Camerarius, De orthographia, 1552

Aus Joachim Camerarius (1500-1574)
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Opus Camerarii
Werksigle OC 0557
Zitation De orthographia, bearbeitet von Jochen Schultheiß (03.02.2020), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OC_0557
Name Joachim Camerarius I.
Status Verfasser
Sprache Latein
Werktitel De orthographia
Kurzbeschreibung Lehrtext über die Rechtschreibung. Er beginnt mit einer Rechtfertigung der Orthographie. Diese besteht in der apodiktischen Aussage, dass das Richtige immer nur eins sein kann. Es folgt eine Definition der Orthographie. Er geht hierbei von einem Primat der Aussprache aus. Fragen der Rechtschreibung beziehen sich entweder darauf, (a) was geschrieben werden soll, (b) wie etwas geschrieben werden soll oder (c) wieviel geschrieben werden soll. Von der Rechtschreibung werden folgende Aspekte behandelt: Akzentsetzung, Diphthonge, Konsonanten, Aspiration, die Buchstaben K und Q, Buchstabendoppelung, die griechischen Buchstaben Z und Y, der Buchstabe X, Derivative, Archaismen, Kurzschrift, Interpunktion.
Erstnachweis 1552/03/15
Bemerkungen zum Erstnachweis Anmerkung am Werkende: Ioachimus Camerarius Papeberg(ensis) perscrip(sit) Id(ibus) Martii anno Christi M.D.LII
Datum unscharfer Erstnachweis (Beginn)
Datum unscharfer Erstnachweis (Ende)
Schlagworte / Register Grammatik; Grammatik (Latein); Orthographie; Sprache; Sprachphilosophie; Lehrbuch
Paratext zu
Paratext? nein
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Überliefert in
Druck Melanchthon, Grammatica Latina, 1552; Melanchthon, Grammatica Latina, 1553; Melanchthon, Grammatica Latina, 1555; Melanchthon, Grammatica Latina, 1558; Melanchthon, Grammatica Latina, 1560b; Erythraeus, De grammaticorum figuris, 1561; Melanchthon, Grammatica Latina, 1563; Melanchthon, Grammatica Latina, 1563a; Melanchthon, Grammatica Latina, 1564a; Melanchthon, Grammatica Latina, 1571; Melanchthon, Grammatica Latina, 1571a; Melanchthon, Grammatica Latina, 1573a
Erstdruck in Melanchthon, Grammatica Latina, 1555
Blatt/Seitenzahl im Erstdruck S. 485-501
Carmen
Gedicht? nein
Erwähnungen des Werkes und Einfluss von Fremdwerken
Wird erwähnt in
Folgende Handschriften und gedruckte Fremdwerke beeinflussten/bildeten die Grundlage für dieses Werk
Bearbeitungsstand
Überprüft am Original überprüft
Bearbeitungsstand korrigiert
Wiedervorlage ja
Bearbeiter Benutzer:JS
Gegengelesen von
Bearbeitungsdatum 3.02.2020
Opus Camerarii
Werksigle OC 0557
Zitation De orthographia, bearbeitet von Jochen Schultheiß (03.02.2020), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OC_0557
Name Joachim Camerarius I.




Sprache Latein
Werktitel De orthographia
Kurzbeschreibung Lehrtext über die Rechtschreibung. Er beginnt mit einer Rechtfertigung der Orthographie. Diese besteht in der apodiktischen Aussage, dass das Richtige immer nur eins sein kann. Es folgt eine Definition der Orthographie. Er geht hierbei von einem Primat der Aussprache aus. Fragen der Rechtschreibung beziehen sich entweder darauf, (a) was geschrieben werden soll, (b) wie etwas geschrieben werden soll oder (c) wieviel geschrieben werden soll. Von der Rechtschreibung werden folgende Aspekte behandelt: Akzentsetzung, Diphthonge, Konsonanten, Aspiration, die Buchstaben K und Q, Buchstabendoppelung, die griechischen Buchstaben Z und Y, der Buchstabe X, Derivative, Archaismen, Kurzschrift, Interpunktion.
Erstnachweis 1552/03/15
Bemerkungen zum Erstnachweis Anmerkung am Werkende: Ioachimus Camerarius Papeberg(ensis) perscrip(sit) Id(ibus) Martii anno Christi M.D.LII


