Camerarius, Prooemium interpretationis et explicationis commemoratorum libellorum, 1572
Opus Camerarii | |
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Werksigle | OC 0881 |
Zitation | Prooemium interpretationis et explicationis commemoratorum libellorum, bearbeitet von Jochen Schultheiß (04.02.2020), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OC_0881 |
Name | Joachim Camerarius I. |
Status | Verfasser |
Sprache | Latein |
Werktitel | Prooemium interpretationis et explicationis commemoratorum libellorum |
Kurzbeschreibung | Camerarius weist auf die große Bedeutsamkeit der Lehrbarkeit der Tugend hin, die die Philosophie schon seit alters beschäftigt hat. Camerarius streicht die Bedeutung des allgemeinen Konsenses heraus, dem die Kraft eines Naturgesetzes zuzuschreiben ist. Camerarius vertritt die Meinung, dass Tugend und Weisheit gelehrt werden können und verweist hierzu auf die historische Erfahrung und führt den Herkules bei Theokrit als literarisches Beispiele an. Camerarius postuliert eine Verbindung der Unterweisung in den artes liberales mit der in der Philosophie. Insbesondere für die Staatskunde macht sich Camerarius stark. Mit der Zusammenstellung der Werke möchte Camerarius eine Abriss (summa) der Moralphilosophie geben. Einschlägig waren hierbei Platoniker und Peripatetiker. Es folgen Reflexionen über die Maximen der Übersetzung und eine Verteidigung der literarischen Qualität des Plutarchtextes. Im Gegensatz zu früheren Zeiten denke man in der Gegenwart nicht mehr, dass das Wirken Ciceros einen Blick in griechische Werke überflüssig gemacht habe. Widmung am Hans Jakob Truchseß zu Waldburg. |
Erstnachweis | 1572 |
Bemerkungen zum Erstnachweis | Datierung ungesichert (siehe Erstdruck). |
Datum unscharfer Erstnachweis (Beginn) | |
Datum unscharfer Erstnachweis (Ende) | |
Schlagworte / Register | Prooemium; Philosophie; Ethik; Staatsverfassung; Bildungsdiskurs; Werkgenese; Übersetzungstheorie; Stilkritik |
Paratext zu | |
Paratext? | ja |
Paratext zu | Plutarch, Libellus de virtute morali, 1572 |
Überliefert in | |
Druck | Plutarch, Libellus de virtute morali, 1572 |
Erstdruck in | |
Blatt/Seitenzahl im Erstdruck | |
Carmen | |
Gedicht? | nein |
Erwähnungen des Werkes und Einfluss von Fremdwerken | |
Wird erwähnt in | |
Folgende Handschriften und gedruckte Fremdwerke beeinflussten/bildeten die Grundlage für dieses Werk | |
Bearbeitungsstand | |
Überprüft | am Original überprüft |
Bearbeitungsstand | korrigiert |
Wiedervorlage | ja |
Bearbeiter | Benutzer:JS |
Gegengelesen von | |
Bearbeitungsdatum | 4.02.2020 |
Opus Camerarii | |
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Werksigle | OC 0881 |
Zitation | Prooemium interpretationis et explicationis commemoratorum libellorum, bearbeitet von Jochen Schultheiß (04.02.2020), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OC_0881 |
Name | Joachim Camerarius I.
