod me discruciat |
Regest vorhanden? | nein |
Paratext ? | nein |
Register | Biographisches (Reise) |
Datumsstempel | 7.09.2017 |
Regest
Erasmus bereite seine angegriffene Gesundheit nicht deswegen Verdruss, weil sie ihm Schmerzen bereite, sondern weil sie es ihm unmöglich mache, seinen Freundschaftsplichten nachzukommen. Es sei so viel härter für ihn, unfreundlich werden zu müssen, als unglücklich. Oftmals bedrängten ihn mehrere zahlreiche Leute gleichzeitig. Nicht selten müsse er deshalb gleichzeitig einem Boten Briefe nach Rom, Frankreich, England, Brabant und Deutschland mitgeben. Zudem habe er vor Schwäche während des Besuches von Camerarius kaum ein Wort herausbringen können. Auch die Einladung des polnischen Grafen (Johannes Laski; s. Anm.) zu einem Gastmahl habe er ausschlagen müssen sowie dessen Bitte, (wenigstens) mit ihm zu speisen. Was aber gebe es Schlimmeres im Leben als die Verbindung von Schmerz und Scham? Und es gebe (durchaus) Leute, die diese seine gerechtfertigte Entschuldigung nicht gelten ließen.
Dass Camerarius den kühlen Empfang (den Erasmus ihm bereitet hatte) so gut aufnehme, sei ein Beweis für seinen aufrichtigen und gütigen Charakter. Nicht nur habe Camerarius die Entschuldigung des Erasmus angenommen, sondern er danke ihm sogar noch für das kurze Gespräch und den Gruß, den er seinem Brief an Melanchthon beigefügt hatte (s. Anm.). Erasmus lobt die außergewöhnliche Freundlichkeit und Kultiviertheit des Camerarius. Es bereite ihm jedoch Sorgen, dass man diese Eigenschaft gegenwärtig nur noch selten bei anderen Verehrern der Musen finde. Es gehöre sich nicht, dass die Gratien (gratia lat. zugleich "Dank") den Musen fernblieben. So verderbt seien die Sitten, so boshaft die Schriftsteller!
Camerarius zeige, wie redlich sein Charakter sei, und, wenn er den Verdacht von sich weise, er habe die Briefe veröffentlich (s. Anm.), zeige er, was seine geistige Begabung und Beredsamkeit vermochten. Camerarius habe nämlich alles aufgefahren, was ein guter Redner auffahren musste. Camerarius solle daher überzeugt sein, dass Erasmus von nichts anderem überzeugt sei, als dass Camerarius selbst einen schlechten Fall sehr gut verteidigen könne. Erasmus nämlich sei überzeugt gewesen, dass in dieser Angelegenheit keine Schuld treffe. Nicht einmal im Traum habe er daran gedacht. Erasmus ahne schon, wer diejenigen seien, deren törichte Betriebsamkeit Camerarius erwähne. Auch habe sich Erasmus nicht bei (Philipp) Melanchthon über diese Angelegenheit beschweren wollen, wenn
Lob des Überbringers (unbekannt) des Briefes des Camerarius (vom 30.09.1524). Er habe gar nicht der Empfehlung des Camerarius bedurft.
Erasmus bedaure den Verlust (des in der Elbe ertrunkenen) (Wilhelm) Nesen, aber freue sich, dass Camerarius herausschwimmen konnte, denn, wie es heiße, seien beide in Gefahr gewesen.
Lebewohl.
(Manuel Huth)
Anmerkungen
- "Brief an Melanchthon":
- "Hieronymus Laski": Ermittelt lt. MBW, Nr. 341 (=Erasmus an Melanchthon, 06.09.1524)