Schlagworte / Register Grammatik; Grammatik (Latein); Orthographie; Sprache; Sprachphilosophie; Lehrbuch
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Überliefert in
Druck Melanchthon, Grammatica Latina, 1552; Melanchthon, Grammatica Latina, 1553; Melanchthon, Grammatica Latina, 1555; Melanchthon, Grammatica Latina, 1558; Melanchthon, Grammatica Latina, 1560b; Erythraeus, De grammaticorum figuris, 1561; Melanchthon, Grammatica Latina, 1563; Melanchthon, Grammatica Latina, 1563a; Melanchthon, Grammatica Latina, 1564a; Melanchthon, Grammatica Latina, 1571; Melanchthon, Grammatica Latina, 1571a; Melanchthon, Grammatica Latina, 1573a
Carmen
Gedicht? nein
Bearbeitungsdatum 3.02.2020


Aufbau und Inhalt

Camerarius setzt dem Traktat eine Rechtfertigung der Orthographie voran (Anm. 1). Die Tatsache, dass es ein Regelwerk des fehlerfreien Schreibens gibt (esse aliquam emendate scribendi rationem, 428), wird daraus offensichtlich, dass hier jeder Unterschiedliches für richtig hält. Allerdings kann immer nur eines wahr sein. Das Wahre und Richtige ist stets einfach, vielgestaltig hingegen ist das Falsche. Die Vernunft sucht nach dem Wahren, indem sie sowohl die Eigenheit und die Natur der Sprache (proprietatem sermonis & naturam linguae considerando) als auch den Sprachgebrauch des unverdorbenen Altertums betrachtet (usum incorruptae antiquitatis observando). Mag es auch sein, dass die aktuelle Gewohnheit (praesens consuetudo) bisweilen die Oberhand gewinnen kann (aliquid obtinet & evincit contra veritatem) lässt die Gelehrsamkeit und die Vernunft dies dennoch nur in der Weise zu (doctrina & ratio ita illud admittit), dass sie den Sprachgebrauch dem Volk überlasse, die theoretische Erkenntnis aber sich selbst vorbehalte (usum populo ... concedat, scientiam reservet sibi, Zitat aus Cic. orat. 160).
Nach dieser Klärung hält Camerarius eine Definition der Orthographie für angebracht (429). Danach sollten ihre Anwendungsbereiche untersucht werden. Die Rechtschreibung muss sich nach der Sprechweise richten (Anm. 1). Bei dieser Definition wie auch in den ihr folgenden Ausführungen wird deutlich, dass Camerarius von einem Primat des Gesprochenen ausgeht. Insbesondere in der Aussprache (in pronunciando) ist der Wahrheit der Sprache bewahrt. Camerarius fasst Sprache als eine gesprochene Äußerung auf, der die Schreibung folgen muss (429-430). Bei der Rechtschreibung muss beachtet werden, was (Quid), wie (Quale) und wieviel (Quantum) geschrieben wird (430).
Bei dem "Was" ist zu fragen, welche Buchstaben in einer Silbe zu schreiben sind (z.B. Virgilius, an Vergilius). Hierbei müssen die Etymologie (origo vocabuli) und die Schreibweise der Antike (vetustatis autoritas) bedacht werden. Als Beispiel für die Etymologie führt er an, dass Virgilius von virgula komme. Die Schreibweise der Antike spricht für assum und gegen adsum. Das "Wie" kommt bei der Reihenfolge der Buchstaben (scortum und scrotum) und bei der Silbentrennung (abs-tineo, aber con-stituo) zum Tragen. Das "Wieviel" bezieht sich auf Hinzufügungen oder Entnahmen (z.B. na(n)ctus: falsch, wenn ein Buchstabe zu viel).

