Camerarius, In libellum gnomologicum prooemium
Opus Camerarii | |
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Werksigle | OC 0832 |
Zitation | In libellum gnomologicum ad magnificum dominum Georgium Mehl(ium) a Strolitz (...) Ioach(imi) Camerarii prooemium., bearbeitet von Jochen Schultheiß (04.02.2020), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OC_0832 |
Name | Joachim Camerarius I. |
Status | Verfasser |
Sprache | Latein |
Werktitel | In libellum gnomologicum ad magnificum dominum Georgium Mehl(ium) a Strolitz (...) Ioach(imi) Camerarii prooemium. |
Kurzbeschreibung | Camerarius beginnt mit einer Reflexion über die Möglichkeit des guten Gebrauchs und des Missbrauchs der Sprache. In dem Prooemium verteidigt Camerarius seinen Schreibstil, der Tadler gefunden habe. Als wichtigstes Stilideal stellt er die Klarheit dar. Das Zeitalter Ciceros ist der Höhepunkt in der Stilentwicklung des Lateinischen. Gegenwärtig herrsche ein Barbarismus. Daraufhin legt Camerarius die Grundsätze seiner Übersetzungstechnik dar. Es solle nicht Wort für Wort übersetzt werden, vielmehr solle der Sinn wiedergegeben werden. Dennoch müsse hierauf besondere Mühe verwandt werden, dass unter möglichst weiter Wahrung der Eigenheit der (Ausgangs-)Sprache derselbe (Gedanke) in der anderen (Ziel-)Sprache flüssig vorgebracht werde. Die Edition und die Übersetzung seien für den Schulunterricht bestimmt. |
Erstnachweis | 1569 |
Bemerkungen zum Erstnachweis | Datierung nach dem Erstdruck |
Datum unscharfer Erstnachweis (Beginn) | |
Datum unscharfer Erstnachweis (Ende) | |
Schlagworte / Register | Rhetorik; Übersetzungstheorie; Stilkritik; Ciceronianismus; Sprachentwicklung; Sprache; Gnomik |
Paratext zu | |
Paratext? | ja |
Paratext zu | Camerarius, Libellus gnomologicus, 1569 |
Überliefert in | |
Druck | Camerarius, Libellus gnomologicus, 1569 |
Erstdruck in | |
Blatt/Seitenzahl im Erstdruck | |
Carmen | |
Gedicht? | nein |
Erwähnungen des Werkes und Einfluss von Fremdwerken | |
Wird erwähnt in | |
Folgende Handschriften und gedruckte Fremdwerke beeinflussten/bildeten die Grundlage für dieses Werk | |
Bearbeitungsstand | |
Überprüft | am Original überprüft |
Bearbeitungsstand | korrigiert |
Wiedervorlage | ja |
Bearbeiter | Benutzer:JS |
Gegengelesen von | |
Bearbeitungsdatum | 4.02.2020 |
Opus Camerarii | |
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Werksigle | OC 0832 |
Zitation | In libellum gnomologicum ad magnificum dominum Georgium Mehl(ium) a Strolitz (...) Ioach(imi) Camerarii prooemium., bearbeitet von Jochen Schultheiß (04.02.2020), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OC_0832 |
Name | Joachim Camerarius I.
