Camerarius, De dissidio in religione, 1595 (1549)

Aus Joachim Camerarius (1500-1574)
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Opus Camerarii
Werksigle OC 0943
Zitation De dissidio in religione, et collatione veterum cum recentioribus, libellus, bearbeitet von Jochen Schultheiß (27.08.2024), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OC_0943
Name Joachim Camerarius I.
Status Verfasser
Sprache Latein
Werktitel De dissidio in religione, et collatione veterum cum recentioribus, libellus
Kurzbeschreibung In dem Traktat über die Differenzen zwischen den aktuellen Missständen in der (katholischen) Kirche und altkirchlichen Positionen ist der Blick zuerst auf den geistlichen Stand gerichtet. Camerarius fordert eine Höherbewertung der Bildung derer, die die Bibel auslegen, denn nur wer über die notwendigen Sprachkenntnisse verfüge, könne auch die Heilige Schrift interpretieren. Zahlreiche andere Themen werden erörtert: Heiligenverehrung, keusche Lebensformen, Priester, Zölibat, Gottesdienste, Festtage, Fasten und andere religiöse Gebräuche. Eine vertiefte Betrachtung erhalten auch die Sakramente. Es folgen Bestattungsbräuche, die asketische Lebensform, Tugenden und Laster, menschliches Verdienst sowie die göttliche Gnade. Sehr häufig zitierter Gewährsmann für die Vorstellungen und Praktiken in der Alten Kirche ist Epiphanios von Salamis.
Erstnachweis 1595
Bemerkungen zum Erstnachweis Die Angabe des Erstnachweises gibt den Zeitpunkt des Erstdruckes an.
Datum unscharfer Erstnachweis (Beginn)
Datum unscharfer Erstnachweis (Ende)
Schlagworte / Register Theologie; Schmalkaldischer Krieg (1546-1547); Glaubensbekenntnis; Sakramentenlehre; Polemik (konfessionell); Heiligenverehrung; Idololatrie; Fasten; Diätetik; Ethik; Astrologie; Divination und Prodigien; Rechtfertigungslehre; Bildungsdiskurs
Paratext zu
Paratext? nein
Paratext zu
Überliefert in
Druck Camerarius, De dissidio in religione, 1595
Erstdruck in
Blatt/Seitenzahl im Erstdruck
Carmen
Gedicht? nein
Erwähnungen des Werkes und Einfluss von Fremdwerken
Wird erwähnt in
Folgende Handschriften und gedruckte Fremdwerke beeinflussten/bildeten die Grundlage für dieses Werk
Bearbeitungsstand
Überprüft am Original überprüft
Bearbeitungsstand korrigiert
Notizen [[Notizen::Könnte die erwähnte Schrift von vor einigen Jahren kurz vor einem Konzil Camerarius, Συνοδικά, 1543 sein? Ist vor einigen Jahren, ist in Erwartung eines Konzils. Dann müsste allerdings Albrecht von Preußen der erwähnte Valens sein... HIWI 01.02.24

VG (Diskussion) 16:21, 27. Mär. 2024 (CET) Schwer zu sagen. Es gibt hier für mich noch einige Fragezeichen. Im Jahr 1549 war ja die Erwartung wieder da, dass das Konzil wieder in Trient einberufen werden würde: Der Reichstag 1548 hatte das ja festgelegt. Die Epitheta des Valens passen mir nicht zu einem Fürsten. Ob der Adressat, Galatinus, der italienische Gelehrte ist? [1] Die theol. Position des Autors stimmt weitgehend mit der des Camerarius überein. Sollte sich die Autorschaft bestätigen, haben wir hier ein aussagekräftiges Dokument zu C.' theol. Position. Die Frage ist, wie ein solcher Text von JC an Beza kommt? Ist er in den Briefen erwähnt? Vielleicht weiß US mehr?