Die einzelnen Kapitel behandeln:

  • Akzentsetzung (De accentibus, 431-433).
Hierunter fallen auch die Quantitäten der Vokale, woran sich auch Beobachtungen zu Lautverschiebungen anschließen (E longum, in i longum: cedo, occīdo).
  • Diphthonge (De diphthongis, 433-434).
  • Konsonanten (De consonantibus, 434-435).
  • Aspiration (De aspiratione, 436-437).
In diesem Abschnitt spricht Camerarius eine Leseempfehlung für Pontanos Schrift "De aspiratione" aus.
  • Buchstaben K und Q (De litteris K et Q, 437-438).
  • Buchstabendoppelung (De duplicatione litterarum, 438).
  • Griechische Buchstaben Z und Y (De Graecis litteris Z et Y, 438).
  • Buchstabe X (De littera X, 438-439).
  • Derivative (De derivativis, 439-440).
Bei abgeleiteten Formen soll sich die Schreibweise nach der Etymologie (dictionum origo) richten, deshalb conditio eher als condicio, jedoch suspicio eher als suspitio.
  • Archaismen (De antiquis, 440-441).
Die alte Schreibweise (scriptura antiqua) der Autoren der Frühzeit (antiqui autores) soll nicht imitiert werden.
  • Kurzschrift (De scripturae brevitate, 441).
Nicht nur zur Geheimhaltung, sondern auch zur Abkürzung sind schon immer Kurzschriften verwendet worden. Camerarius führt griechische und lateinische Beispiele von Abbreviaturen an.
  • Interpunktion (De notis / signis distinctionum, 442-444, Anm. 3).
Die Interpunktion richtet sich nach den Pausen in der Aussprache (secundum pronunciationis veritatem, 442); vgl. zu den von Camerarius verwendeten Fachtermini vertiefend Burkard 2003a.

Wichtige Referenzautoren für Camerarius sind (Marcus) Fabius (Quintilianus), Priscian, Flavius Caper, Donat, Cicero, "Orator", Probus und Varro (Anm. 4).

Anmerkungen

  • Anm. 1: Man kann dabei sagen, dass Camerarius zu den Vertretern der Natürlichkeit, nicht der Konventionalität von Orthographie gehört. Zurecht weist Burkard 2003a, S. 15, Anm. 48 darauf hin, dass Camerarius an einigen Stellen des Traktats die selbst aufgestellten Regeln überhaupt nicht beachtet. Hier muss geklärt werden, ob dies als Leichtfertigkeit des Autors zu bewerten ist oder ob hier der Drucker in ungünstiger Weise eingegriffen hat.
  • Anm. 2: Auf diese Formel bringt auch Burkard 2003, S. 16 die komplexe Definition des Camerarius: Est igitur orthographia in scribendo earum litterarum exaratio, quarum potestatem sinceritas pronuntiationis secundum uniuscumque linguae naturam requirit (429).
  • Anm. 3: Die verschiedenen Ausgaben variieren zwischen notis und signis.
  • Anm. 4: Konkrete Stellenangaben in den Referenztexten finden sich in der Edition Burkard 2003a, S. 42-52.

Überlieferung

Als Entstehungszeitpunkt bestätigt Burkard 2003, S. 36, Anm. 121 das Jahr 1552 gegen die völlig unbegründete Ansetzung bei Baron auf das Jahr 1549.
Nach der Erstauflage fand einer Überarbeitung des Werkanfangs statt (zu den Varianten siehe Burkard 2003, S. 36 und die angegebenen Stellen).
Camerarius' Orthographietraktat wird nicht nur als Ergänzung zu Melanchthons "Lateinischer Grammatik" überliefert, sondern auch von Valentin Erythraeus 1561 seinen Werken zur Figurenlehre und zu sprachlichen Fehlern hinzugefügt.

Forschungsliteratur

  • Burkard 2003a, S. 15-16 (zu Camerarius' "De orthographia"), S. 35-37 (zur Textgeschichte), S. 42-52 (Textedition).