Sturm an Camerarius, 11.10.1542: Unterschied zwischen den Versionen
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St. erinnert sich an C.‘ Tröstung ([[OCEp 1258]]) nach dem Tod [[Erwähnte Person::Claude de Féray]] | St. erinnert sich an C.‘ Tröstung ([[OCEp 1258]]) nach dem Tod von [[Erwähnte Person::Claude de Féray]] und drückt seine Dankbarkeit darüber aus. Philosophische Überlegungen über Leben und Tod. Auch wenn man überzeugt sei, dass einen guten Christen nach dem Tod kein Übel erwarte, so wolle man diesen doch lieber lebend bei sich haben. Ohne Zweifel würde es C. trotz aller Selbsttröstung vorziehen, wenn er [[Erwähnte Person::Simon Grynäus]] noch sehen könnte, anstatt ihn zu vermissen. Wie im vergangenen Jahr solle C. St. nun auch in diesem Jahr tröstend beistehen angesichts des Verlustes so vieler Personen. | ||
Begonnen haben die Trauerfälle mit der Mondfinsternis im März des Vorjahres: Nach Claude de Féray (12.3.1541) seien viele andere an der Pest gestorben: Dessen Schüler [[Erwähnte Person::Ludwig Ricomus]], der (Straßburger) Rechtsgelehrte Dr. [[Erwähnte Person::Wendelin Bittelbrunn]] (27.3.), [[Erwähnte Person::Sebastian Sopherus]], Sohn des (Straßburger) Quaestors ([[Erwähnte Person::Gervasius Sopher]]) (15.3.). In dieser Zeit sei St. nach [[Erwähnter Ort::Regensburg]] gereist, wie C. wisse, der St. in [[Erwähnter Ort::Bad Wildbad]] getroffen habe. Grynäus habe damals St. und [[Erwähnte Person::Jakob Bedrott]] darüber schriftlich informiert. St. habe vor Anfang April davon erfahren und habe die Gesellschaft von Freunden aus [[Erwähnter Ort::Tübingen]], [[Erwähnter Ort::Ulm]] und [[Erwähnter Ort::Regensburg]] gesucht. Er habe danach in diesen Städten sowie in [[Erwähnter Ort::Ingolstadt]] neue Freundschaften geschlossen und alte Freunde wiedergetroffen. Darunter waren Bekanntschaften vom [[Worms]]er Reichstag (1540): [[Erwähnte Person::Philipp Melanchthon]] und [[Erwähnte Person::Martin Bucer]]. Dies habe ihm den Kummer erleichtert. Betonung der Bedeutung von Freundschaft für St. Er sei bis kurz vor dem 15.5. unterwegs gewesen und hatte gehofft, dass [[Erwähnte Körperschaft::Gymnasium (Straßburg)|das Gymnasium]] nun verschont bliebe, nachdem Wendelin das letzte Opfer war. Doch am 23.6. starb Nicolaus, der Sohn des [[Erwähnte Person::Nikolaus Gerbel]], was die Trauer aller vergrößerte. Wegen des infektuösen Monats Juni befürchteten nun alle, dass August und September viele Todesfälle brächten. Doch der Juli blieb ohne Opfer und die Schule schien wie ein Schiff aus Schiffbruch gerettet zu sein. Diese Hoffnung aber war trügerisch, denn am 18. starb [[Erwähnte Person::Hieronymus Emmert]], ein junger und vielseitig begabter Mann, den C. nicht kennengelernt habe. Sicherheit habe es nirgendwo gegeben: Denn am Tag, als St. nach [[Lyon]] aufbrach, seinen im Haus der Karthäuser(?) sechs Menschen gleichzeitig infiziert worden und die übrigen mit ihren Lehrern nach [[Erwähnter Ort::Gengenbach]] geflohen. Bedrott aber habe [[Erwähnte Person::Wilhelm Zwingli|den Sohn]] [[Ulrich Zwingli]]s separiert und nach [[Erwähnter Ort::Wasselonne|Vasseloa]] (drei Stunden von Straßburg) geführt. Dort sei der junge Mann aber am 15.10.(?) gestorben. | |||
Weitere Opfer waren: der Italiener Alexander (unbekannt); Caspar (12.9.), Sohn des [[Erwähnte Person::Caspar Hedio]], den C. ja gut kenne. Er habe außerdem seine Tochter Caritas (Hedio) (13.9.), Johannes Ludwig Hedio (30.9.) und Joseph Hedio (9.10., zehnjährig) verloren. Letzterem sei am nächsten Tag sein Lehrer [[Erwähnte Person::Johannes Eisenburg|Johannes Isemburg]] in den Tod gefolgt, ein wichtiger Mann für das Gymnasium und die Kirche Straßburgs. Beide hätten so im September und Oktober gravierende Verluste erlitten. Über die Bürger der Stadt wolle St. nichts schreiben; der Schmerz wäre zu groß. | Weitere Opfer waren: der Italiener Alexander (unbekannt); Caspar (12.9.), Sohn des [[Erwähnte Person::Caspar Hedio]], den C. ja gut kenne. Er habe außerdem seine Tochter Caritas (Hedio) (13.9.), Johannes Ludwig Hedio (30.9.) und Joseph Hedio (9.10., zehnjährig) verloren. Letzterem sei am nächsten Tag sein Lehrer [[Erwähnte Person::Johannes Eisenburg|Johannes Isemburg]] in den Tod gefolgt, ein wichtiger Mann für das Gymnasium und die Kirche Straßburgs. Beide hätten so im September und Oktober gravierende Verluste erlitten. Über die Bürger der Stadt wolle St. nichts schreiben; der Schmerz wäre zu groß. |