VG (Diskussion) 15:31, 16. Aug. 2024 (CEST) Die Synodica kommen in Frage. Aber wir wissen nicht, ob es sich überhaupt um ein gedrucktes Werk handelt. Es muss keine Widmung gemeint sein. Der Name Valens ist so negativ besetzt, dass C. wohl nicht Albrecht damit meint. Vielleicht ist es eine Übersetzung für Kraf(f)t? Adam Krafft, Johannes Crato oder Krafft Müller kämen dann auch in Frage. Oder sollte es Germain Vaillant de Guélis sein? Aber von Kontakten des C. zu ihm ist mir nichts bekannt, und als Katholik kommt er vielleicht doch nicht in Frage?

HIWI 27.08.24: 1549 ist aber das Jahr dieses Werks, nicht "ante annos aliquot" (s. S. 4)
Zu Valens: Das Regest ist an dieser Stelle falsch: Valens war nicht "zu sehr in seine Geschäfte verstrickt (sc. um JC' Werk wahrzunehmen?)". Was JC hier tatsächlich schreibt, ist ganz klar, dass Valens zwar rechtgläubig ist (amanti veritatis), doch einen solchen Lebensstil hat und einen solchen Beruf, dass er seinen Glauben nicht immer und überall in Worten zeigen und nicht ausleben könne. Valens ist also jemand, der Luther/Melanchthon folgt (bzw. für JC mit diesen kompatibel ist), aber in einem Gebiet lebt oder sich regelmäßig in Gebieten aufhält, wo es ihm nicht gut bekäme, das zu zeigen (vielleicht in Italien oder Frankreich, vielleicht auch in einem 'papistischen' Gebiet in Deutschland).
Ich denke im Übrigen schon, dass eine Widmung gemeint ist: mittere kann sowohl schicken als auch widmen bedeuten, klar, aber warum sollte JC in einem zur Publikation gedachten Werk schreiben, dass er vor einigen Jahren ein Werk an einen Kumpel geschickt hat? Das tut er sowieso ständig, das ist ein seltsames Stück Info dafür, dass es nicht weiter ausgebreitet wird. Eine Widmung würde mehr Sinn machen, das wäre etwas besonderes, was es theoretisch auch ermöglichen würde, das Werk zu identifizieren.
Zu: "Camerarius betont die Notwendigkeit der Wahrheitssuche und der Richtigkeit der Lehre bei religiösen Belangen": Auch hier fehlt im Regest ein wichtiger Teil: Camerarius betont das nämlich nicht, sondern sagt, es sei das Ergebnis seiner vorherigen Abhandlung (der, die er Valens gewidmet/geschickt hat) und möchte an dieser Stelle weitermachen!! Denn wie er S. 6-7 schreibt, ist das vorliegende Werk an Galatinus der zweite Teil zu dem vorherigen an Valens. Jenas ist also eines aus den 40er Jahren (vermutlich) mit ähnlichen Inhalten. Camerarius, Disputatio de cultu vero Dei, 1544 scheint ähnliche Inhalte zu haben, ist aber nicht unter JC' Namen publiziert; die Synodica wurden bereits erwähnt; ansonsten schwierig.
Weiterhin bemerkenswert: S. 9 werden die bonae artes dem Pfingstwunder gleichgestellt, da beide den Menschen die Gabe verleihen, fremde Sprachen zu verstehen.
"Aus diesem Grund fordert Camerarius eine Höherachtung der Bildung (11)": Tut er mit Sicherheit, aber da steht es nicht. Die Schlussweise lautet: (S. 10) Sprachkenntnisse als Voraussetzung zur Auslegung der Bibel -> Wer sie nicht hat, lasse die Finger davon -> geschweige denn, wer noch andere Makel hat wie impietas -> JC versteht nicht, wie alle der Meinung sind, die Kirche müsse reformiert werden, doch zugleich tut man alles, um beim gegenwärtigen schlechten Zustand zu bleiben und drängt Karl, diesen zu bewahren -> ja, die Kirche bleibt grundsätzlich bestehen und nichts in der Welt kann sie vernichten, aber sie ist korrumpiert und muss gereinigt werden -> (S. 11) eine Analogie zum besseren Verständnis: Den Bonae artes geht es schlecht; folglich würde man jedem widersprechen, der sich weigert, sie zu reformieren. Dagegen bei der göttlichen Wahrheit haben wir nichts dagegen, sie verunreinigt zu lassen? Und dann geht es mit Karl weiter wie im Regest.]]