|
Sprache | Latein |
Werktitel | In libellum gnomologicum ad magnificum dominum Georgium Mehl(ium) a Strolitz (...) Ioach(imi) Camerarii prooemium. |
Kurzbeschreibung | Camerarius beginnt mit einer Reflexion über die Möglichkeit des guten Gebrauchs und des Missbrauchs der Sprache. In dem Prooemium verteidigt Camerarius seinen Schreibstil, der Tadler gefunden habe. Als wichtigstes Stilideal stellt er die Klarheit dar. Das Zeitalter Ciceros ist der Höhepunkt in der Stilentwicklung des Lateinischen. Gegenwärtig herrsche ein Barbarismus. Daraufhin legt Camerarius die Grundsätze seiner Übersetzungstechnik dar. Es solle nicht Wort für Wort übersetzt werden, vielmehr solle der Sinn wiedergegeben werden. Dennoch müsse hierauf besondere Mühe verwandt werden, dass unter möglichst weiter Wahrung der Eigenheit der (Ausgangs-)Sprache derselbe (Gedanke) in der anderen (Ziel-)Sprache flüssig vorgebracht werde. Die Edition und die Übersetzung seien für den Schulunterricht bestimmt. |
Erstnachweis | 1569 |
Bemerkungen zum Erstnachweis | Datierung nach dem Erstdruck
|
Schlagworte / Register | Rhetorik; Übersetzungstheorie; Stilkritik; Ciceronianismus; Sprachentwicklung; Sprache; Gnomik |
Paratext zu | |
Paratext? | ja |
Paratext zu | Camerarius, Libellus gnomologicus, 1569 |
Überliefert in | |
Druck | Camerarius, Libellus gnomologicus, 1569 |
Carmen | |
Gedicht? | nein |
Bearbeitungsdatum | 4.02.2020 |
Widmung und Entstehungskontext
Als Prooemium zu der Textausgabe und Übersetzung dient der Widmungsbrief an Georg Mehl von Strelitz.
Aufbau und Inhalt
Alle Dinge, die dem Schutz und der Pflege des menschlichen Lebens dienen, kennen zweierlei Form des Gebrauchs (A2r). Der eine ist der gewöhnliche und notwendige, wie es etwa bei der Ernährung des Körpers der Fall ist. Der andere ist erlesen und einmalig. Dasselbe kann man auch über die Sprache sagen (oratio). Diese ist für die Lebensführung notwendig. Denn das, was im Geist gedacht wurde, wird in Worten ausgedrückt und wechselseitig kommuniziert. Es bedarf jedoch der Fähigkeit zur guten und eloquenten Rede (1/2). Da diese die nützlichen und bedeutungsvollen Sätze der Weisheit erklärt, wird sie zum Nutzen wie auch für die ehrende Tugend gebraucht.
Da jedoch alle Dinge auf Erden, die irgendeinen Nutzen haben, auch eine Form des Missbrauchs kennen und dieser gewöhnlich umso schlimmer ist, je besser eine Sache ist, kann man nicht abstreiten, dass man zurecht vorbringt, dass allen lobenswerten und guten Dingen der Makel der Schlechtigkeit und Schändlichkeit anhaftet und dass das Gute selbst zum Schlechten degeneriert. Die Schlechtigkeit der verdorbenen Gemüter pflegt jedoch so weit zu gehen, dass sie auch dem Richtigen und Ehrenhaften nachstellt und es verleumdet, und die Böswilligkeit versucht Dinge zu verunglimpfen, die es verdienen, empfohlen zu werden. Zwar gibt es Personen, die auch in einer schlechten Form der Rhetorik ihre Beredsamkeit zeigen. Aber das wirklich Lobenswerte bei dieser Sache ragt von sich aus hervor. Dies wird auch trefflich von anderen Autoren gezeigt, und über deren Schriften gibt es auch Kommentierungen von Camerarius (2/3; Anm 1).
Camerarius habe beschlossen, die griechischen Quellen mit lateinischen Übersetzungen zu versehen (3). Sprache ist eine Voraussetzung für die Vermittlung von Dingen und Handlungen. Beim Übersetzen ist Camerarius in den Sinn gekommen, dass es einem Leser scheinen könnte, er habe so übersetzt, dass man ins Zweifeln geraten könne, ob im Griechischen des Thukydides oder im Lateinischen des Camerarius mehr Dunkelheit (caligo) und Holprigkeit (salebrae) liege (4). Da Camerarius wisse, dass sein Sprachstil von einigen kritisiert werde, da er zu wenig durchsichtig und klar und auch nicht leicht verständlich sei, habe er es für angemessen erachtet, hierüber nun einiges zu schreiben, auch wenn er sich schon andernorts hiermit auseinandergesetzt habe. Er wolle nun im Folgenden darlegen, wodurch die Qualität der Rede bewahrt und wodurch sie verdorben werde (4/5). Im Zentrum jeder Rede stünden die Dinge (res) und die Worte (verba).
