Mathematische Wissenschaften (CamLex)
1. Melanchthon, Camerarius und der Stellenwert der mathematischen Wissenschaften
Im Bildungsprogramm von Melanchthon und Camerarius nehmen die mathematischen Wissenschaften eine zentrale Stelle ein. Beide äußern sich programmatisch über den hohen Nutzen von Mathematik und Astronomie und sprechen sich dezidiert für die Astrologie aus (s. dort).
1.1 Melanchthon und die Mathematik an der Universität Wittenberg
Prägend für Melanchthons Interesse an den mathematischen Wissenschaften und insb. auch an der Astrologie (s. dort) war sein Studium bei Johannes Stöffler in Tübingen.[1] Nach seiner Berufung auf die Professur für Griechische Sprache setzte sich Melanchthon in Wittenberg maßgeblich für die Beförderung der mathematischen Disziplinen in der Artesfakultät ein. Bereits 1521 hatte er sich – nach dem Vorbild des Wiener "Collegium poetarum et mathematicorum" – für die Einrichtung von zwei mathematischen Professuren ausgesprochen.[2] Durch seinen Einsatz kam 1525 zu der ursprünglichen (1514 eingeführten) Mathematiklektur eine weitere Stelle hinzu, so dass die Leucorea in Folge über eine Professur für "niedere" und eine für "höhere" Mathematik verfügte.[3] Zwischenzeitlich hatte Melanchthon, wohl während seines Rektorats 1523/24, auch Disputationen in der Physik und Mathematik angewiesen.[4] Als 1536 die Neubesetzung beider Mathematikprofessuren anstand und ihre dauerhafte Teilung bestätigt worden war, wurde die niedere Mathematik (zunächst in kommissarischer Verwaltung) Georg Joachim Rheticus übertragen, dessen programmatische Antrittsrede "Praefatio in arithmeticen" Melanchthon (mit-)verfasste. Rheticus wechselte 1542 an die Universität Leipzig und wurde (nun als Vertreter der höheren Mathematik) Kollege von Camerarius, der ihn dort qua Abwesenheit über mehrere Semester vertrat (s.u.). Die höhere Mathematik in Wittenberg fiel 1536 an Erasmus Reinhold, der wie Rheticus in Wittenberg studiert hatte. Camerarius setzt sich später auf Bitte Melanchthons[5] für die Übermittlung einer Zahlung ein, die Albrecht von Preußen für Reinholds Erstellung der "Prutenischen Tafeln" (gedr. 1551) bewilligt hatte.[6] Für das Titelblatt des Tafelwerkes hat Camerarius ein griechisches Werbegedicht verfasst, anlässlich von Reinholds Tod 1553 ein griechisches Epicedium. Auch die Nachfolger erwiesen sich als gute Wahl (etwa Caspar Peucer sowie Erasmus Flock, Johannes Aurifaber und Sebastianus Theodoricus).[7] Wie in Wittenberg, das durch Melanchthons Initiative "zum Mittelpunkt des akademischen Mathematikunterrichts im Deutschlande der Reformationszeit" (Reich 2012, 87) wurde, wurden auch in Tübingen und Leipzig, den universitären Wirkungsstätten von Camerarius, jeweils zwei mathematische Professuren eingerichtet.
Test
Test1
Test2
- ↑ Zu Stöffler vgl. etwa Betsch 2008.
- ↑ MBW – Regesten online, Nr. 146 an Georg Spalatin, dat. 14.06.1521.
- ↑ Johannes Volmar, der seit 1519 die Lektur innehatte, erhielt die Professur für höhere, Johannes Longicampianus die für niedere Mathematik, sein Nachfolger wurde 1529 Jakob Milich. Nach dem Tod Volmars und dem Wechsel Milichs an die medizinische Fakultät waren beide Stellen 1536 vakant.
- ↑ Schöneburg 2007, 13.
- ↑ MBW – Regesten online, Nr. 3784, dat. 04.01.1545.
- ↑ Camerarius' Einsatz scheint erfolgreich gewesen zu sein, da sich Melanchthon ein halbes Jahr später bei Albrecht für 50 Gulden bedankt, die Reinhold erhalten habe (MBW – Regesten online, Nr. 3949, dat. 15.07.1545.
- ↑ Zu den Wittenberger Lehrveranstaltungen im Bereich der Mathematik und Astrologie zu Melanchthons Zeit vgl. Singer 2012, 66-87.