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* Verwirklicht hat er mit '''Georg Joachim Rheticus''' eine komfortabel zu benutzende zweisprachige Ausgabe der ersten 6 Bücher von '''Euklids „Elementa“'''. Für diese 1549 gedruckte, illustrierte Edition (Neuauflage 1577 mit ''demonstrationes'' von '''Moritz Steinmetz''' zu den ersten drei Büchern) steuerte Camerarius die lateinische Übersetzung und – unter Rheticus‘ Namen – die programmatische Widmung an '''Christoph von Karlowitz''' über den ubiquitären Nutzen der Geometrie als den Menschen angeborene, apriorische Wissenschaft bei ('''OCEp 1413'''). Hierin proklamiert Camerarius sowohl die mathematische als auch sprachliche Leistungsfähigkeit der Ausgabe: Die vorgelegten sechs Bücher seien unabdingbare Grundlage für die Beschäftigung mit der Mathematik; zugleich ermöglichte die (alternierende) zweisprachige Ausgabe ein Erlernen des Griechischen, das als Wissenschaftssprache eine besondere Qualität besitze.<br> | * Verwirklicht hat er mit '''Georg Joachim Rheticus''' eine komfortabel zu benutzende zweisprachige Ausgabe der ersten 6 Bücher von '''Euklids „Elementa“'''. Für diese 1549 gedruckte, illustrierte Edition (Neuauflage 1577 mit ''demonstrationes'' von '''Moritz Steinmetz''' zu den ersten drei Büchern) steuerte Camerarius die lateinische Übersetzung und – unter Rheticus‘ Namen – die programmatische Widmung an '''Christoph von Karlowitz''' über den ubiquitären Nutzen der Geometrie als den Menschen angeborene, apriorische Wissenschaft bei ('''OCEp 1413'''). Hierin proklamiert Camerarius sowohl die mathematische als auch sprachliche Leistungsfähigkeit der Ausgabe: Die vorgelegten sechs Bücher seien unabdingbare Grundlage für die Beschäftigung mit der Mathematik; zugleich ermöglichte die (alternierende) zweisprachige Ausgabe ein Erlernen des Griechischen, das als Wissenschaftssprache eine besondere Qualität besitze.<br> | ||
:Auch in späteren Jahren interessiert sich Camerarius für Überlieferungszeugen zu '''Euklid'''. So bemüht er sich 1567 um einen wertvollen Codex aus dem Besitz des '''Johannes Sambucus''', der sämtliche Werke Euklids (und weitere Texte zur Geometrie) enthielt. Sambucus hatte ihm ein Verzeichnis seiner reichen Buchbestände zukommen lassen und Entleihungen angeboten. <ref>'''OCEp 1206''', dat. 21.01.1567; zur Bibliothek des Sambucus [[Almási 2009]], 217f.</ref> Allerdings erschienen Camerarius die Bedingungen, die (sein ehemaliger Leipziger Schüler) Sambucus für die Übersendung der Handschrift in einem Brief an seinen Sohn Joachim stellte <ref>Clm 10367, Nr. 295, ed. [[Gerstinger 1968]], 81f., dat. 25.03.1567)</ref | :Auch in späteren Jahren interessiert sich Camerarius für Überlieferungszeugen zu '''Euklid'''. So bemüht er sich 1567 um einen wertvollen Codex aus dem Besitz des '''Johannes Sambucus''', der sämtliche Werke Euklids (und weitere Texte zur Geometrie) enthielt. Sambucus hatte ihm ein Verzeichnis seiner reichen Buchbestände zukommen lassen und Entleihungen angeboten. <ref>'''OCEp 1206''', dat. 21.01.1567; zur Bibliothek des Sambucus [[Almási 2009]], 217f.</ref> Allerdings erschienen Camerarius die Bedingungen, die (sein ehemaliger Leipziger Schüler) Sambucus für die Übersendung der Handschrift in einem Brief an seinen Sohn Joachim stellte <ref>Clm 10367, Nr. 295, ed. [[Gerstinger 1968]], 81f., dat. 25.03.1567)</ref> als nicht akzeptabel und er nahm von der Abfrage Abstand. <ref> '''OCEp 1207''', dat. 24.04.1567)</ref> Sambucus hatte für eine zehnmonatige Ausleihe des mit Textfiguren und Annotaten reich ausgestatteten Codex ein Pfand von 200 Talern oder einen Bürgen verlangt. Sambucus versuchte, bei Camerarius einzulenken (OCEp 3257, dat. 01.06.1567), doch ist unklar, ob dieser die Handschrift in Folge in Leipzig erhielt. Zumindest dürfte er sie bei seinem Wienaufenthalt im Folgejahr eingesehen haben, bei dem er auch Bücher aus Sambucus‘ Bibliothek vor Ort entleihen konnte (OCEp 