Wiedervorlage ja
Bearbeiter Benutzer:JS
Gegengelesen von Benutzer:VG
Bearbeitungsdatum 27.08.2024
Opus Camerarii
Werksigle OC 0943
Zitation De dissidio in religione, et collatione veterum cum recentioribus, libellus, bearbeitet von Jochen Schultheiß (27.08.2024), in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/OC_0943
Name Joachim Camerarius I.




Sprache Latein
Werktitel De dissidio in religione, et collatione veterum cum recentioribus, libellus
Kurzbeschreibung In dem Traktat über die Differenzen zwischen den aktuellen Missständen in der (katholischen) Kirche und altkirchlichen Positionen ist der Blick zuerst auf den geistlichen Stand gerichtet. Camerarius fordert eine Höherbewertung der Bildung derer, die die Bibel auslegen, denn nur wer über die notwendigen Sprachkenntnisse verfüge, könne auch die Heilige Schrift interpretieren. Zahlreiche andere Themen werden erörtert: Heiligenverehrung, keusche Lebensformen, Priester, Zölibat, Gottesdienste, Festtage, Fasten und andere religiöse Gebräuche. Eine vertiefte Betrachtung erhalten auch die Sakramente. Es folgen Bestattungsbräuche, die asketische Lebensform, Tugenden und Laster, menschliches Verdienst sowie die göttliche Gnade. Sehr häufig zitierter Gewährsmann für die Vorstellungen und Praktiken in der Alten Kirche ist Epiphanios von Salamis.
Erstnachweis 1595
Bemerkungen zum Erstnachweis Die Angabe des Erstnachweises gibt den Zeitpunkt des Erstdruckes an.


Schlagworte / Register Theologie; Schmalkaldischer Krieg (1546-1547); Glaubensbekenntnis; Sakramentenlehre; Polemik (konfessionell); Heiligenverehrung; Idololatrie; Fasten; Diätetik; Ethik; Astrologie; Divination und Prodigien; Rechtfertigungslehre; Bildungsdiskurs
Paratext zu
Paratext? nein
Überliefert in
Druck Camerarius, De dissidio in religione, 1595
Carmen
Gedicht? nein
Erwähnungen des Werkes und Einfluss von Fremdwerken
Wird erwähnt in
Bearbeitungsdatum 27.08.2024


Entstehungskontext

Nach Angabe im Titel ist das Werk 46 Jahre vor dem Druck (1595) geschrieben worden. Das Entstehungsjahr ist folglich mit 1549 anzusetzen. Der Autor ist nicht namentlich genannt, jedoch entspricht der Darstellungsstil durchaus dem des Camerarius, wodurch die gängige Zuordnung an ihn unterstützt wird.