|
Sprache | Latein |
Werktitel | Prooemium interpretationis et explicationis commemoratorum libellorum |
Kurzbeschreibung | Camerarius weist auf die große Bedeutsamkeit der Lehrbarkeit der Tugend hin, die die Philosophie schon seit alters beschäftigt hat. Camerarius streicht die Bedeutung des allgemeinen Konsenses heraus, dem die Kraft eines Naturgesetzes zuzuschreiben ist. Camerarius vertritt die Meinung, dass Tugend und Weisheit gelehrt werden können und verweist hierzu auf die historische Erfahrung und führt den Herkules bei Theokrit als literarisches Beispiele an. Camerarius postuliert eine Verbindung der Unterweisung in den artes liberales mit der in der Philosophie. Insbesondere für die Staatskunde macht sich Camerarius stark. Mit der Zusammenstellung der Werke möchte Camerarius eine Abriss (summa) der Moralphilosophie geben. Einschlägig waren hierbei Platoniker und Peripatetiker. Es folgen Reflexionen über die Maximen der Übersetzung und eine Verteidigung der literarischen Qualität des Plutarchtextes. Im Gegensatz zu früheren Zeiten denke man in der Gegenwart nicht mehr, dass das Wirken Ciceros einen Blick in griechische Werke überflüssig gemacht habe. Widmung am Hans Jakob Truchseß zu Waldburg. |
Erstnachweis | 1572 |
Bemerkungen zum Erstnachweis | Datierung ungesichert (siehe Erstdruck).
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Schlagworte / Register | Prooemium; Philosophie; Ethik; Staatsverfassung; Bildungsdiskurs; Werkgenese; Übersetzungstheorie; Stilkritik |
Paratext zu | |
Paratext? | ja |
Paratext zu | Plutarch, Libellus de virtute morali, 1572 |
Überliefert in | |
Druck | Plutarch, Libellus de virtute morali, 1572 |
Carmen | |
Gedicht? | nein |
Bearbeitungsdatum | 4.02.2020 |
Widmung und Entstehungskontext
Das Proömium zu der Übersetzung und Kommentierung von moralischen Schriften des Plutarch ist an Hans Jakob Truchseß zu Waldburg adressiert. Das Proömium stellt zugleich den Widmungsbrief an diesen dar.
Aufbau und Inhalt
Da sich im irdischen Leben überall die Schlechtigkeit des Menschen und Fähigkeit zum Bösen zeige, an bestimmten Orten und zu bestimmten Zeiten jedoch auch die Tugendhaftigkeit herausrage, habe die Weisen beinahe zu allen Zeiten die Frage beschäftigt, woher diese gute Eigenschaft komme und ob zu ihrer Erwirkung irgendein bedeutsamer Beitrag von der Bildung geleistet werden könne (A2r). Hierzu habe jeder eine andere Meinung vertreten. In der menschlichen Gesellschaft sei es nach Camerarius immer am sichersten, sich in den Dingen, die zu ihrem Schutz und ihrer Mehrung eingerichtet werden sollen, sich an das zu halten, worüber allgemeiner Konsens herrsche (A2r/v). Diese Sicherheiten ins Schwanken zu bringen, bedeute, vielfachen Irrtümern Zutritt zu gewähren, durch die der Staat heftig erschüttert, wenn nicht sogar zum Fall gebracht werden könne (A2v). Ein solcher Konsens (consensio) müsse ganz und gar für ein Naturgesetz (lex naturae) gehalten werden. Hierzu gehöre es, durch Unterweisung und Ermahnung die Menschen klüger, besser und umgänglicher zu machen. Denn in Hinblick auf die persönlichen Fähigkeiten in der Weisheit und in den Künsten zweifle niemand, dass es zu ihrer Aktivierung Lehrer brauche. Lächerlich sei es, Epikur oder Heraklit anzupreisen. Beide hätten behauptet, dass sie ohne äußeres Zutun zu Weisen geworden seien. Man wisse jedoch, dass die an Tugend und Weisheit herausragenden Menschen sowohl von irgendwelchen Personen erzogen und auf ehrenvolle Taten vorbereitet wurden als auch besonders vertrauten Umgang mit den bedeutendsten Männern ihrer Zeit pflegten (A2v-A3r). Camerarius führt Beispiele aus der Literatur an und geht dabei u.a. auf die Darstellung des Herkules bei Theokrit ein (A3r). Hieraus zieht Camerarius den sicheren Schluss, dass Tugend und Weisheit gelehrt werden könne (esse doctrinam virtutis atque sapientiae). An den Orten und in den Zeiten, in denen eine solche Schule errichtet werde, könne man, wenn auch noch die förderliche Wirkung Gottes hinzukomme, eine solche Unterweisung für vielversprechend halten (Anm. 1; A3r/v).