1209). Er mahnte jedenfalls Sambucus beständig, mathematische Werke aus seinem Besitz drucken zu lassen (z.B. OCEp 1209). Seit etwa 1570 befindet sich der begehrte Codex dann bei Konrad Dasypodius, der ihn von Sambucus für seine bei Episcopius geplante Edition und Übersetzung erhalten hatte (Dasypodius an Dudith, dat. 03.12.1571, p. II, Nr. 272, hier: S. 322f, Z. 20-24) aber die Texte weder heraus- noch die Handschrift an Sambucus zurückgegeben hat (Sambucus an Zwinger, dat. 12.03.1576, ed. Gerstinger 1968, 190-193 und weitere Briefe an ihn; Sambucus an Joachim Camerarius II., dat. 07.07.1577, ed. Gerstinger 1968, 221f.; in diesem Brief erwähnt Sambucus auch, dass Camerarius den Codex für den besten hs. Textzeugen der Werke Euklids gehalten habe; in einem Brief an Zwinger vom 13.10.1576, ed. Gerstinger 1968, 197-200, taxiert Sambucus seinen Wert mit 100 Gulden.). | ||
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Version vom 10. März 2022, 18:20 Uhr
Mathematische Wissenschaften
1. Zum Stellenwert der mathematischen Wissenschaften
Im Bildungsprogramm von Melanchthon und Camerarius nehmen die mathematischen Wissenschaften einen zentrale Stelle ein. Beide äußern sich programmatisch über den hohen Nutzen von Mathematik und Astronomie und sprechen sich dezidiert für die Astrologie aus (s. dort).
1.1 Die mathematischen Fächer an den Universitäten Wittenberg, Tübingen, Leipzig
1.2 Programmatische Äußerungen von Melanchthon und Camerarius
2. Formate und Inhalte
2.1 Vermittlung antiker griechischer Werke: Edition – Übersetzung – Kommentar
In der Korrespondenz des Camerarius und auch in Paratexten zu seinen Drucken findet sich wiederholt die Klage über wenig verlässliche Textgrundlagen und über fehlerhafte bis sinnentstellende Übersetzungen. Besonders prekär zeigt sich die Lage für griechische Fachtexte, die für Camerarius wie für Melanchthon einen unschätzbaren doppelten (disziplinären und sprachlichen) Nutzen besitzen. Camerarius setzt hier mit seiner philologischen und fachlichen Kompetenz an, nicht ohne auch Mathematiker (etwa Johannes Hommel oder Valentin Thau) zu konsultieren, oder die Drucklegung unter Aufsicht eines Mathematikers (etwa von Sebastianus Theodoricus) zu stellen. Es gelang ihm jedoch nicht, alle geplanten Projekte zu vollenden bzw. in den Druck zu bringen.
2.1.1 Realisierte Projekte
- In den 30er Jahren gleich mehrfach gedruckt wurden Camerarius‘ lateinische Bearbeitungen von Arats „Phainomena“ und „Diosemeia“. In diesen umfangreichen Lehrdichtungen (OC 0167: „Phaenomena“, OC 0168: „Prognostica“) setzt er sich, wie Walter Ludwig gezeigt hat (Ludwig 2003) kreativ und eigenständig mit den griechischen Vorlagen auseinander. Er scheint damit ein älteres Projekt Philipp Melanchthons aufzugreifen: Dieser hatte sich auf Anregung seines Tübinger Lehrers Johannes Stöffler schon 1518 intensiver mit einer Arat-Übersetzung beschäftigt, diese aber nicht publiziert.[1] 1521 gab Melanchthon dann die „Phainomena“ als Studienausgabe in Wittenberg heraus (mit großzügigem Durchschuss und breitem Seitenrand für Kommentierungen) und las 1522 darüber. In der Dedikation an Hieronymus Baumgartner (aiv-aiir) betont Melanchthon sein Programm, Autoren herauszugeben, anhand deren man die griechische Sprache und Wissenschaft lernen könne (Sedulo hactenus operam dedimus, ut eiusmodi scriptores scholae nostrae proponeremus, e quib(us) praeter loquendi rationem etiam rerum Graecarum scientiam delibaret iuventus. Nam efficacissime commendari linguae studium utilitate iudico, aiiv) und die zugleich Sprache und Geist bildeten. Arat sei für diese Doppelfunktion aufgrund seiner Qualität als Dichter und Vermittler von Naturwissen hervorragend geeignet (aiv-aiir). Unter den nondum edita des Camerarius, der in Tübingen und/oder Leipzig ebenfalls über Arat gelesen haben dürfte (Nachweis#), soll sich laut Summerus 1646 (D4v) auch ein Kommentar zu den „Phainomena“ befunden haben (OC 0993).
