Camerarius an Stadtrat (Zwickau), 01.09.1550: Unterschied zwischen den Versionen

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Camerarius nähert sich dem Thema der Bildung aus einer autobiographischen Perspektive, indem er ihren Wert am eigenen Bildungsgang erläutert: zunächst Privatlehrer, dann die Schule der Heimatstadt, schließlich auswärtige, höhere Lehranstalten, in denen er nun als Lehrender alt wird. Auch jetzt sei er noch vom Wert der Bildung überzeugt. Zwar neige man dazu, das, was man gewohnt sei, gutzuheißen, in der Bildung könne man jedoch auch gerade das, was man kennt, am besten beurteilen. Dabei betont Camerarius die Zweckbestimmung der Bildung: ihm liege mehr an der "Berücksichtigung der Wahrheit und des göttlichen Willens" (''veritatis et voluntatis divinae respectus'') als an "persönlichem Genuss" (''delectatio quaedam propria''). Camerarius lobt die Bildung (''eruditio litterarum'') als das größte Geschenk Gottes an die Menschheit. Hierüber schienen jedoch einige anders zu denken, weshalb Camerarius sich an vorliegender Stelle, auch wenn er dies schon andernorts öfters getan habe, für die Bildung aussprechen wolle.<br />
Camerarius nähert sich dem Thema der Bildung aus einer autobiographischen Perspektive, indem er ihren Wert am eigenen Bildungsgang erläutert: zunächst Privatlehrer, dann die Schule der Heimatstadt, schließlich auswärtige, höhere Lehranstalten, in denen er nun als Lehrender alt wird. Auch jetzt sei er noch vom Wert der Bildung überzeugt. Zwar neige man dazu, das, was man gewohnt sei, gutzuheißen, in der Bildung könne man jedoch auch gerade das, was man kennt, am besten beurteilen. Dabei betont Camerarius die Zweckbestimmung der Bildung: ihm liege mehr an der "Berücksichtigung der Wahrheit und des göttlichen Willens" (''veritatis et voluntatis divinae respectus'') als an "persönlichem Genuss" (''delectatio quaedam propria''). Camerarius lobt die Bildung (''eruditio litterarum'') als das größte Geschenk Gottes an die Menschheit. Hierüber schienen jedoch einige anders zu denken, weshalb Camerarius sich an vorliegender Stelle, auch wenn er dies schon andernorts öfters getan habe, für die Bildung aussprechen wolle.<br />
Camerarius stellt einen ausschließenden Gegensatz zwischen einer völligen Ablehung und einer klaren Befürwortung der Studien her. In seiner Darlegung betont er verschiedene Aspekte der Bildung: Werde sie vernachlässigt, könne sie auch nicht mehr der menschlichen Gesellschaft zu Nutzen sein (''societati hominum inutilem''). Unter ''litterae'' verstehe Camerarius jene Disziplin, die die Kenntnis der lateinischen und der griechischen Sprache vermittele (''Graecae Latinaeque scientiam''). Camerarius lehnt die Haltung derjenigen Jugendlichen ab, die nur mit der Zielsetzung des Erwerbs von Ansehen und Vermögen nach Unterweisen strebten (''quaerentes ad illustrem et opulentam vitam adiumenta prudentiae ac doctrinae'', S. 5). Zwecksetzung aller Bildung muss stattdessen die Förderung der Frömmigkeit (''pietas'' und ''religio'') sein (S.6). Die Aufforderung zur Bildung gehe von der Heiligen Schrift aus und zielt ebenso auf das Verständnis der Bibel ab. Paulus stecke einen Normenhorizont ab: Die Gesinnung der Gläubigen solle auf "Wahrheit" (''veritas''),  "Charakterstärke" (''gravitas''), "Gerechtigkeit" (''iustitia''), "Keuschheit" (''castitas''), "Freundlichkeit" (''comitas''), "anständige Wortwahl" (''honestas verborum''), "Tugend" (''virtus''). Bildung sei nach Camerarius Voraussetzung für das Schriftverständnis. Camerarius kommt somit zu der Feststellung, dass sie sowohl Gott gefalle, als auch der menschlichen Gesellschaft nützlich ist, als auch einen Eigenwert (''per se laudabilem'') besitze.
Camerarius stellt einen ausschließenden Gegensatz zwischen einer völligen Ablehung und einer klaren Befürwortung der Studien her. In seiner Darlegung betont er verschiedene Aspekte der Bildung: Werde sie vernachlässigt, könne sie auch nicht mehr der menschlichen Gesellschaft zu Nutzen sein (''societati hominum inutilem''). Unter ''litterae'' verstehe Camerarius jene Disziplin, die die Kenntnis der lateinischen und der griechischen Sprache vermittele (''Graecae Latinaeque scientiam''). Camerarius lehnt die Haltung derjenigen Jugendlichen ab, die nur mit der Zielsetzung des Erwerbs von Ansehen und Vermögen nach Unterweisen strebten (''quaerentes ad illustrem et opulentam vitam adiumenta prudentiae ac doctrinae'', S. 5). Zwecksetzung aller Bildung muss stattdessen die Förderung der Frömmigkeit (''pietas'' und ''religio'') sein (S.6). Die Aufforderung zur Bildung gehe von der Heiligen Schrift aus und zielt ebenso auf das Verständnis der Bibel ab. Paulus stecke einen Normenhorizont ab: Die Gesinnung der Gläubigen solle auf "Wahrheit" (''veritas''),  "Charakterstärke" (''gravitas''), "Gerechtigkeit" (''iustitia''), "Keuschheit" (''castitas''), "Freundlichkeit" (''comitas''), "anständige Wortwahl" (''honestas verborum''), "Tugend" (''virtus''). Bildung sei nach Camerarius Voraussetzung für das Schriftverständnis. Camerarius kommt somit zu der Feststellung, dass sie sowohl Gott gefalle, als auch der menschlichen Gesellschaft nützlich ist, als auch einen Eigenwert (''per se laudabilem'') besitze.<br />
Camerarius leitet daraufhin zu dem gewidmeten Werk über (S.7), das sich in seine Editions- und Kommentierungstätigkeit einreihe. Auf den Inhalt der edierten Gedichte geht Camerarius ein, indem der den Zusammenhang von musischer Kunst und literarischer Bildung betont.
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(Jochen Schultheiß)
(Jochen Schultheiß)