Wenn aber alles, was für schön, richtig und lobenswert gehalten werden solle, sich auf die Wahrheit der Wissenschaft stützen und sich von der Nichtigkeit der Meinungen fernhalten müsse, dann sei es klar, dass die Erziehung in den freien Künsten nicht ohne Unterweisung in den besten Künsten - diese heiße auf Griechisch φιλοσοφία - bestehen könne (A3v). Die Ausbildung des Geistes müsse auf eine Vervollkommnung aller intellektuellen Fähigkeiten abzielen. Hierin bestehe der Ursprung der wahren Erkenntnis in den menschlichen Angelegenheiten. Da die Menschen sich von Natur aus zu einer Gesellschaft zusammenschlössen, müsse der Bereich der Philosophie als höchst bedeutsam eingestuft werden, der sich mit der Bewahrung und der Vollendung dieser Gemeinschaft beschäftige. Dies sei zum einen wichtig, da sich die Unterweisung auf ein erfolgreiches (felix) Leben beziehe und weil es offensichtlich sei, wie sehr sich auch dieses erfolgreiche von dem wahrhaft glücklichen (beata) Leben unterscheide (A3v-A4r; Anm. 2). Hierbei gehe es um die Staatskunde (haec est politice: ratio seu scientia civilis, A4r). Diese zeige die Ursprünge des Rechts und der Gesetze, erkläre aber auch den Ursprung, die Entwicklung und den Zerfall der Moral und zeige ferner deren Gegenteil auf (Gesetzlosigkeit, Unordnung, Verbrechen). Sie beschäftige sich mit der Festigung und dem Schutz von Staaten, dem Erhalt der häuslichen Gewohnheiten und deren Ausrichtung auf das Allgemeinwohl, mit der Lenkung der Sitten der einzelnen Bürger sowie mit den Verpflichtungen für die Öffentlichkeit. Auch in der Antike habe im Blickpunkt der Philosophie insbesondere das Gemeinwesen gestanden. Es habe ein Zustand erreicht werden sollen, der mit dem göttlichen Willen und der menschlichen Notwendigkeit in Einklang stehe (?; A4r/v).
Camerarius habe in den vergangenen Tagen Plutarchs Büchlein über die moralische Tüchtigkeit wiederholt gelesen (A4v), das unter den Schriften dieses Autors hervorrage, und er habe es für würdig befunden, dieses in einem Traktat für die allgemeine Bildung zu übersetzen und zu kommentieren. Er habe beschlossen, auch noch einige andere Erörterungen von antiken Autoren hinzuzufügen, die zu diesem Unternehmen passten, so dass einen Abriss (summa) der moralischen Lehre entstanden sei und man diesen Teil der Philosophie angemessener betrachten und besser verstehen könne. Camerarius habe den Weg der Lehren für richtig befunden, der von bekannten Persönlichkeiten gutgeheißen worden sei. Hierbei handele es sich um die Schulen der Akademie und des Peripatos. Die Bücher des Aristoteles wolle Camerarius gründlich behandeln, denn kein anderer scheine der wahren Lehre so nahe zu kommen. Auch wenn manches schwieriger verständlich sei, so vermöge es eine gelehrte Herangehensweise (doctrina) doch, diese Verständnisschwierigkeiten auszuräumen (A5r). Camerarius habe es auch für richtig befunden, den Überlegungen des Sokrates über die Vorzüglichkeit und die Unterweisung der Tugend, über die Aristoteles andere Vorstellungen gehabt habe, bei den philosophischen Fragestellungen einen Platz einzuräumen. Diese würden in zwei Dialogen dargelegt, deren Autorschaft ungewiss sei. (Diogenes) Laertius überliefere jedoch, dass unter den Zuhörern des Sokrates ein gewisser Simon gewesen sei, der in seiner Schreibwerkstatt dessen Gespräche aufgeschrieben habe, woraus jene Dialoge, die die "des Schuhmachers" genannt würden (dialogi σκυτικοί), entstanden seien. Hierin behaupte er, dass die Tugend nicht lehrbar sei. Camerarius habe neulich erfahren, dass dieser Dialog existiere und überliefert sei, aber er habe ihn nicht selbst gesehen. Ob der Dialog, der einst von Aldus Manutius herausgegeben und nun von Camerarius ins Lateinische übersetzt worden sei, von demselben Simon stamme, vermöge Camerarius nicht zu beurteilen (Anm. 3).