- Verwirklicht hat er mit Georg Joachim Rheticus eine komfortabel zu benutzende zweisprachige Ausgabe der ersten 6 Bücher von Euklids „Elementa“. Für diese 1549 gedruckte, illustrierte Edition (Neuauflage 1577 mit demonstrationes von Moritz Steinmetz zu den ersten drei Büchern) steuerte Camerarius die lateinische Übersetzung und – unter Rheticus‘ Namen – die programmatische Widmung an Christoph von Karlowitz über den ubiquitären Nutzen der Geometrie als den Menschen angeborene, apriorische Wissenschaft bei (OCEp 1413). Hierin proklamiert Camerarius sowohl die mathematische als auch sprachliche Leistungsfähigkeit der Ausgabe: Die vorgelegten sechs Bücher seien unabdingbare Grundlage für die Beschäftigung mit der Mathematik; zugleich ermöglichte die (alternierende) zweisprachige Ausgabe ein Erlernen des Griechischen, das als Wissenschaftssprache eine besondere Qualität besitze.
- Auch in späteren Jahren interessiert sich Camerarius für Überlieferungszeugen zu Euklid. So bemüht er sich 1567 um einen wertvollen Codex aus dem Besitz des Johannes Sambucus, der sämtliche Werke Euklids (und weitere Texte zur Geometrie) enthielt. Sambucus hatte ihm ein Verzeichnis seiner reichen Buchbestände zukommen lassen und Entleihungen angeboten. [2] Allerdings erschienen Camerarius die Bedingungen, die (sein ehemaliger Leipziger Schüler) Sambucus für die Übersendung der Handschrift in einem Brief an seinen Sohn Joachim stellte [3] als nicht akzeptabel und er nahm von der Abfrage Abstand. [4] Sambucus hatte für eine zehnmonatige Ausleihe des mit Textfiguren und Annotaten reich ausgestatteten Codex ein Pfand von 200 Talern oder einen Bürgen verlangt. Sambucus versuchte, bei Camerarius einzulenken (OCEp 3257, dat. 01.06.1567), doch ist unklar, ob dieser die Handschrift in Folge in Leipzig erhielt. Zumindest dürfte er sie bei seinem Wienaufenthalt im Folgejahr eingesehen haben, bei dem er auch Bücher aus Sambucus‘ Bibliothek vor Ort entleihen konnte (OCEp 1209). Er mahnte jedenfalls Sambucus beständig, mathematische Werke aus seinem Besitz drucken zu lassen (z.B. OCEp 1209). Seit etwa 1570 befindet sich der begehrte Codex dann bei Konrad Dasypodius, der ihn von Sambucus für seine bei Episcopius geplante Edition und Übersetzung erhalten hatte (Dasypodius an Dudith, dat. 03.12.1571, p. II, Nr. 272, hier: S. 322f, Z. 20-24) aber die Texte weder heraus- noch die Handschrift an Sambucus zurückgegeben hat (Sambucus an Zwinger, dat. 12.03.1576, ed. Gerstinger 1968, 190-193 und weitere Briefe an ihn; Sambucus an Joachim Camerarius II., dat. 07.07.1577, ed. Gerstinger 1968, 221f.; in diesem Brief erwähnt Sambucus auch, dass Camerarius den Codex für den besten hs. Textzeugen der Werke Euklids gehalten habe; in einem Brief an Zwinger vom 13.10.1576, ed. Gerstinger 1968, 197-200, taxiert Sambucus seinen Wert mit 100 Gulden.).
- ↑ MBW – Regesten online, Nr. 18 = Widmung von „De artibus liberalibus“ an Stöffler, A1v; Übersetzungen von zwei Stellen aus den „Diosemeia“ in CR XIX, Sp. 271f.
- ↑ OCEp 1206, dat. 21.01.1567; zur Bibliothek des Sambucus Almási 2009, 217f.
- ↑ Clm 10367, Nr. 295, ed. Gerstinger 1968, 81f., dat. 25.03.1567)
- ↑ OCEp 1207, dat. 24.04.1567)