Version vom 23. April 2018, 12:34 Uhr



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 Briefdatum
Camerarius an Stadtrat (Zwickau), 01.09.15501 September 1550 JL

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Werksigle OCEp
Zitation Camerarius an Stadtrat (Zwickau), 01.09.1550, bearbeitet von Jochen Schultheiß (23.04.2018), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OCEp
Besitzende Institution
Signatur, Blatt/Seite
Ausreifungsgrad Druck
Erstdruck in Camerarius, Libellus scolasticus (Druck), 1551
Blatt/Seitenzahl im Erstdruck S. 3-10
Zweitdruck in Camerarius, Libellus scolasticus (Druck), 1555
Blatt/Seitenzahl im Zweitdruck S. 3-10
Sonstige Editionen
Wird erwähnt in
Fremdbrief? nein
Absender Joachim Camerarius I.
Empfänger Stadtrat (Zwickau)
Datum 1550/09/01
Datum gesichert? ja
Bemerkungen zum Datum Datierung des Briefes: Cal. Septembr. Anno salutiferi partus Christi M.D.L.
Unscharfes Datum Beginn
Unscharfes Datum Ende
Sprache Latein
Entstehungsort O.O.
Zielort Zwickau
Gedicht? nein
Incipit Non tam meo quam alieno iudicio
Link zur Handschrift
Regest vorhanden? ja
Paratext ? ja
Paratext zu Camerarius, Libellus scolasticus (Druck), 1551
Kurzbeschreibung In dem Widmungsbrief an den Stadtrat von Zwickau, dem er seine Schulausgabe zu verschiedenen griechischen Dichtern zueignet, verteidigt Camerarius den Wert der Bildung.
Anlass
Register Bildungsdiskurs; Elementarunterricht; Hermeneutik
Handschrift unbekannt
Bearbeitungsstand unkorrigiert
Notizen
Wiedervorlage ja
Bearbeiter Benutzer:JS
Gegengelesen von
Datumsstempel 23.04.2018
Werksigle OCEp
Zitation Camerarius an Stadtrat (Zwickau), 01.09.1550, bearbeitet von Jochen Schultheiß (23.04.2018), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OCEp
Ausreifungsgrad Druck
Erstdruck in Camerarius, Libellus scolasticus (Druck), 1551
Blatt/Seitenzahl im Erstdruck S. 3-10
Zweitdruck in Camerarius, Libellus scolasticus (Druck), 1555
Blatt/Seitenzahl im Zweitdruck S. 3-10
Fremdbrief? nein
Absender Joachim Camerarius I.
Empfänger Stadtrat (Zwickau)
Datum 1550/09/01
Datum gesichert? ja
Bemerkungen zum Datum Datierung des Briefes: Cal. Septembr. Anno salutiferi partus Christi M.D.L.
Sprache Latein
Entstehungsort O.O.
Zielort Zwickau
Gedicht? nein
Incipit Non tam meo quam alieno iudicio
Regest vorhanden? ja
Paratext ? ja
Paratext zu Camerarius, Libellus scolasticus (Druck), 1551
Kurzbeschreibung In dem Widmungsbrief an den Stadtrat von Zwickau, dem er seine Schulausgabe zu verschiedenen griechischen Dichtern zueignet, verteidigt Camerarius den Wert der Bildung.
Register Bildungsdiskurs; Elementarunterricht; Hermeneutik
Datumsstempel 23.04.2018