Bei seiner Übersetzung habe sich Camerarius bemüht, in ihr die Eigentümlichkeit der lateinischen Sprache zu berücksichtigen und dabei zugleich die Aussage des Griechischen richtig wiederzugeben (A5v). Denn dies sei die Aufgabe eines zuverlässigen Übersetzers: In der Übersetzung deutlich zu machen, was der Autor zu wissen und zu verstehen habe geben wollen. Zu den Werken gebe es auch andere Übersetzungen. Diese schienen Camerarius von der Qualität zu sein, dass sich niemand von der Mühe einer neuen Übersetzung abschrecken lassen sollte.
Camerarius verteidigt die literarische Qualität (des Plutarchwerkes) gegenüber anderen Auffassungen. Hierüber habe er an anderer Stelle geschrieben. Die Gnade Gottes habe gerade den Griechen die Fähigkeit verliehen, ihren geistigen Konzepten einen besonders angemessenen sprachlichen Ausdruck zu verleihen (A5v-A6r). Die bedeutendsten Werke geistigen Schaffens fänden sich bei den Griechen. Es habe Zeiten gegeben, zu denen man gedacht habe, dass die Werke der Griechen von Cicero so gut übersetzt worden seien, dass überhaupt keine Notwendigkeit mehr bestehe, in die griechischen Originale hineinzublicken. Dies verhalte sich in der Gegenwart nun anders (A6r/v). Bei seinen Vorstudien habe er einiges zusammengesammelt, was nach seiner und der Meinung vieler andere Gelehrte wohl gerne kennenlernen und lesen würden. Auch diese habe Camerararius gerne seiner Übersetzung der griechischen Werke hinzugefügt.
Camerarius widmet das Werk Hans Jakob Truchseß von Waldburg (A6v). Dieser habe in einem Brief an Camerarius seine Hochachtung für ihn zum Ausdruck gebracht. Waldburg fördere durch seine Gunst Camerarius' Sohn Johannes, den er (Camerarius) an den Preußischen Hof geschickt habe, als Fürst Albrecht, Markgraf von Brandenburg, noch gelebt habe (A6v-A7r; Anm. 4). Hans Jakob von Waldburg schützte den Staat auch in schwierigen Zeiten. Unter Waldburgs Obhut sei der Sohn zu dieser Zeit in Sicherheit gewesen, wofür Camerarius danke (A7r/v). Camerarius bete zu Gott für das Wohlergehen Preußens.
Anmerkungen
- Anm. 1: Es geht hier nicht um eine konkrete Schule, sondern allgemein um einer Unterweisung in der Tugend.
- Anm. 2: Der Sinn ist hier nicht ganz eindeutig. Camerarius will wohl sagen, dass politische Philosophie ein erfolgreiches (felix) Leben erst ermöglicht, zugleich aber auch aufzeigt, dass sich dieses erfolgreiche Leben noch nicht mit dem wahrhaft glücklichen gleichzusetzen ist.
- Anm. 3: Der pseudoplatonische Dialog über die Erlernbarkeit (Περὶ ἀρετῆς. Εἰ διδακτόν. Νοθευόμενος) findet sich in Manutius, Ἅπαντα τὰ τοῦ Πλάτωνος, 1513, Bd. 2, S. 388-399 gedruckt.
- Anm. 4: Markgraf Albrecht starb am 20.03.1568.