Version vom 15. Februar 2024, 13:37 Uhr
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Werksigle | OCEp 1546 |
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Zitation | Sturm an Camerarius, 11.10.1542, bearbeitet von Vinzenz Gottlieb (15.02.2024), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OCEp_1546 |
Besitzende Institution | |
Signatur, Blatt/Seite | |
Ausreifungsgrad | |
Erstdruck in | Sturm, Epitaphia, 1542 |
Blatt/Seitenzahl im Erstdruck | A4v-E8v |
Zweitdruck in | Fournier 1894 |
Blatt/Seitenzahl im Zweitdruck | S. 42-44 (Auszug) |
Sonstige Editionen | |
Wird erwähnt in | |
Fremdbrief? | nein |
Absender | Johannes Sturm |
Empfänger | Joachim Camerarius I. |
Datum | 1541/10/11 |
Datum gesichert? | nein |
Bemerkungen zum Datum | im Druck: quinto Idus Octobris (s. Anm.) |
Unscharfes Datum Beginn | |
Unscharfes Datum Ende | |
Sprache | Latein |
Entstehungsort | Straßburg |
Zielort | Leipzig |
Gedicht? | nein |
Incipit | Memini cum me post Claudii mortem commoneres |
Link zur Handschrift | |
Regest vorhanden? | ja |
Paratext ? | nein |
Paratext zu | |
Kurzbeschreibung | Bericht über die (Straßburger) Pesttoten 1541, nebst einem ausführlichen Nachruf mit Biographie auf Wolfgang Capito. |
Anlass | |
Register | Pest (Straßburg); Nachruf (Prosa); Politische Neuigkeiten; Konzil von Trient; Medizin |
Handschrift | unbekannt |
Bearbeitungsstand | unkorrigiert |
Notizen | [[Notizen::VG (Diskussion) 10:18, 2. Feb. 2024 (CET) Viele Personen fehlen noch; verstorbene Kinder habe ich nicht angelegt (außer Wilhelm Zwingli). Der Brief kann für die Ärztebriefe und die Theologenbriefe noch einiges bieten.]] |
Wiedervorlage | nein |
Bearbeiter | Benutzer:VG |
Gegengelesen von | |
Datumsstempel | 15.02.2024 |
Werksigle | OCEp 1546 |
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Zitation | Sturm an Camerarius, 11.10.1542, bearbeitet von Vinzenz Gottlieb (15.02.2024), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OCEp_1546 |
Erstdruck in | Sturm, Epitaphia, 1542 |
Blatt/Seitenzahl im Erstdruck | A4v-E8v |
Zweitdruck in | Fournier 1894 |
Blatt/Seitenzahl im Zweitdruck | S. 42-44 (Auszug) |
Wird erwähnt in | |
Fremdbrief? | nein |
Absender | Johannes Sturm |
Empfänger | Joachim Camerarius I. |
Datum | 1541/10/11 |
Datum gesichert? | nein |
Bemerkungen zum Datum | im Druck: quinto Idus Octobris (s. Anm.) |
Sprache | Latein |
Entstehungsort | Straßburg |
Zielort | Leipzig |
Gedicht? | nein |
Incipit | Memini cum me post Claudii mortem commoneres |
Regest vorhanden? | ja |
Paratext ? | nein |
Kurzbeschreibung | Bericht über die (Straßburger) Pesttoten 1541, nebst einem ausführlichen Nachruf mit Biographie auf Wolfgang Capito. |
Register | Pest (Straßburg); Nachruf (Prosa); Politische Neuigkeiten; Konzil von Trient; Medizin |
Datumsstempel | 15.02.2024 |
Zielort mutmaßlich
Regest
St. erinnert sich an C.‘ Tröstung (OCEp 1258) nach dem Tod von Claude de Féray und drückt seine Dankbarkeit darüber aus. Philosophische Überlegungen über Leben und Tod. Auch wenn man überzeugt sei, dass einen guten Christen nach dem Tod kein Übel erwarte, so wolle man diesen doch lieber lebend bei sich haben. Ohne Zweifel würde es C. trotz aller Selbsttröstung vorziehen, wenn er Simon Grynäus noch sehen könnte, anstatt ihn zu vermissen. Wie im vergangenen Jahr solle C. St. nun auch in diesem Jahr tröstend beistehen angesichts des Verlustes so vieler Personen.