Aufbau und Inhalt

Camerarius erinnert zunächst daran, dass er vor einigen Jahren eine Schrift anlässlich anstehender Religionsgespräche verfasst und seinem Freund Valens (unbekannt) geschickt habe, der jedoch zu sehr in seine Geschäfte verstrickt gewesen sei (4). Danach sei die bereits angesetzte Unterredung jedoch verhindert worden, und es sei zum Krieg gekommen (Anm. 1). Trotz der schwierigen Umstände habe der Autor das vor vielen Jahren begonnene Werk nun aber fertigstellen und das, was noch fehlte, hinzufügen wollen (6/7). Dies möchte er nun mit dem Adressaten Galatinus (unbekannt) teilen. Camerarius betont die Notwendigkeit der Wahrheitssuche und der Richtigkeit der Lehre bei religiösen Belangen (ante omnia veritas exquirenda & doctrinae sinceritas retinenda). Diese Bemühung um die Wahrheit könne ihren Ausgang ausschließlich vom Wort Gottes nehmen, da nur darin die Natur und der Wille Gottes für die Menschen erkennbar werden, sofern diese mit frommer Zuneigung hören und verstehen wollen (8). Die Gewohnheit (consuetudo) hingegen sei kein hinreichender Maßstab für die Wahrheit (Anm. 2). Zentrales Thema des Werkes sind die Interpreten der Bibel, die eine Bildung in den schönen Künsten erfahren haben müssen (9). Nur wer über die entsprechenden Sprachkenntnisse verfüge, könne auch die Heilige Schrift auslegen. Aus diesem Grund fordert Camerarius eine Höherachtung der Bildung (11).
Große Hoffnungen setzt Camerarius auf Kaiser Karl, dem von göttlicher Seite außergewöhnliche Begünstigungen übertragen worden seien. Diese möge er nicht nach dem Belieben derer verwenden, die kirchliche Macht missbrauchten, sondern im Sinne der Gläubigen und zum Aufbau der Kirche. Camerarius wünscht eine Besserung in allen Ständen, aber von besonderer Bedeutung sei der geistliche Stand (11-12). Dieser müsse wieder zu einer unverdorbenen Verfassung zurückgeführt werden. Im Blickpunkt steht hierbei auch das Glaubensbekenntnis, das zum Gegenstand der Uneinigkeit geworden sei (13-15). Wichtiger Referenztext für Camerarius bildet über den gesamten Traktat hinweg die Schrift "Gegen die Häretiker" ("Panarion") des Epiphanios von Salamis. Als ein weiterer Punkt des Dissenses werden die Sakramente behandelt (15-21). Als nächstes Thema folgen keusche Lebensformen (21-26). Als Beleg für deren Verfall verweist Camerarius auch auf die Erzählungen des Boccaccio (23). Der Fokus liegt im Folgenden auf den Priestern und kirchlichen Würdenträgern (26-32). Eine weitere Problematik stellt die Heiligenverehrung / Idololatrie dar (32-33). Ebenso setzt sich Camerarius mit dem Zölibat auseinander, den er mit ausführlicher Argumentation ablehnt: Entscheidend sei nicht äußerer Zwang, sondern innere Keuschheit (35-41). Die von Epiphanius dargestellte Praxis hinsichtlich des Zölibats und der Keuschheit heißt Camerarius gut (41-45). Als nächstes wird die kirchliche Hierarchie und verschiedene kirchliche Ämter behandelt (45-55). Auch die Gottesdienste, Feststage, das Fasten und andere religiöse Gebräuche wie Vigilien werden thematisiert (55-73). Von besonderem Interesse ist hierbei die apostolische Tradition. Vertiefte Betrachtung erfahren ferner die Sakramente (73-81). Hierbei werden auch weitere christliche Autoren aus der Spätantike herangezogen (z.B. Dionysius Areopagita, Isidor von Sevilla). Neben Epiphanius bildet Basilius der Große durchgehend einen wichtigen Bezugspunkt für Camerarius. Weitere behandelte Themen sind die Einfachheit der in der Kirche zu verwendenden Sprache (81-82), Bestattungsbräuche (83-88), Diätetik, Askese und die monastische Lebensform (89-93, 95), Tugenden und Laster (93-96), menschliches Verdienst und göttliche Gnade (96-97). In knapper Abfolge werden verschiedene Themen wie die Astronomie/Astrologie und verschiedene Formen des Aberglaubens behandelt (99-100). Der Traktat endet in einer Schlussbetrachtung, in der Camerarius zusammenfassend den scharfen Gegensatz betont, in dem die Aussagen der Autoren aus der christlichen Antike und der beklagenswerte Zustand der gegenwärtigen Kirche zueinander stehen (100-103). Das Werk endet mit einem Zitat aus Epiphanius, in dem die Kirche in ihrer idealen Gestalt beschrieben wird.

Anmerkungen

  • Anm. 1: Die Zusammenhänge, die Camerarius beschreibt, sind nicht eindeutig zu identifizieren. Weder wird ersichtlich, wer der genannte "Valens" sein könnte, noch welches Religionsgespräch bzw. Konzil gemeint ist. Mit dem beschriebenen Krieg ist vermutlich der Schmalkaldische Krieg (1546/47) gemeint.
  • Anm. 2: Hiermit ist der reformatorische Grundsatz sola scriptura benannt.