Regest

Camerarius nähert sich dem Thema der Bildung aus einer autobiographischen Perspektive, indem er ihren Wert am eigenen Bildungsgang erläutert: zunächst Privatlehrer, dann die Schule der Heimatstadt, schließlich auswärtige, höhere Lehranstalten, in denen er nun als Lehrender alt wird. Auch jetzt sei er noch vom Wert der Bildung überzeugt. Zwar neige man dazu, das, was man gewohnt sei, gutzuheißen, in der Bildung könne man jedoch auch gerade das, was man kennt, am besten beurteilen. Dabei betont Camerarius die Zweckbestimmung der Bildung: ihm liege mehr an der "Berücksichtigung der Wahrheit und des göttlichen Willens" (veritatis et voluntatis divinae respectus) als an "persönlichem Genuss" (delectatio quaedam propria). Camerarius lobt die Bildung (eruditio litterarum) als das größte Geschenk Gottes an die Menschheit. Hierüber schienen jedoch einige anders zu denken, weshalb Camerarius sich an vorliegender Stelle, auch wenn er dies schon andernorts öfters getan habe, für die Bildung aussprechen wolle.
Camerarius stellt einen ausschließenden Gegensatz zwischen einer völligen Ablehung und einer klaren Befürwortung der Studien her. In seiner Darlegung betont er verschiedene Aspekte der Bildung: Werde sie vernachlässigt, könne sie auch nicht mehr der menschlichen Gesellschaft zu Nutzen sein (societati hominum inutilem). Unter litterae verstehe Camerarius jene Disziplin, die die Kenntnis der lateinischen und der griechischen Sprache vermittele (Graecae Latinaeque scientiam). Camerarius lehnt die Haltung derjenigen Jugendlichen ab, die nur mit der Zielsetzung des Erwerbs von Ansehen und Vermögen nach Unterweisen strebten (quaerentes ad illustrem et opulentam vitam adiumenta prudentiae ac doctrinae, S. 5). Zwecksetzung aller Bildung muss stattdessen die Förderung der Frömmigkeit (pietas und religio) sein (S.6). Die Aufforderung zur Bildung gehe von der Heiligen Schrift aus und zielt ebenso auf das Verständnis der Bibel ab. Paulus stecke einen Normenhorizont ab: Die Gesinnung der Gläubigen solle auf "Wahrheit" (veritas), "Charakterstärke" (gravitas), "Gerechtigkeit" (iustitia), "Keuschheit" (castitas), "Freundlichkeit" (comitas), "anständige Wortwahl" (honestas verborum), "Tugend" (virtus). Bildung sei nach Camerarius Voraussetzung für das Schriftverständnis. Camerarius kommt somit zu der Feststellung, dass sie sowohl Gott gefalle, als auch der menschlichen Gesellschaft nützlich ist, als auch einen Eigenwert (per se laudabilem) besitze.
Camerarius leitet daraufhin zu dem gewidmeten Werk über (S.7), das sich in seine Editions- und Kommentierungstätigkeit einreihe. Auf den Inhalt der edierten Gedichte geht Camerarius ein, indem der den Zusammenhang von musischer Kunst und literarischer Bildung betont.
(Jochen Schultheiß)