Begonnen haben die Trauerfälle mit der Mondfinsternis im März des Vorjahres: Nach Claude de Féray (12.3.1541) seien viele andere an der Pest gestorben: Dessen Schüler Ludwig Ricomus, der (Straßburger) Rechtsgelehrte Dr. Wendelin Bittelbrunn (27.3.), Sebastian Sopherus, Sohn des (Straßburger) Quaestors (Gervasius Sopher) (15.3.). In dieser Zeit sei St. nach Regensburg gereist, wie C. wisse, der St. in Bad Wildbad getroffen habe. Grynäus habe damals St. und Jakob Bedrott darüber schriftlich informiert. St. habe vor Anfang April davon erfahren und habe die Gesellschaft von Freunden aus Tübingen, Ulm und Regensburg gesucht. Er habe danach in diesen Städten sowie in Ingolstadt neue Freundschaften geschlossen und alte Freunde wiedergetroffen. Darunter waren Bekanntschaften vom Wormser Reichstag (1540): Philipp Melanchthon und Martin Bucer. Dies habe ihm den Kummer erleichtert. Betonung der Bedeutung von Freundschaft für St. Er sei bis kurz vor dem 15.5. unterwegs gewesen und hatte gehofft, dass das Gymnasium nun verschont bliebe, nachdem Wendelin das letzte Opfer war. Doch am 23.6. starb Nicolaus, der Sohn des Nikolaus Gerbel, was die Trauer aller vergrößerte. Wegen des infektuösen Monats Juni befürchteten nun alle, dass August und September viele Todesfälle brächten. Doch der Juli blieb ohne Opfer und die Schule schien wie ein Schiff aus Schiffbruch gerettet zu sein. Diese Hoffnung aber war trügerisch, denn am 18. starb Hieronymus Emmert, ein junger und vielseitig begabter Mann, den C. nicht kennengelernt habe. Sicherheit habe es nirgendwo gegeben: Denn am Tag, als St. nach Lyon aufbrach, seinen im Haus der Karthäuser(?) sechs Menschen gleichzeitig infiziert worden und die übrigen mit ihren Lehrern nach Gengenbach geflohen. Bedrott aber habe den Sohn Ulrich Zwinglis separiert und nach Vasseloa (drei Stunden von Straßburg) geführt. Dort sei der junge Mann aber am 15.10.(?) gestorben.
Weitere Opfer waren: der Italiener Alexander (unbekannt); Caspar (12.9.), Sohn des Caspar Hedio, den C. ja gut kenne. Er habe außerdem seine Tochter Caritas (Hedio) (13.9.), Johannes Ludwig Hedio (30.9.) und Joseph Hedio (9.10., zehnjährig) verloren. Letzterem sei am nächsten Tag sein Lehrer Johannes Isemburg in den Tod gefolgt, ein wichtiger Mann für das Gymnasium und die Kirche Straßburgs. Beide hätten so im September und Oktober gravierende Verluste erlitten. Über die Bürger der Stadt wolle St. nichts schreiben; der Schmerz wäre zu groß. St. war im September und Oktober in Lyon, kehrte aber vor Anfang November zurück (B2r). Da erfuhr er vom Tod des Eusebius Ökolampad, dem Sohn des Dr. Johannes Ökolampad; sein Stiefvater Wolfgang Capito folgte ihm am 4.11. Große Verluste erlitt Martin Bucer, dem die Ehefrau Elisabeth (Silbereisen) sowie die Töchter Anastasia, Sara (7.11.) und Felicitas (vierjährig) sowie der Sohn Martin (filiolum infantem) starben.