Es folgen Überlegungen über den guten Sprachstil (5). Im Blickpunkt steht hierbei die Klarheit (6). In diesem Kontext lobt Camerarius auch die textkritischen Leistungen des Adrianus Turnebus für die Komödie (Anm. 2).
Den besten und reinsten Stil habe die lateinische Sprache zur Zeit Ciceros erreicht (7-8). Deshalb müsse man auch anhand seiner Schriften den Sprachgebrauch pflegen, mehren und schmücken. Die Beredsamkeit bilde Figuren (figurae, φράσεις) und Sentenzen (sententiae, περίοδοι) aus (8-9). Camerarius setzt sich gegen diejenigen zur Wehr, die es für überflüssig hielten, wenn man hierauf seine Aufmerksamkeit lenkt (9-10). Hierbei prangert Camerarius auch einen gegenwärtig herrschenden Barbarismus an.
Bei seinen folgenden Überlegungen zur Übersetzungstheorie (interpretandi ratio) stütze sich Camerarius ebenfalls auf frühere und ausführlichere Darlegungen (11, Anm. 3). Dies sei passend, da er gerade beschlossen habe, verschiedene Übersetzungen aus seiner Feder herauszugeben. Er möchte nun von der Art der Übersetzung (de eo genere interpretandi) sprechen, die auch so genannt werde. Hierbei werde etwas von anderswoher übertragen (aliqua alicunde conversa sunt). Diejenigen nämlich, die etwas von anderen nehmen, selbst billigen, nach eigenem Gutdünken darlegen und ihre eigene Darstellungsweise (suumque scribendi ordinem adiungunt) hinzufügten, diese erfüllten nicht die Aufgabe eines Übersetzers, sondern müssen selbst Autoren (autores ipsi compositoresque) genannt werden. Der, der übersetze, müsse insbesondere darauf bedacht sein, dass er in seiner Formulierung dasselbe ausdrücke (idem dicendo exprimatur), freilich nicht indem er Wort um Wort ersetze (non verba quidem permutando verbis). Dies könne nicht geschehen, ohne dass dabei das Werk unbeschädigt bleibe. Dennoch müsse hierauf besondere Mühe verwandt werden, dass unter Wahrung der Eigenheit der (Ausgangs-)Sprache derselbe (Gedanke) in der anderen (Ziel-)Sprache flüssig vorgebracht werde (liquide efferantur, 11-12). Allerdings seien die Unterschiede zwischen den Autoren groß (12). Wenn man nun durch Klugheit und beständige Bemühung erreichen könne, dass beim Übersetzen nicht nur die Meinung des Autors offenbar werde, sondern dass auch Form (forma) und Haltung (habitus, gestus) der Rede erkennbar würden, die der Autor verwendet habe, dann verdiene der, der ein solches einmaliges Kunstwerk hervorgebracht habe, berechtigtes Lob.
Was die Klarheit (perspicuitas) der Sprache anbelange, müssten die Zeitumstände eines Autors bedacht werden. Die Redeform (genus), in der Thukydides schrieb, seien seinen Zeitgenossen nicht unbekannt gewesen, ebensowenig wie die des Coruncanius. So habe man damals gesprochen. Später sei dann gemeinsam mit der Lebensform und den Sitten die Sprache feiner (mundior) und gestriegelter (magis quasi comta) geworden. Die frühere Gestalt sei aus der Mode gekommen und allmählich in Vergessenheit geraten (12-13). Camerarius weist auf eine Stelle bei Thukydides hin, die von den späteren Grammatikern als altmodisch markiert worden sei.