Der Tod des Jakob Bedrott sei aber für alle der schlimmste gewesen. St. lobt dessen literarische und sprachliche Bildung und erwähnt dessen zahlreiche Briefe an Camerarius. Kurz darauf starb auch dessen Sohn Jonas Bedrott. Ein harter Schlag sei auch die Nachricht vom Tod des [Erwähnte Person::Simon Grynäus]] gewesen. Er habe in der Todesstunde noch an St. geschrieben und seine Symptome geschildert (tumores ei septem in locis oriri et medicos putare ἄνθρακασ esse, et se magnis affici caloribus). Damals war St. in Fomblaquis (Fomblaise?) mit dem Rechtsgelehrten Dr. Ludwig Gremp, dem Arzt Ulrich Ehinger und Jakob Villicus, einem Bekannten von C. aus den Thermen. Die letzten beiden seien kurz danach gestorben, Villicus am 17.1.(1542). Auch Bucers Diener Michael starb, ein junger litauischer Adliger, den ihm Melanchthon empfohlen hatte.[1] Danach starb nur noch der junge Chrysostomus Hedio.
Den größten Teil des Briefes bildet eine Biographie des Wolfgang Capito (B7v-E4v) mit Ausbildung, beruflichen Stationen und theologischen Positionen: Geboren in Hagenau, als zweites von sechs Kindern, davon nur ein Mädchen, Eltern waren der Schmied Johannes, ein Ratsherr der Stadt, und die Mutter Agnes Capa. Ausbildung in Pforzheim, Ingolstadt und Freiburg. Weihe zum Priester und zehn Jahre Tätigkeit in Freiburg, dann Kanoniker in Brüssel, später in Basel. Dort schloss er Freundschaft mit Erasmus von Rotterdam, den Amerbach-Brüdern und Beatus Rhenanus. Mit Erasmus und Johannes Ökolampad übersetzte er das Neue Testament und hebräische Texte. In Diensten des Kardinals Albrecht (Brandenburg) Teilnahme an der Krönung Karls V. und den Reichstagen von Worms und Nürnberg 1521. Danach verließ er die bischöflichen Dienste und ging nach Straßburg, dort Kanoniker an St. Thomas. Bekanntschaft mit Matthias Zellius, Martin Bucer und Antonius Furnius. Zunächst Versuch, deren reformatorische Lehre zu widerlegen; danach schloss er sich ihr an. Praefekt an St. Peter für 17 Jahre. Heirat mit Agnes; nach deren Tod (an der Pest) heiratete er die Witwe Ökolampads.
Nach dieser Biographie kehrt Sturm zurück (E3v) zum Bericht über kürzlich Verstorbene. Er nennt zunächst Erasmus, Budaeus, Vives, Eobanus und Frossius. Ludwig Gremp habe seine Schwester Anna und seinen Bruder Heinrich verloren, Petrus Dasypodius seinen Sohn, Dr. med. Johann Winter von Andernach seine Frau. In Britannien seien Gottfried Syluius(?), Johannes Calcariensis und Tiloman Artopaeus an der Pest gestorben.
Aus Italien komme gerade die Nachricht, dass Kardinal Contareni im August getötet worden sei, laut Aussage der Ärzte mit Gift. Er sei ein gelehrter Mann und das kleinste Übel in Regensburg gewesen. Der Bischof von Modena sei Kardinal geworden und werde vielleicht sein Nachfolger. Der Papst hätte beschlossen, zwecks Friedensverhandlungen Contareni zum Kaiser zu schicken und Kardinal Sadoleto zum König von Frankreich.
Das Konzil zu Trient werde wohl nicht zusammentreten, wenn es nicht vor November Friede zwischen dem Kaiser und Frankreich gebe. Und selbst wenn, dann werde es kein Heilmittel sein: Denn er kenne keinen Arzt, der sich selbst ein Cauterium appliziere. St. wisse, dass C. aus den selben Gründen leide. Falls dieser aber ein Mittel dagegen wisse, solle er es ihm mitteilen.
(Vinzenz Gottlieb)
Anmerkungen zur Datierung
Im Druck o.J.; durch die erwähnten Todesfälle (besonders Kardinal Contarini) auf 1542 zu datieren.
Anmerkungen
- ↑ Aus dem Melanchthon-Briefwechsel nicht ersichtlich, sofern keine Verwechslung mit dem Äthiopier Michael vorliegt: Vgl. MBW Nr. 1459.