Camerarius kommt auf die mit dem herausgegebenen Werk verfolgten Intentionen zu sprechen. Es könne dem Unterricht der Kinder dienen, könne aber auch noch anderweitig nützlich sein (13-14). Diejenigen, die sich für die Sammlung interessierten, sollten vor ihr nicht wegen ihres knappen Umfangs (tenuitas) zurückschaudern, denn sie würden etwas vorfinden, was Nutzen und Vergnügen bringe. In den Prolegomena habe er angeführt, was diese Art von Lehrschriften ganz besonders kennzeichne: Dass denjenigen Schülern, die diese hörten, sie sich einprägten und aktiv anwandten, großes Lob zugesprochen werde. Andernfalls habe auch die Bemühung der Lehrer keinen Sinn (14-15). Camerarius verteidigt die Vorstellung, dass durch Unterricht eine Besserung der Belehrten erreicht werden könne (15-16). Wenn die Ermahnung durch Worte nicht ausreiche, müsse Strenge hinzukommen.
Was Camerarius aus den Texten zusammengetragen habe, hätte auch mit weiterem Material leicht zu einem gewaltigen Haufen aufgestapelt werden können. Auch Johannes Sambucus habe einiges zukommen lassen, was Camerarius drucken wolle (18). Hierin seien viele Lehren für ein ehrenhaftes irdisches Leben enthalten.
Camerarius kommt auf Agapetus, einen der herausgegebenen und übersetzten Autoren, zu sprechen. Agapetus Diaconus, dessen "Sententiae" Camerarius zu edieren beabsichtigte, habe wohl zur Zeit der Herrschaft Iustinians gelebt (18-20). Er habe eine Vorliebe für Akrostiche und prunkvolle Klauseln gehabt. Seinen Sentenzen habe Camerarius ferner einen Brief eines unbestimmten antiken Autors aufgrund seiner inhaltlichen Qualität hinzugefügt. Diese Schrift sei neulich aus Österreich an die Leipziger Universität zurückgekehrt, habe jedoch unter dem Transport gelitten (Anm. 4).
Am Ende spricht Camerarius die Widmung an Mehl aus. Den Anlass, das Werk diesem zu widmen, habe ein Brief von Mehl und das Geschenk eines Pferdes (Anm. 5) gegeben, sowie die Ermunterung durch Johannes Crato (23). Dass Crato und Mehl eine enge Freundschaft verbinde, habe Camerarius neulich erfahren, als er einen Gast aus Wien hatte.
Anmerkungen
- Anm. 1: Camerarius hat zahlreiche Kommentierungen zu rhetorischen Werken oder anderer Schriften aus rhetorischem Blickwinkel verfasst. Ob er hier an eine bestimmte denkt, ist nicht zu klären.
- Anm. 2: Vermutlich bezieht sich Camerarius hier auf die "Adversaria", das monumentale Werk Turnèbes zur Textkritik der lateinischen Literatur.
- Anm. 3: Auch hier liegt eine Vielzahl von Werken vor, auf die Camerarius verweisen könnte (Übersetzungstheorie).
- Anm. 4: Hiermit meint er wohl den Brief des Palladios.
- Anm. 5: Der Widmungsbrief zu diesem Druck dient als Quelle dafür, dass Camerarius Besitzer von Pferden war. Von Georg Mehl von Strelitz habe er ein Pferd als Geschenk erhalten. Dies kann als Beleg für einen persönlichen Bezug des Camerarius zu Pferden dienen, aus dem sein Interesse für die Hippologie rührt (vgl. Sannicandro 2017, 190, Fn 18).
Forschungsliteratur
- Steinmann 2017, S. 110-112; 115 (zur pädagogischen Intention, die aus dem Proömium, S. 13-14, ersichtlich wird).